George Sand

Gesammelte Werke


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Ka­plan war zu ängst­li­cher Na­tur, um sich ei­ner so ver­we­ge­nen Be­haup­tung un­be­denk­lich an­zu­schlie­ßen. Er zog sich wie ge­wöhn­lich aus der Sa­che, in­dem er sag­te:, »Stel­len wir es der gött­li­chen Weis­heit an­heim! Gott sieht in das Ver­bor­ge­ne, der Geist muss sich gänz­lich in Gott ver­sen­ken«, und an­de­re Sprü­che, die mehr tröst­lich als neu wa­ren.

      Graf Chris­ti­an war ge­teilt zwi­schen dem Wun­sche, die et­was ins Wun­der­süch­ti­ge strei­fen­de Auf­fas­sung sei­ner Schwes­ter an­zu­neh­men, und der Ach­tung, wel­che ihm die ängst­lich be­däch­ti­ge Or­tho­do­xie sei­nes Beich­ti­gers auf­nö­tig­te. Er mein­te die Un­ter­hal­tung ab­zu­len­ken, als er, auf die Por­po­ri­na ge­ra­tend, das al­ler­liebs­te We­sen die­ser jun­gen Per­son zu rüh­men an­hob. Das Stifts­fräu­lein, das sie schon lieb­ge­won­nen hat­te, ging gern auf sei­ne Lob­sprü­che ein und der Ka­plan gab sei­nen Se­gen dazu. Es kam ih­nen nicht in den Sinn, das Wun­der, wel­ches in ih­rem In­nern ge­wirkt wor­den war, der An­we­sen­heit Con­sue­lo’s bei­zu­mes­sen. Sie ern­te­ten die Wohl­tat, ohne die Quel­le zu er­ken­nen; und das war ge­ra­de, was Con­sue­lo von Gott er­be­ten ha­ben wür­de, wenn man sie hät­te dar­um fra­gen wol­len.

      Ama­lie hat­te ein we­nig schär­fe­re Beo­b­ach­tun­gen ge­macht. Es stand ihr fest, dass ihr Vet­ter vor­kom­men­den Fal­les Herr­schaft ge­nug über sich be­sä­ße, um die Un­ord­nung sei­ner Ge­dan­ken eben­so­wohl Sol­chen, de­nen er miss­trau­te, als Sol­chen, die er be­son­ders wert­schätz­te, zu ver­ber­gen. Vor man­chen Ver­wand­ten oder Freun­den sei­ner Fa­mi­lie, wel­che ihm ent­we­der Zu­nei­gung oder Ab­nei­gung ein­flö­ßten, hat­te er die Aus­schwei­fun­gen sei­ner Sin­nes­art nie durch ir­gend ein äu­ße­res Merk­mal ver­ra­ten. Als ihr da­her Con­sue­lo ihr Er­stau­nen aus­drück­te über das, was sie abends zu­vor von ihr über Al­bert er­fah­ren hat­te, be­müh­te sich Ama­lie, von ei­nem ge­hei­men Ver­drus­se ge­plagt, das Grau­en vor ihm, wel­ches jene Er­zäh­lung in ih­rer Freun­din er­weckt hat­te, zu­rück­zu­ru­fen.

      – Ach! mei­ne arme Freun­din! sag­te sie; trau­en Sie die­ser trü­ge­ri­schen Ruhe nicht; das ist die Pau­se, wel­che stets bei ihm die eine Kri­se von der an­de­ren trennt. Sie ha­ben ihn heu­te so ge­se­hen, wie ich ihn sah, als ich am An­fan­ge des vo­ri­gen Jah­res hier an­kam. O Gott! Wenn es Ih­nen durch frem­den Wil­len auf­er­legt wäre, die Frau ei­nes sol­chen Vi­sio­närs zu wer­den, wenn man, um Ihren still­schwei­gen­den Wi­der­stand zu bre­chen, still­schwei­gend das Com­plott ge­schmie­det hät­te, Sie auf un­be­stimm­te Zeit in die­sem schreck­li­chen Schloss ge­fan­gen zu hal­ten, un­ter ei­ner im­mer­wäh­ren­den Diät von jä­hen Schre­cken, Ängs­ten und Er­schüt­te­run­gen, un­ter nichts als Trä­nen, Exor­cis­men, Aus­schwei­fun­gen al­ler Art, um eine Ge­ne­sung ab­zu­war­ten, an wel­che man stets glaubt und die nie kom­men wird, so wür­den Sie eben­so wie ich sich kei­ne Täu­schung ma­chen über Al­ber­t’s schö­ne Ma­nie­ren und die sü­ßen Re­den der Fa­mi­lie.

      – Es ist aber doch un­glaub­lich, sag­te Con­sue­lo, dass man Sie soll­te zwin­gen wol­len, sich wi­der Ihren Wil­len mit ei­nem Man­ne zu ver­bin­den, wel­chen Sie nicht lie­ben. Sie schei­nen mir der Ab­gott der Ih­ri­gen zu sein.

      – Zwin­gen wer­den sie mich nicht; sie wis­sen recht gut, dass das die Un­mög­lich­keit wol­len hie­ße. Aber sie wer­den ver­ges­sen, dass Al­bert nicht der ein­zi­ge Mann ist, der für mich pas­sen könn­te, und Gott weiß wann sie die tol­le Hoff­nung auf­ge­ben wer­den, ich möch­te im­mer noch ein­mal die Zu­nei­gung, die ich An­fangs für ihn fühl­te, wie­der­ge­win­nen. Und mein ar­mer Va­ter, der so ein lei­den­schaft­li­cher Jä­ger ist und hier so schö­ne Ge­le­gen­heit hat, sei­ner Lieb­ha­be­rei nach­zu­hän­gen, be­fin­det sich auch gar zu gut in die­sem ver­wünsch­ten Schlos­se und fin­det im­mer wie­der einen neu­en Vor­wand, um un­se­re Abrei­se hin­aus­zu­schie­ben, die schon zwan­zig Mal be­schlos­sen und im­mer wie­der auf­ge­ge­ben ward. Ach, wenn Sie ein Mit­tel wüss­ten, lie­be Nina, wo­nach in ei­ner Nacht al­les Wild der Ge­gend ver­en­den müss­te, so wür­den Sie mir den größ­ten Dienst leis­ten, den eine Men­schen­see­le mir leis­ten kann.

      – Ich kann lei­der nichts tun, als dass ich Ih­nen Zer­streu­ung zu ma­chen su­che, in­dem ich Sie sin­gen las­se und dass ich abends, wenn Sie nicht Lust ha­ben zu schla­fen, mit Ih­nen plau­de­re. Ich wer­de mir Mühe ge­ben, ein cal­mie­ren­des und schlaf­brin­gen­des Mit­tel für Sie zu sein.

      – Sie er­in­nern mich, dass ich Ih­nen den Rest ei­ner Ge­schich­te schul­dig bin. Ich will nur gleich an­fan­gen, da­mit Sie nicht zu spät zu Bet­te kom­men:

      Ei­ni­ge Tage nach sei­ner ge­heim­nis­vol­len Ab­we­sen­heit (und er stand im­mer in der Über­zeu­gung, dass die Wo­che, wäh­rend wel­cher er weg war, nur sie­ben Stun­den ge­dau­ert hat­te) fing Al­bert an zu mer­ken, dass der Abbé nicht mehr im Schlos­se wäre und frag­te, wo­hin man den hät­te ge­hen las­sen.

      – Da du sei­ner nicht mehr be­durft hast, ant­wor­te­te man ihm, so ist er zu sei­nen Ge­schäf­ten zu­rück­ge­kehrt. Hat­test du es denn nicht eher be­merkt?

      – Ich habe es be­merkt, sag­te Al­bert: mei­nem Lei­den fehl­te et­was, aber ich gab mir kei­ne Re­chen­schaft, was es wäre.

      – Du hast wohl sehr zu lei­den, Al­bert? frag­te das Stifts­fräu­lein.

      – Sehr! ant­wor­te­te er mit dem Tone ei­nes Men­schen, den man fragt, ob er gut ge­schla­fen habe.

      – Und der Abbé war dir wohl sehr un­an­ge­nehm? frag­te Graf Chris­ti­an.

      – Sehr! ant­wor­te­te Al­bert in dem­sel­ben Tone.

      – Wa­rum hast du das aber nicht eher ge­sagt, lie­ber Sohn? Wa­rum hast du die Ge­gen­wart ei­nes Man­nes, der dir zu­wi­der war, so lan­ge er­tra­gen, ohne mir et­was von dei­nem Miss­be­ha­gen aus­zu­spre­chen? Glaub­test du denn nicht, mein Kind, dass ich dei­nem Lei­den so schnell als mög­lich ein Ende ma­chen wür­de?

      – Es war nur eine ge­rin­ge Zu­ga­be zu mei­ner Pein, ent­geg­ne­te Al­bert mit fürch­ter­li­cher Ruhe, und Ihre Güte, Va­ter! an der ich nicht zweifle, hät­te mir nur eine schwa­che Er­leich­te­rung ver­schafft, wenn Sie mir einen an­de­ren Wäch­ter ga­ben.

      – Ei­nen an­de­ren Rei­se­ge­fähr­ten, mein Sohn! Du be­dienst dich ei­nes Aus­drucks, der mei­ner Zärt­lich­keit wehe tut.

      – Ihre Zärt­lich­keit, lie­ber Va­ter! war Schuld, dass Sie Be­sorg­nis­se heg­ten. Sie konn­ten es nicht wis­sen, wie übel Sie mir ta­ten, dass Sie mich von sich und von die­sem Hau­se ent­fern­ten, wo mir die Vor­se­hung mei­nen Platz an­ge­wie­sen hat bis zu der Zeit, da ihre Ab­sich­ten mit mir in Er­fül­lung ge­hen sol­len. Sie ha­ben an mei­ner Wie­der­her­stel­lung und an mei­ner Ruhe zu ar­bei­ten ge­glaubt; ich, der ich bes­ser als Sie wuss­te, was je­dem von uns zu­kommt, wuss­te wohl, dass es mir zu­kam, Ihren Wil­len zu un­ter­stüt­zen und Ih­nen zu ge­hor­chen. Ich kann­te mei­ne Pf­licht und habe sie er­füllt.

      – Ich ken­ne dei­ne Tu­gend und dei­ne Lie­be zu uns, Al­bert! aber könn­test du uns nicht deut­li­cher sa­gen, was in dir vor­geht?

      – Sehr leicht, ent­geg­ne­te er, und der Au­gen­blick ist da, es zu tun.

      Er sprach so ru­hig, dass wir glaub­ten, der