sie sonst in noch ganz andere Gefahren stürzen, als denen sie bis jetzt hat trotzen mögen …
– Ich verstehe Sie nicht, antwortete das Stiftsfräulein Wenceslawa mit der unbefangensten Ernsthaftigkeit.
– Es macht mich in der Tat sehr verlegen, wie ich mich näher erklären soll, versetzte der würdige Mann … Indessen es bedünkt mich … wenn ein heimlicher Umgang, in allen Züchten und Ehren versteht sich, Platz griffe zwischen dieser jungen Künstlerin und dem edlen Grafen …
– Nun? sagte das Stiftsfräulein und machte große Augen.
– Nun! meine Gnädigste! Meinen Sie nicht, dass Gefühle der Teilnahme und Besorgtheit, sehr unschuldige Gefühle allerdings in ihrem Ursprunge, dennoch wohl in einiger Zeit, mit Hilfe der Umstände und romanenhafter Ideen, für die Ruhe und die Würde der jungen Sängerin gefährlich werden könnten?
– Ich wäre niemals auf so etwas gekommen! rief das Stiftsfräulein, betroffen von der Bemerkung des Kaplans. Glauben Sie denn, ehrwürdiger Vater, die Porporina könnte es jemals außer Acht lassen, was für eine demütigende und zweifelhafte Stellung sie einnehmen würde in einem Verhältnisse, welcher Art es sei, mit einem Manne, der so hoch über ihr steht, wie mein Neffe, Albert von Rudolstadt!
– Der Graf Albert von Rudolstadt könnte, ohne es zu wollen, durch seine erkünstelte Verachtung der schätzbaren Vorzüge von Geburt und Rang, die er als bloße Vorurteile behandelt, wohl selbst dazu beitragen.
– Sie erwecken in mir eine sehr ernstliche Unruhe, sagte Wenceslawa, die sich bei ihrer einzigen schwachen Seite, dem Familienstolz und der Eitelkeit auf ihre Geburt, angegriffen fühlte. Hätte wohl das Übel schon Wurzel gefasst in dem Herzen dieses Kindes? Sollte wohl ihrer Aufgeregtheit, ihrem Eifer, Albert wiederzufinden, ein minder reiner Beweggrund als ihr Edelmut und ihre Teilnahme für uns zum Grunde liegen?
– Ich schmeichle mir noch mit der Hoffnung des Gegenteiles, antwortete der Kaplan, der nur die eine Leidenschaft hatte, unter aller ängstlichen Darlegung einer ehrfurchtsvollen Ergebenheit und Unterwürfigkeit, mit seinen Winken und Ratschlägen eine wichtige Rolle in der Familie zu spielen. Jedennoch wird es dienlich sein, meine liebe Tochter, Ihre Augen für das, was demnächst vorgeht, offen zu haben und Ihre Wachsamkeit bei solcher Fahr nicht einschlummern zu lassen. Für diese delicate Pflicht ist niemand geeignet, als Sie, und sie erfordert die ganze Klugheit und den ganzen Scharfblick, womit der Himmel Sie begabt hat.
Diese Unterredung versetzte das Stiftsfräulein in die äußerste Beklommenheit, und ihre innere Unruhe hatte einen neuen Gegenstand. Dass Albert so gut wie verloren für sie, vielleicht dem Tode nahe, vielleicht tot war, vergaß sie fast, um nur darauf zu denken, wie den Folgen einer Neigung, die sie bei sich »unproportionirlich« nannte, nach gerade zu begegnen wäre: ganz wie der Indianer in der Fabel, der vor dem Entsetzen, das ihn in Gestalt eines Tigers verfolgt, auf einen Baum geflohen, sich dort oben die Kurzweil macht, mit dem Verdrusse sich herumzuschlagen, der ihn in Gestalt einer Fliege umsummt.
Den ganzen Tag ließ sie kein Auge von der Porporina, belauschte jeden ihrer Schritte und wog mit Ängstlichkeit jedes ihrer Worte. Unserer Heldin, denn das war die tapfere Consuelo jetzt in der vollen Bedeutung des Wortes, entging dies nicht, aber sie war weit entfernt, etwas anderes darin zu suchen als die Furcht, ob sie auch ihr Versprechen halten und Albert zurückführen würde. Sie dachte nicht daran, ihre eigene Aufregung zu verbergen, so gewiss war sie in ihrem ruhigen und starken Bewusstsein, dass sie bei ihrem Unternehmen mehr Ursache hatte stolz zu sein als zu erröten. Die schamhafte Verwirrung, in welche wenige Tage zuvor des jungen Grafen Enthusiasmus sie versetzt hatte, war Angesichts eines ernsten und von aller persönlichen Eitelkeit freien Entschlusses gewichen.
Die bittern Spöttereien Amaliens, welche wohl ahnte, dass Consuelo, etwas vorhätte, ohne doch zu wissen was, machten dieser keinen Eindruck. Sie hörte sie kaum, beantwortete sie mit Lächeln und überließ es dem Stiftsfräulein, dem sich von Stunde zu Stunde mehr die Ohren öffneten, dieselben zu Protokoll zu nehmen, zu kommentieren und in ihnen ein schreckliches Licht aufgehn zu sehen.
11.
Indessen fürchtete Consuelo, da sie sich von Wenceslawa mehr beobachtet fand, als es je geschehen war, dass ein übelverstandner Eifer ihr hinderlich werden könnte, und sie gab sich eine kalte, ruhige Haltung, mit deren Hilfe es ihr möglich wurde, im Laufe des Tages der Aufmerksamkeit ihrer Wächterin zu entschlüpfen und leichten Fußes dem Schreckenstein zuzueilen. Sie hatte in diesem Augenblicke keinen anderen Gedanken als Zdenko aufzusuchen, ihn zu einer Erklärung zu nötigen und sich Gewissheit zu verschaffen, ob er sie zu Albert würde führen wollen.
Ziemlich nah beim Schlosse, auf dem Fußsteig, der zum Schreckensteine führte, begegnete sie ihm. Er schien zu ihr zu wollen, und redete sie mit großer Geläufigkeit böhmisch an.
– Ach! leider verstehe ich dich nicht, sagte Consuelo, sobald sie ein Wort anbringen konnte; kaum Deutsch verstehe ich, diese harte Sprache, welche du hassest wie die Knechtschaft und welche mir trübselig wie das Exil ist. Aber da wir uns nicht anders verständigen können, so sei so gut und sprich sie mit mir: wir sprechen sie beide gleich schlecht, ich verspreche dir aber, Böhmisch zu lernen, wenn du es mich lehren willst.
Bei diesen Worten, die für ihn sympathetisch waren, wurde Zdenko ernsthaft und Consuelo seine trockne, schwielige Hand reichend, welche sie unbedenklich drückte, sagte er zu ihr auf Deutsch:
– Gute Tochter Gottes, ich will dir meine Sprache lehren und alle meine Lieder. Welches soll ich dir zuerst vorsagen?
Consuelo glaubte auf seine Laune eingehen zu müssen und hoffte ihn auszuforschen, indem sie sich derselben Vorstellungen bediente.
– Singe mir, sagte sie zu ihm, den Gesang vom Grafen Albert.
– Es gibt, entgegnete er, mehr als zweimalhunderttausend Gesänge auf meinen Bruder Albert. Ich kann sie dir nicht lehren; die würdest du nicht verstehen. Ich mache alle Tage neue, und die neuen sind niemals wie die alten. Fordere anderes, was du willst.
– Warum sollte ich sie nicht verstehen? Ich bin der Trost. Ich heiße für dich, hörst du? und für den Grafen, der hier allein mich kennt, Consuelo.
– Du, Consuelo! sagte Zdenko mit spöttischem