Wechselwirkung aufgehoben haben, zur Rotation der kleineren Körper um den Zentralkörper, die "Sonne", deren flammende Glut sich übrigens erst allmählich bildete.
Die folgenden Kapitel (III—VI) des Buches behandeln astronomische Kinzelprobleme, auf die hier einzugehen der Raum verbietet: die Exzentrizität der Planetenbahnen, den Ursprung der Kometen, Mond und Saturnringe, sowie den "Halsschmuck" der Sonne, das Zodiakallicht. Das gewonnene Ergebnis erweitert sich sodann im siebenten Kapitel zu einem großartigen Gemälde der räumlich-zeitlichen Unendlichkeit des Universums, wie es auch Lukrez und Giordano Bruno nicht phantasievoller entworfen haben. Jeder Fixstern ist wiederum das Zentrum eines neuen Sonnensystems. Eine Reihe von Jahrmillionen vielleicht hat es gedauert, bis die Welt zu ihrem heutigen Zustande gelangte; denn die Schöpfung "ist nicht das Werk von einem Augenblick". Und wiederum "ganze Gebirge von Millionen Jahrhunderten" werden verfließen, binnen deren sich immer neue Welten, ja Weltordnungen hintereinander bilden werden. Denn die Schöpfung hat zwar einmal angefangen [wie hier der vorkritische Kant noch sagt], aber sie wird niemals aufhören. Gleichwie unzählige Tiere und Pflanzen täglich der Vernichtung anheimfallen, während die unerschöpfliche Natur anderwärts zahllose andere von neuem erzeugt, so harren vielleicht unendliche uns heute noch unbekannte Welträume weiterer Entwicklung. Und ebenso groß, wie die Unendlichkeit der Zeit, ist auch die des Raumes. Für sie bedeutet eine Welt, ja eine "Milchstraße von Welten" nicht mehr als eine Blume oder ein Insekt im Vergleich zur ganzen Erde.
Kant ist sich wohl bewußt, dass ihn an dieser Stelle seines Werkes die Fruchtbarkeit des Grundgedankens (er sagt: Systems), verbunden mit der Großartigkeit des Gegenstandes, zu "einiger Kühnheit" fortgerissen hat, und bittet daher die Leser, dieselbe nicht mit "geometrischer Strenge" zu beurteilen. Noch mehr gilt das für und von dem als "Anfang" beigefügten dritten Teil des Buches, der allerlei Vermutungen über die etwaigen Bewohner der Gestirne äußert. Will er "willkürliche Erdichtungen" auch hier ausschließen, so läßt er doch seiner Phantasie einigermaßen "die Zügel schießen" (167), wenn er nicht bloß von der Wahrscheinlichkeit, sondern einmal sogar von der Gewißheit des Vorhandenseins von Planetenbewohnern redet (171), oder gar ausführt: diese Bewohner, ja sogar die dortigen Tiere und Gewächse müßten aus um so leichterem und feinerem Stoffe gebildet sein, je weiter sie von der Sonne entfernt sind, und eben deshalb auch ihre Denkkraft immer vollkommener werden (175 f.). Und da diese Annahme "nicht weit von einer ausgemachten Gewißheit" (!) entfernt sei, so finde man ein offenes Feld zu "angenehmen Mutmaßungen", z. B. über die Jupiter- oder Saturnbewohner, die einen Newton wie einen Affen ansehen würden (177). Vielleicht sei es unserer Seele bestimmt, dereinst auf anderen Planeten weiterzuleben, wenn auch – damit kehrt er wieder zu nüchterneren Erwägungen zurück – niemand "die Hoffnung des Künftigen auf so unsichere Bilder der Einbildungskraft gründen" werde (185). Das Werk schließt – was wir merkwürdigerweise noch nirgends hervorgehoben fanden – mit einem ganz ähnlichen Gedanken wie ein Menschenalter später die Kritik der praktischen Vernunft: Habe man sein Gemüt mit Betrachtungen wie die vorhergehenden erfüllt, so erwecke der Anblick des bestirnten Himmels in edlen Seelen unnennbare, unbeschreiblich schöne Begriffe, und sie fühlten sich glücklich, dass sie selbst zu einer Glückseligkeit und Hoheit zu gelangen vermögen, die über alle denkbaren Natureinrichtungen unendlich erhaben ist.
2. Naturgeschichte und Theorie des Himmels
Wirkungsgeschichte
Soweit Kant. Es mag nach neueren Forschungen von Menzer und besonders Gerland dahingestellt bleiben, wieviel er seinen Vorgängern Wright, Buffon, Swedenborg u. a. verdankt, und ob er seinen Zeitgenossen in der Tat so viel Neues geboten, als man bisher meist angenommen hat. Ebenso sind manche seiner Aufstellungen natürlich von der heutigen astronomischen Forschung überholt. Das gilt nicht bloß von den Nebenuntersuchungen, für die der Philosoph selbst "mindere" Beweiskraft in Anspruch genommen hat, sondern auch von Einzelheiten seiner großen Nebular-Hypothese, die von einzelnen Modernen sogar als überhaupt veraltet betrachtet wird. Uns liegt allein an der Beantwortung der beiden Fragen: Was bedeutet die Schrift im geistigen Entwicklungsgang unseres Philosophen? und: worin besteht ihre heute noch fortdauernde Fruchtbarkeit?
Ohne Zweifel beruht ihr Wert weniger auf streng-astronomischem Gebiet, wenn auch manches, wie z. B. die Berechnung der Rotationsdauer des Saturnringes, durch die genauen Berechnungen Herschels später in schönster Weise bestätigt worden ist. Allein, ganz abgesehen davon, dass Kant die modernen Beobachtungsinstrumente fehlten, beweist schon das Fehlen jeder mathematischen Begründung, dass er damit gar keine exakte Wissenschaft zu geben beabsichtigte. Seine "Theorie des Himmels" wollte populär sein. Daher auch ihr Stil, der eher an die von ihm selbst später so scharf kritisierte Art Herders erinnert: die Vermischung mit Gefühlsmäßigem und Poetischem. So liefern ihm denn auch seine Lieblingspoeten, Pope, der "philosophische Dichter", und Albrecht von Haller, der "erhabenste unter den deutschen Dichtern", die Motti zu den einzelnen Teilen seines Buches oder werden sonst beifällig zitiert. Um die dichterische Kraft der Phantasie zu erkennen, die in dem jungen Kant lebte, lese man etwa das Gemälde des Anblicks einer brennenden Sonne (a. a. O., S. 141). Dann begreift man, wie Herder noch 17 Jahre später in einem Briefe an Lavater Kants Werk sein "erstes recht Jünglingsbuch voll Ihrer Ideen" nennt. Derselbe Kant, der später nicht nur in der Äußerung persönlicher Empfindungen, sondern auch im schriftstellerischen Ausdruck des Gefühls immer zurückhaltender wird, läßt hier noch seiner jugendlichen Phantasie freien Raum. Wenn er dabei an einzelnen Stellen weiter geht, als es uns heute für einen philosophischen Autor erlaubt scheint, so müssen wir bedenken, dass das in der Zeit lag; kamen doch in den "Kosmologischen Briefen" des berühmten Mathematikers Lambert (1761) noch phantastischere Spekulationen vor, wonach u. a. die vollkommensten Geschöpfe auf den – Kometen wohnen sollten!
Das alles tut der Tatsache keinen Eintrag, dass der junge Kant hier zwei Dinge vollbracht hat, deren Ruhm ihm auch der strengste Kritiker nicht schmälern kann. Er hat erstens eine geniale Hypothese der Weltentstehung geliefert, die sich an Großartigkeit und Fruchtbarkeit, Entdeckungen wie der Deszendenztheorie oder der Verwandlung der Energie kühn an die Seite stellen kann; und er sucht zweitens – darauf beruht der spezifisch philosophische, genauer methodologische Wert seines Versuches —, gerade im Gegensatz zu Herder, eine klare Scheidung von Religion und Naturwissenschaft durchzuführen, indem er bei aller Betonung der religiösen Empfindung, die er mit den meisten freieren Geistern seiner Zeit teilt, auf dem Gebiete der Wissenschaft allein das mechanische Erklärungsprinzip gelten läßt.
Kants großes Werk ist einem eigentümlichen äußeren Schicksal zum Opfer gefallen. Er hatte das zunächst anonym veröffentlichte Buch, mit einer der Zeit gemäß sehr devoten Widmung König Friedrich II. dediziert: nach Borowski, der ihm in jener Periode persönlich nahestand und deshalb Bescheid wissen muß, "auf den Rat seiner Freunde" und lediglich in der Absicht, dass "unter Autorität des Königs in Berlin und anderen Orten nähere Untersuchungen über sein System veranlaßt würden". Dieser Zweck ward nun durch einen unglücklichen Zufall vereitelt. Das Erscheinen des Werkes war zwar im Katalog der Leipziger Ostermesse (März 1755) angekündigt, indes – während des Druckes wurde der Verleger bankerott und sein ganzes Vermögen gerichtlich versiegelt. Es erschien nun allerdings bereits 1755 eine kurze Empfehlung des Buches an "wohlwollende Leser" in den nämlichen 'Hamburger Freien Urteilen', die auch von der Erstlingsschrift eine Anzeige gebracht; auch wurde es 1756, jetzt mit dem Namen des Verfassers, in Königsberg zum Verkauf angeboten. Aber in weiteren Kreisen wurde es nicht bekannt. Nicht einmal Fachmännern wie Lambert, der in seinen 1761 erschienenen "Kosmologischen Briefen" ähnliche Ansichten über den Zusammenhang des Fixsternsystems veröffentlichte, war es vor Augen gekommen. Gerade durch Lamberts Schrift fühlte sich Kant übrigens veranlaßt, den Kern seiner Theorie 1763 in seiner Schrift: "Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes" (II, 7 unter dem Titel: Kosmogonie) von neuem ziemlich ausführlich wiederzugeben, bezeichnenderweise unter Weglassung "verschiedener etwas gewagter Hypothesen"; wie er denn auch nach Lamberts Tode in allzu großer Bescheidenheit dessen "meisterhafter" Arbeit gegenüber die seinige für einen "schwachen Schattenriß" erklärte, für "bloße Mutmaßungen", die wohl stets Mutmaßungen bleiben würden (an Biester 8. Juni 1781). Und wiederum 27 Jahre später (1790), nachdem inzwischen (1785) der berühmte Herschel, ebenfalls ohne Kants Vorgängerschaft zu kennen, dessen Anschauung sehr nahekommende