George Sand

Gesammelte Werke


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hat­ten einen ziem­lich hit­zi­gen Streit, wo­von das Re­sul­tat zu sein scheint, dass man ver­su­chen will, mei­nen Wi­der­stand durch das En­nui des Ver­wahr­sams zu er­schöp­fen, wie man eine Fes­tung aus­hun­gert. Also, wenn ich schwach wer­de, wenn ich er­lie­ge, so muss ich Al­bert doch hei­ra­ten, trotz ihm, trotz mir und trotz ei­ner Drit­ten, die so tut, als ob sie sich nicht die Pro­be dar­aus mach­te.

      – Da wä­ren wir! sag­te Con­sue­lo la­chend, ich war auf die­se Spit­ze ge­fasst, und auch nur, um sie mich füh­len zu las­sen, ha­ben Sie mir die Ehre, mich mit Ih­nen zu un­ter­hal­ten, ver­gönnt. Ich las­se mirs gern ge­fal­len, denn ich sehe in die­ser klei­nen Ei­fer­suchts­ko­mö­die einen stär­ke­ren Rest von Lie­be zu Graf Al­bert, als Sie Wort ha­ben wol­len.

      – Nina! rief die jun­ge Baro­nin mit ent­schie­de­nem Tone, wenn Sie das zu se­hen glau­ben, so ha­ben Sie we­nig Scharf­blick, und wenn Sie es gern se­hen, so ha­ben Sie we­nig Lie­be für mich. Ich bin hef­tig, viel­leicht hoch­mü­tig, aber nicht ver­stellt. Ich habe es Ih­nen schon ge­sagt: der Vor­zug, den Ih­nen Al­bert gibt, bringt mich ge­gen ihn, nicht ge­gen Sie auf. Er ver­letzt mei­ne Ei­gen­lie­be, aber er schmei­chelt mei­ner Hoff­nung und mei­ner Nei­gung. Er gibt mir den Wunsch ein, dass mein Cou­sin Ihret­we­gen einen rech­ten dum­men Streich ma­chen möge, der mich von al­ler Scho­nung ge­gen ihn frei­sprä­che und mei­ne Ab­nei­gung, die ich lan­ge be­kämpft habe und doch zu­letzt ohne Bei­mi­schung von Mit­leid oder Lie­be emp­fin­den muss, recht­fer­tig­te.

      – Gebe Gott, ent­geg­ne­te Con­sue­lo sanft, dass dies die Spra­che der Lei­den­schaft, nicht die der Wahr­heit sei! denn es wäre eine sehr har­te Wahr­heit in dem Mun­de ei­ner sehr grau­sa­men Per­son.

      Der Är­ger und die Hit­ze, die Ama­lie bei die­ser Un­ter­re­dung bli­cken ließ, mach­ten auf Con­sue­lo’s edle See­le we­nig Ein­druck. Sie dach­te ei­ni­ge Au­gen­bli­cke nach­her schon wie­der ein­zig an ihr Un­ter­neh­men, und die­ser Traum, den sie nähr­te, Al­bert sei­ner Fa­mi­lie zu­rück­zu­ge­ben, wob eine Art kind­li­cher Lust in die Ein­för­mig­keit ih­rer Be­schäf­ti­gun­gen.

      Sie be­durf­te des­sen sehr, um der lan­gen Wei­le zu ent­ge­hen, mit wel­cher sie be­droht war und wel­che für ih­ren ämsi­gen und rast­los schaf­fen­den Geist eine völ­lig neue und höchst feind­li­che, eine töd­li­che Krank­heit ge­we­sen wäre. Wenn sie ih­rer un­ge­leh­ri­gen und un­auf­merk­sa­men Schü­le­rin eine lan­ge und läs­ti­ge Mu­sik­stun­de ge­ge­ben hat­te, so hat­te sie zwar wei­ter nichts zu tun, und konn­te ihre Stim­me üben und ihre al­ten Wer­ke stu­die­ren.

      Aber die­ser Trost, der ihr noch nie ver­sagt hat­te, wur­de ihr jetzt aufs hart­nä­ckigs­te strei­tig ge­macht. Ama­lie, in ih­rem ge­schäf­ti­gen Mü­ßig­gan­ge, kam je­den Au­gen­blick, und stör­te und un­ter­brach sie mit kin­di­schen Fra­gen und un­zei­ti­gen Be­mer­kun­gen.

      Die üb­ri­ge Fa­mi­lie war schreck­lich fins­ter. Schon fünf töd­li­che Tage wa­ren ver­flos­sen und der jun­ge Graf war nicht wie­der ge­kehrt und je­der neue Tag ver­grö­ßer­te die Nie­der­ge­schla­gen­heit und Trüb­sal.

      Als Con­sue­lo am Nach­mit­tage mit Ama­li­en im Gar­ten um­her­ging, be­merk­ten sie Zden­ko – jen­seits des Gra­bens, wel­cher sie vom off­nen Fel­de trenn­te. Er schi­en eif­rig mit sich selbst zu re­den, und in sol­chem Tone, als ob er sich eine Ge­schich­te er­zähl­te. Con­sue­lo hielt ihre Ge­fähr­tin an, und bat sie, ihr zu über­set­zen, was der selt­sa­me Mensch sprä­che.

      – Wie soll ich Ih­nen Ein­fäl­le ohne Sinn und Zu­sam­men­hang über­set­zen? sag­te Ama­lie, mit den Ach­seln zu­ckend. Was er da mur­melt, heißt, wenn Sie’s durch­aus wis­sen wol­len:

      »Es war ein­mal ein großer Berg, ganz weiß, ganz weiß, und war da­bei ein großer Berg, ganz schwarz, ganz schwarz, und war da­bei ein großer Berg, ganz rot, ganz rot …«

      Wie? Ist das sehr in­ter­essant?

      – Vi­el­leicht wohl, wenn ich wüss­te, was wei­ter folgt. O, was gäbe ich nicht dar­um, böh­misch zu ver­stehn. Ich muss es ler­nen.

      – Es ist gar nicht so leicht wie das Ita­lie­ni­sche oder Spa­ni­sche, aber bei Ihrem Fleiß wer­den Sie es doch ler­nen, wenn Sie wol­len: ich will Ih­nen Un­ter­richt ge­ben, wenn es Ih­nen recht ist.

      – Sie wer­den ein En­gel sein. Un­ter der Be­din­gung je­doch, dass Sie ge­dul­di­ger als Leh­re­rin sein wol­len, als Sie als Schü­le­rin sind. Und was ist das, was Zden­ko jetzt sagt?

      – Die Ber­ge spre­chen jetzt:

       »Wes­halb, du ro­ter Berg, ganz rot hast du zer­schmet­tert den Berg ganz schwarz?

       Wes­halb, du wei­ßer Berg, ganz weiß, littst du zer­schmet­tern den schwar­zen Berg, ganz schwarz?«

      Nun fing Zden­ko plötz­lich zu fin­gen an, mit ei­ner schwa­chen und ge­bro­che­nen Stim­me, aber so rein und wohl­klin­gend, dass es Con­sue­lo in die tiefs­te See­le drang. Er sang:

       »Schwar­ze Ber­ge und wei­ße Berg, viel Was­ser braucht ihr vom ro­ten Ber­ge, euer Kleid zu wa­schen.

       Euer Kleid von Mis­se­tat schwarz und von Träg­heit weiß, euer Kleid von Lü­gen be­schmutzt, euer Kleid von Hoch­mut blank.

       Ge­wa­schen sind sie, ge­wa­schen bei­de, eure bei­den Klei­der, die kei­ne and­re Far­be woll­ten: ab­ge­nutzt sind sie, ab­ge­nutzt bei­de eure bei­den Klei­der, die nicht auf der Stra­ße schlep­pen woll­ten.

       Rot sind nun alle Ber­ge, sehr rot. Al­les Was­ser vom Him­mel braucht es, al­les Was­ser vom Him­mel, sie zu wa­schen.«

      – Ist das im­pro­vi­siert, oder ist’s ein al­tes Volks­lied? frag­te Con­sue­lo.

      – Wer kann’s wis­sen? ent­geg­ne­te Ama­lie. Zden­ko ist ein un­er­schöpf­li­cher Im­pro­vi­sa­tor oder ein sehr kun­di­ger Rhap­so­de. Uns­re Bau­ern hö­ren ihn lei­den­schaft­lich gern und ver­eh­ren ihn wie einen Hei­li­gen, denn sie hal­ten sei­nen Wahn­sinn mehr für ein Ge­schenk des Him­mels als für ein na­tür­li­ches Un­glück. Sie ge­ben ihm zu es­sen und hal­ten ihn gut, und wenn er woll­te, könn­te er die bes­te Woh­nung und die bes­ten Klei­der im gan­zen Lan­de ha­ben, denn sie rei­ßen sich alle um das Ver­gnü­gen und den Vor­teil, ihn bei sich auf­zu­neh­men. Er gilt für einen Glücks­brin­ger und Glücks­bo­ten. Wenn sich ein Un­wet­ter zu­sam­men­zieht und Zden­ko geht ge­ra­de vor­über, so sa­gen sie: Es gibt nichts, hier ha­gel­t’s nicht. Wenn die Ern­te schlecht ist, so bit­ten sie Zden­ko, er möch­te sin­gen; und da er je­des Mal rei­che, ge­seg­ne­te Jah­re ver­spricht, so trös­ten sie sich über das heu­ti­ge mit der Hoff­nung auf ein glück­li­ches nächs­tes.

      Zden­ko will aber nir­gend woh­nen. Sein un­stä­ter Sinn führt ihn in die Wäl­der. Man weiß nicht, wo er nachts Schutz fin­det, wo er ge­gen Käl­te und Un­wet­ter Zuf­lucht sucht. Nie hat man ihn seit zehn Jah­ren un­ter ein an­de­res Dach als das un­se­res Schlos­ses tre­ten se­hen, denn sei­ne Vor­fah­ren, sagt er, wä­ren in al­len Häu­sern des Lan­des und er dürf­te sich nicht vor ih­nen zei­gen.

      Er folgt aber Al­bert bis in des­sen Zim­mer, denn er ist Al­bert eben so er­ge­ben und un­ter­wür­fig als sein Hund Ajax. Al­bert ist der ein­zi­ge Mensch, der die­sen wil­den, un­bän­di­gen Sinn nach Will­kür zü­gelt, und mit ei­nem ein­zi­gen Wor­te sei­ne