Patricia Vandenberg

Dr. Norden Bestseller Staffel 3 – Arztroman


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mehr kam. Dafür war Gerda dann seine Lenni geworden, und Fee war überzeugt, dass Lenchen aus dem Jenseits, in dem sie mit jenen vereint war, die sie geliebt hatte, dies so gesteuert hatte. Seit jenem Tag war Fee des Glaubens, dass die gute Seele eines Menschen, dessen Erdendasein nach höherem Willen beendet war, bei denen zurückblieb, die von ihm geliebt wurden und deren Liebe in einem treuen Gedenken über den Tod hinaus verblieb. So tief verwurzelt war in ihr dieser Glaube, dass sie sich scheute, selbst mit ihrem geliebten Mann darüber zu sprechen, mit dem sie doch sonst über alles reden konnte.

      Aber Daniel hatte womöglich ähnliche Gedanken. »Lenchen schwebt als Schutzengel über uns«, sagte er sinnend und ohne jede Spur von Ironie.

      »Davon bin ich schon lange überzeugt, Daniel«, flüsterte Fee. »Sie ist von uns gegangen, aber sie hat uns nicht verlassen.« Und da kollerten schon wieder große Tränen über ihre Wangen.

      »Und wir werden immer an sie denken«, sagte Daniel weich und küsste diese Tränen weg. »Manchmal stelle ich mir vor, dass sie da droben im Himmel bei Vater sitzt und mit ihm Sechsundsechzig spielt, wie in früheren Zeiten.«

      »Und er hat sie mit offenen Armen empfangen und gesagt: Schön, dass du nun wieder bei mir bist, Lenchen. Die Jungen da drunten werden schon zurechtkommen. Da werden wir aufpassen.«

      »Du bist so lieb, Fee«, sagte Daniel rau, ergriffen von tiefer Rührung.

      »Sie müssen es doch spüren, dass sie in unseren Herzen lebendig sind, Daniel. Liebe hat kein Ende.«

      Und manchen war es der einzige Trost, wenn sie schmerzlich trauerten. Wie auch Frau Kögler, die ihre Kinder in die Arme nahm.

      »Wir werden unseren Papi nie vergessen«, sagte sie tapfer.

      »Wirst du nicht wieder heiraten?«, fragte ihr Ältester, gerade dreizehn Jahre geworden.

      »Bestimmt nicht, Schorschi«, erwiderte sie.

      »Manche Väter sind so gemein zu ihren Kindern und leben ewig. Warum musste denn unser Papi sterben?«, fragte der Junge.

      Ja, warum? Darauf musste man die Antwort schuldig bleiben. Wen der Herrgott liebt, nimmt er früh zu sich, sagte man, aber war das eine Antwort? Manche Menschen hatten ein langes, erfülltes Leben und mussten an vielen Gräbern stehen, bevor ihnen der ewige Frieden beschieden war. Sollte Gott diese Menschen nicht lieben?

      Wir sind nur ein winziges Lebewesen in einem unendlichen All, dachte Frau Kögler. Wir müssen hinnehmen, was uns bestimmt ist.

      »Uns hat der Dr. Norden immer gesund gemacht, wenn wir krank waren, Mami«, sagte Schorschi, »warum konnte er Papi nicht gesund machen?«

      Weil es das Schicksal anders wollte, dachte Frau Kögler. Dr. Norden hat alles getan, was in seiner Macht stand, aber es gibt eine höhere.

      »Er ist auch nur ein Mensch«, sagte sie.

      »Aber er ist ein Doktor. Die lernen es doch, den Kranken zu helfen.«

      »Immer können sie es nicht, Schorschi«, sagte Frau Kögler.

      »Wenn wir jetzt wieder mal krank werden, rufst du dann einen anderen Arzt an, Mami?«, fragte der Junge.

      »Nein. Er hat alles getan, was in seiner Macht stand. Er hat mich nie im Stich gelassen.«

      »Bist du denn auch krank, Mami?«, fragte Schorschi besorgt.

      »Nur ein bisschen müde«, erwiderte sie.

      »Dann schlaf jetzt mal. Ich frage nicht mehr. Wir haben ja noch Oma und Opa, und die Kleinen verstehen sowieso nicht, dass Papi nicht mehr wiederkommt. Schlaf ganz lange, Mami, aber wach wieder auf.«

      »Mein Großer«, flüsterte Frau Kögler unter Tränen, die nun endlich erlösend kamen. »Mein lieber großer Junge.«

      »Oma und Opa haben schon mit mir geredet, dass wir ganz fest zusammenhalten müssen. Wir werden es schon schaffen, Mami. Wir können zu ihnen ziehen, und dann sparen wir die Miete. Mach dir bloß nicht zu viel Sorgen. Ich bin auch kein kleiner Junge mehr. Ich setze mich auf die Hosen, damit ich mal so tüchtig werde wie unser Papi. Das würde ihn doch freuen?«

      »Ganz bestimmt, mein Junge.«

      Wie behutsam er die Decke über sie breitete, noch ein Kind und doch schon auf dem Wege, Verantwortung tragen zu wollen. Seine kleinen rauen Hände streichelten ihr Gesicht und wischten die Tränen weg. Ihre Kinder brauchten sie. Sie musste die Kraft aufbringen, für diese Kinder zu leben. Ihre Finger fuhren durch den wirren Haarschopf des Jungen, der dicht über ihren Augen war.

      »Du hast mir sehr geholfen, Schorschi«, sagte sie weich und mütterlich. »Wir werden diese schlimmen Tage schon überstehen.«

      »Ich rufe auch Dr. Norden an, wenn du ihn brauchst, Mami«, sagte der Junge.

      »Jetzt will ich nur ein bisschen schlafen«, sagte sie.

      »Dann rede ich jetzt mit den Kleinen, damit sie ruhig sind.«

      »Sie sind doch ganz still, Schorschi.«

      »Dann werden sie wohl bei Oma in der Küche sein. Nachher isst du aber was, gell?«

      »Ja, mein Junge.«

      »Zu ändern ist es doch nicht«, murmelte er.

      Und für sie und die Kinder ging das Leben weiter.

      *

      Für Carry dagegen sollte das Leben erst richtig beginnen, doch an diesem Tag dachte sie nicht daran, dass erst eine Operation dazu nötig sein würde. Wäre sie nicht gar so dünn und durchsichtig gewesen, hätte man nicht glauben können, in welchem bedrohlichen Schatten sie aufgewachsen war.

      Sie hatte auch mit gutem Appetit gegessen. Als sie wieder im Freien waren, steuerte Carry auf das Geschäft zu, in dessen Schaufenster sie das Kleid bewundert hatte. Es war nicht mehr da. Miriam atmete auf, Carry tauschte einen bedeutungsvollen Blick mit ihrem Vater und sagte dann: »Oh, wie schade, da war vorhin noch ein zauberhaftes Kleid, das genau zu Miriam gepasst hätte.«

      »Na, schauen wir doch mal hinein. Sie werden wohl noch mehr Auswahl haben«, meinte Jonas, und Miriam konnte gar nicht mehr protestieren, denn rechts und links wurde sie an den Armen gehalten und direkt durch eine Tür hineingeschoben, die sich schon automatisch öffnete.

      »Schau, Papi, da hängt das Kleid«, tat Carry erstaunt, und man konnte sagen, dass ihr das sehr gut gelang. »Vorhin lag es noch im Fenster.«

      »Wir mussten es herausnehmen, weil es irrtümlich mit dem falschen Preis ausgezeichnet worden war«, erklärte die Geschäftsführerin mit einem unergründlichen Lächeln.

      Sie war eine Dame um die Fünfzig, sehr dezent, sehr diskret und in ihrer Selbstsicherheit sehr überzeugend. Und Miriam blieb nun nichts übrig, als das Kleid anzuprobieren, das wirklich wie geschaffen für sie schien.

      »Carry weiß wirklich genau, was Ihnen steht, Miriam«, stellte Jonas fest, und ehe Miriam es sich versah, war das Kleid auch schon gekauft.

      Carry lenkte Miriam ab, während Jonas bezahlte. Sie hatte auch noch etwas für sich entdeckt, oder tat wenigstens so, aber natürlich war das Kostüm für sie viel zu groß.

      »Es passiert schon manchmal, dass ein falscher Preis ausgezeichnet wird«, erklärte die liebenswürdige Geschäftsführerin noch. »Da braucht man nur zwei Zahlen verkehrtzustecken und schon ist es geschehen. Peinlich wird es, wenn man einen zu niedrigen Preis aufstellt und sich gleich eine Interessentin findet. Aber ich hoffe, dass Sie Freude an dem Kleid haben, gnädige Frau, und auch mit der Qualität zufrieden sind.«

      »Für die Qualität ist es allerdings wirklich preiswert«, stellte Jonas fest, als sie das Geschäft verlassen hatten. »Aber wichtiger ist, dass es Ihnen so gut zu Gesicht steht, Miriam.«

      »Und wie es passt«, freute sich Carry. »Du hast eine tolle Figur, Miriam.«

      Gar zu sehr wollte sie aber doch nicht übertreiben, obgleich sie Miriam wunderschön in diesem Kleid fand, dessen Pastellfarben