verstehst du? Ich wußte zwar nichts Genaues, aber ich hatte so ein Gefühl. Ehe ich aber richtig eifersüchtig werden konnte, hatte Eva die Firma verlassen. Es hat dann wohl auch keine Kontakte mehr zwischen ihr und meinem Mann gegeben, da bin ich mir ziemlich sicher. Vielleicht hatte ich mich ja überhaupt getäuscht. Auf jeden Fall tut mir der tragische Tod dieser jungen Frau und ihres Mannes sehr leid. Eva Martinez war so ein netter Kerl. Ob mein Mann von diesem Unglück wohl erfahren hat?«
»Wäre das nicht ein Grund für dich, ihn einmal anzurufen?« fragte Gudrun. »Ihr seid doch nicht geschieden. Und so ganz scheinst du innerlich mit deiner Familie ja doch noch nicht gebrochen zu haben.«
»Hast du diesen Eindruck, Gudrun?« fragte Dorothee verblüfft zurück. »Aber da magst du schon recht haben«, nickte sie dann nachdenklich. »Man kann einen so großen, entscheidenden Teil seines Lebens nicht einfach auslöschen. Natürlich denke ich hin und wieder an meinen Mann. Aber zurück zu ihm? Nein, das möchte ich auf keinen Fall. Ich bin ja nicht nur vor ihm, sondern vor allem vor dem Leben an seiner Seite davongelaufen. Nun ja, vielleicht rufe ich ihn gelegentlich einmal an. Aber nicht heute.«
Sie betrachtete wieder das Illustriertenfoto. »So ein gut aussehendes, so glücklich wirkendes Paar. Der Gedanke an diesen Tod macht mich wirklich traurig, Gudrun. So ein sinnloser, unbegreiflicher Tod.«
*
Natürlich wußte Alexander Werth von dem Unglück. Und natürlich war auch er sehr betroffen. War Eva Martinez doch nicht nur ein Mensch gewesen, den er sehr geschätzt hatte, sie war auch die Mutter seiner Tochter.
Wie gut, daß sie ihm vor ihrer Heirat endlich die Wahrheit gesagt hatte. Er wäre ja sonst jetzt völlig ahnungslos, und niemand hätte sich um die kleine Rosita gekümmert. Alexander bezweifelte, ob Eva jemandem gesagt hatte, wer der Vater ihres Kindes war. Vermutlich war nicht einmal die alte Blanka informiert. Eva hatte ihr Geheimnis ja mit niemandem teilen wollen.
Welch ein Segen, daß sie sich dann doch noch anders besonnen hatte. Ob sie wohl so etwas wie eine Vorahnung gehabt hatte? Unbewußt vielleicht.
Jedenfalls war Alexander Werth froh, daß er nun für seine Tochter sorgen konnte. Und das wollte er tun, und zwar ganz offiziell und durchaus nicht in aller Heimlichkeit.
Darum sprach er mit seinem Sohn.
»Ich habe in diesem Haus einige Änderungen vor, Hanno«, sagte er. »Du sollst nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden, darum möchte ich vorher mit dir reden.«
»Aha, das kling ja höchst offiziell. Willst du etwa wieder heiraten, Vater?«
»Unsinn«, wehrte dieser ab. »Solche Pläne habe ich wirklich nicht. Außerdem sind deine Mutter und ich ja gar nicht geschieden. Das weißt du doch.«
»Natürlich weiß ich das, aber so etwas kann man schließlich in die Wege leiten, wenn man es will.«
»Ja, das kann man. Aber ich will es nicht. Jedenfalls im Augenblick nicht. Im Augenblick habe ich ein ganz anderes Problem.«
»Nun, da bin ich gespannt. Und wenn ich dir irgendwie helfen kann.«
»Nein, Hilfe brauche ich nicht. Oder vielleicht doch.« Alexander Werth grinste ein wenig unsicher. »Vielleicht brauche ich hin und wieder einen Babysitter.«
»Einen Babysitter?« Hanno glaubte nicht richtig verstanden zu haben. Oder doch, natürlich hatte er richtig verstanden. Aber begriffen hatte er nicht.
»Das mußt du mir schon näher erklären, Vater.«
»Sicher, darum führen wir ja dieses Gespräch. Ich erzähle dir jetzt etwas, was ich auch erst seit ganz kurzer Zeit weiß. Was mich ziemlich aus der Ruhe gebracht hat, das kannst du mir glauben, zumal es jetzt noch eine dramatische Zuspitzung erfahren hat.«
»Du machst mich neugierig, Vater.«
»Ja, ich will auch nicht lange um den heißen Brei herumreden. Ich weiß nicht, ob du dich an Eva Martinez erinnerst, die einmal meine Sekretärin war.«
»Ja, ich erinnere mich. Eine tolle Frau.«
»Richtig, das war sie. Und das fand ich auch. Ich… ich sah in ihr mehr als meine Sekretärin. Für eine kurze Zeit jedenfalls. Eva war aber die Vernünftigere von uns beiden, sie verließ mich und die Firma, und ich hörte nichts mehr von ihr.«
»Du hast nicht nach ihr gesucht, Vater?«
»Nein. Ich respektierte Evas Entscheidung und fand sie letztlich auch gut. Meine Ehe mit deiner Mutter war seinerzeit noch intakt, jedenfalls glaubte ich das, und ich hatte nicht vor, diese Ehe aufzugeben. Eva wußte das, sie zog die Konsequenzen, und wenn das auch vorübergehend meinen männlichen Stolz verletzte, so stieg Eva eigentlich doch sehr in meiner Achtung.«
»Warum erzählst du mir das jetzt, Vater? Das alles muß doch schon einige Zeit her sein.«
»Ja, es ist über drei Jahre her. Und warum ich das jetzt erzähle? Nun, Hanno, das ist etwas, das mich glücklich und froh gemacht hat, und das jetzt doch auch traurig ist. Sehr traurig.«
Alexander Werth zündete sich umständlich eine Zigarre an, betrachtete dann selbstvergessen die sich langsam entwickelnde Glut. Hanno störte ihn nicht, wartete schweigend. Er spürte wohl, daß sein Vater innerlich sehr bewegt war. Was er sich zwar noch nicht erklären konnte, von dem er aber wohl ahnte, daß es durchaus bedeutsam sein mußte.
»Ich habe Eva wiedergesehen«, berichtete Alexander Werth schließlich mit leiser, etwas mühsamer Stimme. Man spürte förmlich die unterdrückten Emotionen. »Vor kurzer Zeit erst. Sie hatte mich angerufen und um ein Treffen gebeten. Und dabei verriet sie mir… nein, sie konfrontierte mich ohne irgendwelche Vorbereitung mit der Tatsache, daß wir eine Tochter haben. Ja, Hanno, sie führte mich ganz einfach in ein ganz entzückend eingerichtetes Kinderzimmer und zeigte mir ein dort schlafendes dunkelhaariges Mädchen. ›Das ist unsere Tochter‹, sagte sie, oder so ähnlich. ›Sie heißt Rosita.‹«
»Das ist aber ein Hammer«, entfuhr es Hanno unwillkürlich.
Alexander Werth lächelte schwach. »Ja, so habe ich es auch empfunden. Ich fühlte mich völlig überrumpelt. War auch etwas enttäuscht und verärgert, weil Eva mich von allem fern gehalten, mich nicht hatte teilhaben lassen. Aber ich mußte es nachträglich wohl oder übel akzeptieren, und ich begann mich dann auch über meine unerwartete späte Vaterschaft zu freuen.«
»Da kann man ja nur gratulieren, Vater.« Hanno lachte leise. »Du hast eine Tochter und ich ein Schwesterchen. Für sie brauchst du also einen Babysitter? Mit Vergnügen, Vater. Wird mir richtig Spaß machen. Aber wieso hat diese Eva denn plötzlich ihre Einstellung geändert, wieso läßt sie dich nun auf einmal Vater sein?«
Alexander Werth sog an seiner Zigarre, erhob sich dann, trat ans Fenster. Er schaute hinaus und, dem Sohn den Rücken zugewandt, fuhr er fort: »Jetzt kommt der zweite, der traurige Teil der Geschichte, Hanno. Eva war darum wieder in mein Leben getreten, weil sie heiraten wollte. Sie hatte ihre ganz große Liebe gefunden, dem Mann aber noch nichts von ihrer kleinen Tochter gesagt. Und darum bat sie mich, ein wachsames Auge auf die kleine Rosita und ihre Kinderfrau zu haben, bis sie den Mut gefunden haben würde, mit ihrem Mann zu reden. Selbstverständlich habe ich zugestimmt, wenn ich auch aus männlicher Sicht Evas Zögern ihrem Mann gegenüber nicht ganz nachvollziehen konnte. Ja, Hanno, Eva hat geheiratet, sie trat mit ihrem Mann die Hochzeitsreise an… und jetzt sind beide tot. Abgestürzt mit einem Privatflugzeug. Du hast darüber aus der Presse und im Fernsehen schon erfahren. Der Politiker Hernando Cardoso und seine junge Frau sind auf der Hochzeitsreise leider tödlich verunglückt.«
»Das war Eva Martinez?« fragte Hanno erschüttert.
»Ja, Hanno, das war Eva. Das war Rositas Mutter. Und sie muß eine glückliche Eingebung gehabt haben, daß sie mir vor ihrer Heirat das Kind anvertraute.«
»Donnerwetter, ja«, nickte Hanno. »Sonst wäre die Kleine jetzt ja ganz allein.«
»Richtig. Aber das ist sie nun glücklicherweise nicht. Denn sie hat ihren Vater. Zu dieser Vaterschaft werde ich mich