bin froh, daß du die Geschichte so locker aufgefaßt hast. So wird dir hoffentlich auch diese meine Entscheidung keine Schwierigkeiten bereiten.«
»Aber wie sollte sie denn, Vater? Im Gegenteil. Ich finde sie völlig richtig. Und wenn du natürlich auch nicht darauf angewiesen bist, so hast du doch meine volle Unterstützung. Wie gesagt, ich stelle mich sogar mit Vergnügen als Babysitter zur Verfügung.«
»Danke, mein Junge.« Alexander schlug seinem Sohn freundschaftlich-liebevoll auf die Schulter. »Dein Babysittern wird zwar nicht oft – wenn überhaupt – nötig sein, wir haben ja die Kinderfrau, aber ich freue mich. Und ich bin, offen gestanden, auch etwas erleichtert. Ich hatte zwar nichts anderes von dir erwartet… aber trotzdem, so ganz sicher kann man ja nie sein. Schön, daß wir uns so gut verstehen, Junge.«
*
In Santiago sollte die Verlobung von Hanno Werth und Yvonne de Veron groß gefeiert werden. Wie Hanno es seiner Mutter schon angekündigt hatte, war ein gesellschaftliches Ereignis erster Güte geplant, und im Hause Werth ging es schon vorher zu wie in einem Taubenschlag.
Dorothee hatte lange gezögert, ob sie der so dringend gehaltenen Einladung von ihrem Sohn und auch von ihrem Mann folgen sollte. Dieser Teil ihres Lebens lag ja so weit hinter ihr. Und sie hatte gar kein Bedürfnis, neue Brücken zu schlagen.
Aber schließlich überwand sie sich doch. Hanno war ja ihr Sohn. Und an diesem großen, so wichtigen Tag seines Lebens sollte seine Mutter doch bei ihm sein. Also machte Dorothee sich auf die Reise.
Sie freute sich dann auch, ihren Mann wiederzusehen, der sie am Flughafen abholte. Gegenseitig machten sie sich Komplimente über ihr gutes, irgendwie verändertes Aussehen, und Dorothee wunderte sich, daß ihr Mann sich auch sonst verändert zu haben schien. Er wirkte viel lockerer, viel umgänglicher, und Dorothee fragte sich unwillkürlich, ob da wohl eine Frau hinterstecken mochte. Doch sie verbot es sich, eine solche Frage zu stellen, denn dazu glaubte sie ja kein Recht mehr zu haben. Aber irgendwie spürte sie, daß ihr ein solcher Gedanke gar nicht gefiel. Und darüber war sie dann selbst verwundert.
Im Hause Werth sollte Dorothee dann auch ihre künftige Schwiegertochter kennenlernen.
»Hanno hat mir erzählt, daß es mit dem Treffen in München nicht geklappt hat«, sagte Alexander Werth schmunzelnd, während sie durch die Straßen von Santiago zu seinem etwas außerhalb gelegenen Haus fuhren. Er saß am Steuer, und Dorothee fühlte sich auf dem Platz neben ihm recht wohl.
»Hat er auch erzählt, warum das Treffen nicht zustande kam?« fragte sie.
Alexander Werth lachte leise und nickte. »Ja, er hat sozusagen gebeichtet. War ja auch ziemlich hart, was er dir da zugemutet hat, und das ist ihm dann auch wohl bewußt geworden. Aber seine Braut, weißt du… Na, du wirst sie dann jetzt ja kennenlernen.«
»Das klingt aber so, als wärest du nicht ganz glücklich über Hannos Wahl. Oder irre ich mich da?«
»Ach, weißt du, Dorothee, es geht nicht um mich. Ich will ja nicht mit Yvonne leben. Und, offen gestanden, das möchte ich auch nicht. Hanno aber ist fasziniert von dieser Frau, von ihrer Tüchtigkeit, von ihren weitläufigen internationalen Freundschaften und Verbindungen, von ihrer Familie. Er ist unbändig stolz, dazugehören zu dürfen. Nun ja, er ist alt genug, und es ist sein Leben.«
»Reicht eine solche Faszination denn aus, um sich für immer zu binden? Jedenfalls denkt man ja, wenn man heiratet, daß es für immer ist«, fügte er leise hinzu.
Alexander zuckte die Achseln. »Es wird wohl schon auch Liebe dabei sein. Aber wie gesagt, es ist nicht unser Leben.«
»Hast du denn nicht mit Hanno darüber gesprochen? Sozusagen von Mann zu Mann.«
»Doch, habe ich. Ich habe es jedenfalls versucht. Aber du weißt, junge Menschen wollen und müssen ihre eigenen Erfahrungen machen. Das kann manchmal schmerzhaft sein, aber es hat keinen Sinn, sie daran hindern zu wollen.«
»Richtig«, nickte Dorothee. »Und doch habe ich eigentlich gar kein gutes Gefühl. Ich kenne diese Frau zwar noch nicht.«
»Du wirst sie ja jetzt kennenlernen, Dorothee. Heute noch. Du weißt, die eigentlichen Verlobungsfeierlichkeiten sollen morgen stattfinden, aber heute gegen Abend wird Hanno seine Braut zu uns ins Haus bringen. Der Vorschlag kam von ihm selbst. Damit will er wohl den Fehler gutmachen, zu dem er sich bei dem Besuch in München hat hinreißen lassen. Ich hoffe, du trägst ihm das nicht nach, Dorothee.«
»Aber nein, natürlich nicht. Jedenfalls ihm nicht. Denn ich spürte ja, daß Hanno völlig im Bann dieser Frau stand. Ob ich ihr aber so ganz unvoreingenommen begegnen kann, weiß ich, offen gesagt, nicht. Ich will es jedenfalls ehrlich versuchen und mir natürlich auch nichts anmerken lassen.«
»Gut so«, nickte Alexander Werth zufrieden. »Sehen wir also zu, wie sich die Dinge entwickeln.«
Es war ein eigenartiges Gefühl für Dorothee, jetzt wieder zurückzukehren in dieses Haus, das sie doch eigentlich für immer verlassen hatte. Nun, sie kam jetzt auch nur als Besucherin, sie wollte nur wenige Tage bleiben, trotzdem berührte es sie seltsam. Von den Dienstboten wurde sie so freudig begrüßt, als sei ihr Kommen wirklich die endgültige Heimkehr. Und als sie dann sah, daß in ihren eigenen Räumen wirklich nichts verändert worden war, hatte sie fast auch das Gefühl des Nachhausekommens. Das war ein zwar unerwartetes, aber doch kein unangenehmes Gefühl.
Alexander erwartete sie später in der Halle. Er kam ihr bereits an der Treppe entgegen und sagte beinahe verblüfft: »Du siehst wirklich großartig aus, Dorothee. Hanno hatte mir das schon erzählt. Du hast deinen Stil völlig geändert, aber das gefällt mir gut. Wirklich gut.«
Dorothee trug ein schlichtes, cremefarbenes Kleid, sie hatte wieder auf Schmuck und Make-up verzichtet, hatte lediglich ein buntes Seidentuch locker um den Hals geschlungen. Sie freute sich über das Kompliment ihres Mannes, freute sich aber auch, daß er selbst so gut und irgendwie anders aussah. Wie genau anders, konnte sie nicht einmal sagen. In dem dunklen Haar waren ein paar graue Strähnen mehr, die Fältchen um die Augen schienen auch zahlreicher und tiefer geworden zu sein, er hatte sich seine straffe, schlanke Figur bewahrt, und er war gut und korrekt gekleidet wie immer… es mußte wohl irgend etwas in seiner Haltung, in seiner lockerer gewordenen Art sein, das ihn ihr verändert erscheinen ließ. Auf eine sympathische Art verändert, gestand sie sich selbst ein – aber weitere Gedanken in diese Richtung erlaubte sie sich nicht. Dieses Kapitel ihres Lebens hatte sie ja abgeschlossen, war Vergangenheit.
Ihr jetziges und künftiges Leben gehörte Leila, ihrem kleinen Töchterchen, von dem weder ihr Mann noch ihr Sohn etwas wußten.
Die Halle verband die beiden Hausflügel miteinander. Eine hohe Glaswand holte den dahinter liegenden schönen Garten optisch mit in den Raum, in dem es selbst prächtige Kübelpflanzen gab. Eine Wand wurde fast ganz von der gut bestückten Hausbar eingenommen, und in den wuchtigen Ledersesseln auf dem großen kostbaren Teppich konnte man förmlich versinken. Schon früher hatte Dorothee die Atmosphäre dieser Halle mit der in einem teuren Hotel verglichen, aber in Alexander Werths Stellung brauchte man so etwas eben zum Repräsentieren. Und jetzt, quasi als Gast, fand Dorothee diese Atmosphäre nicht einmal so schlecht.
Sie kuschelte sich in einen der Sessel, ließ sich von Alexander zur Begrüßung einen Champagner-Cocktail bringen und fragte, als er ihr gegenübersaß: »Wann wollen Hanno und seine Braut denn kommen?«
»Hanno hat sich da nicht genau festgelegt. Ich denke, das ist auch nicht so wichtig. Ich finde es ganz schön, mich für eine Weile ungestört mit dir unterhalten zu können.«
Diese Unterhaltung nahm dann aber doch einen ganz anderen Verlauf, als Alexander Werth es gewollt hatte und wodurch Dorothee völlig überrascht wurde.
Da kam nämlich plötzlich ein winziges, bezauberndes Mädchen in die Halle getrippelt. Sie steckte in einem weiten, fußlangen bunten Kleidchen, und die langen dunklen Haare wurden seitlich am Kopf mit roten Schleifen gehalten.
Die Kleine strahlte, brabbelte etwas Unverständliches und kletterte wieselflink auf Alexanders Schoß, während aus dem Haus eine