dem Ruf zu folgen.
»Entschuldigung, Señor«, stammelte die alte Frau. »Bitte vielmals um Entschuldigung. Ich weiß, daß Rosita nicht herkommen sollte, aber sie ist mir einfach entwischt, als ich einen Augenblick nicht auf sie achtgegeben habe.«
Alexander Werth war sichtlich verärgert. »Sie sollen aber achtgeben, Blanka. Genausogut könnte das Kind ja auch auf die Straße laufen.«
»Nein, nein, Señor, da passe ich schon auf. Bitte, entschuldigen Sie, es soll nicht wieder vorkommen.«
Sie wollte Rosita auf den Arm nehmen, doch die Kleine wehrte sich ganz energisch und schlang ihre Ärmchen um Alexanders Hals.
Die widerstreitenden Gefühle spiegelten sich deutlich auf dem Gesicht des Mannes. Ärger, Verlegenheit, aber auch deutliche Freude über die Zutraulichkeit der Kleinen.
»Nun lassen Sie schon«, knurrte er Blanka an. »Rosita kann für eine Weile hierbleiben. Ich rufe Sie dann.«
»Sehr wohl, Señor«, knickste die Alte und verschwand wieder im Haus.
Erst jetzt kam Dorothee dazu, etwas zu sagen. »Wer ist denn das?« fragte sie verblüfft. »Die Kleine ist ja ganz reizend, aber wer ist sie? Und wieso ist sie hier?«
»Sie heißt Rosita«, sagte Alexander und spielte nervös mit dem langen dunklen Haar des Kindes. Er war wirklich ärgerlich auf Blanka, die Kinderfrau, denn dieses Zusammentreffen hatte er auf keinen Fall gewollt. Er hatte keine Probleme damit gehabt, seinem Sohn von dem unehelichen Töchterchen zu erzählen. Aber seiner Frau gegenüber wollte er so schnell nicht mit der Wahrheit herausrücken. Während dieses Besuches sollte sie es nach Möglichkeit überhaupt nicht erfahren, hatte er sich vorgenommen. Irgendwann einmal wollte er nach reiflicher Überlegung und Vorbereitung mit ihr reden. Aber jedenfalls nicht hier und jetzt.
Nun suchte er verzweifelt nach einer Erklärung.
»Willst du mir nicht sagen, wer die Kleine ist, und warum sie hier ist?« drängte Dorothee und nickte dem Kind liebevoll zu.
Aus ihren großen dunklen Augen betrachtete Rosita die fremde Tante sehr aufmerksam und kritisch, ehe sie das Mündchen zu einem Lächeln verzog, mit dem Finger auf Dorothee deutete und bewundernd und staunend sagte: »Goldene Haare!«
Doch das war ihr dann nicht genug, sie rutschte von Alexanders Schoß herunter, kletterte wie ein kleines Äffchen an Dorothee hoch und ehe Dorothee es sich noch versah oder sie irgendeine Abwehrbewegung machen konnte, wühlten zwei kleine Händchen begeistert in ihrem rotblonden Haar.
»Au!« rief sie lachend, »du tust mir ja weh, Schätzchen.«
Doch für Rosita war das ein toller Spaß. Sie quietschte und lachte, und Dorothee konnte sich nur mit Mühe der flinken kleinen Händchen erwehren.
»Du bist mir aber ein kleiner Racker«, lachte sie, als sie die kleinen Händchen fest im Griff hatte. »Kein Wunder, daß du deiner Blanka entwischt bist. Du scheinst ja ein richtiges kleines Temperamentbündel zu sein. Aber ein süßes. Also«, wandte sie sich dann wieder ihrem Mann zu, nachdem Rosita beschlossen zu haben
schien, für eine Weile Ruhe zu geben, »wer ist die Kleine, und warum ist sie hier?«
»Nun«, sagte Alexander Werth, eine richtige, stichhaltige Erklärung war ihm immer noch nicht eingefallen, »sie gehört gewissermaßen zur Verwandtschaft. Und im Augenblick hält man es für das beste, daß sie hier lebt. Das Haus ist ja groß genug.«
»Aus der Verwandtschaft? Das genügt mir nicht. Schließlich gehöre ich ja auch dazu. Also drücke dich doch bitte etwas genauer aus, Alexander. Ich bin jetzt wirklich neugierig geworden. Und im übrigen – wir haben hier in Chile doch überhaupt keine Verwandten.«
»Nun ja… also… es ist so, und ich weiß nicht, ob ich es verraten soll… also… Hanno ist Rositas Vater. Rosita ist ein uneheliches Kind. Und die Mutter ist… na also, Rosita lebt jetzt jedenfalls bei uns.«
»Hanno ist der Vater?« fragte Dorothee ungläubig. »Unser Hanno? Aber dann ist… dann ist dieses süße Püppchen ja unsere Enkelin. Alexander, ich kann es nicht fassen. Wir haben eine Enkelin, und ich war bisher ahnungslos. Aber das… das ist ja… Da werde ich mit Hanno aber noch ein ernstes Wörtchen zu reden haben. Mir so etwas zu verschweigen. Er hat ein Kind, er hat uns zu Großeltern gemacht, und ich, ich weiß nichts davon. Also ich… ich bin böse und entzückt zugleich. Unser Hanno ist Vater. Er hat ein so reizendes Töchterchen. Ja, wer hätte das gedacht. Komm, laß dir einen Kuß geben, kleine Enkelin.«
In ihrer aufgeregten Freude hatte Dorothee nicht bemerkt, daß Hanno und seine Braut in die Halle getreten waren. Und daß beide natürlich hörten, was sie in ihrer Freude sagte.
Alexander hatte noch versucht, ihren Redefluß zu stoppen, indem er ihr verzweifelte Zeichen machte, doch davon hatte Dorothee überhaupt nichts mitbekommen. Erst ein empörtes Schnaufen machte sie aufmerksam.
Sie wandte sich um, und da stand, nicht weit hinter ihrem Sessel, ihr Sohn Hanno an der Seite einer bemerkenswert schönen, mit äußerster Eleganz gekleideten jungen Dame. Das war also ihre künftige Schwiegertochter. Dorothee spürte augenblicklich, daß sie sie nicht mochte.
Denn dieses Gesicht, so schön es auch war und so makellos das Make-up, strahlte eine derartige Eiseskälte aus, daß es Dorothee unwillkürlich fröstelte.
Hanno machte ein so verblüfftes, verdattertes Gesicht, daß es schon fast lächerlich wirkte.
Und er kam auch gar nicht dazu, etwas zu sagen, seine Mutter zu begrüßen, ihr die Braut vorzustellen, denn nun redete Yvonne de Veron.
Sie hielt sich nicht damit auf, den Hausherrn und dessen Frau zu grüßen, sie redete nur mit Hanno. Und zwar mit unglaublich kalter, schneidender Stimme.
»Was höre ich da? Du hast ein Kind, du hast eine Tochter? Ein Kind, von dem ich nichts weiß, ein uneheliches Kind? Und du unterstehst dich, meine Bekanntschaft zu suchen, mir den Hof zu machen, du hast es gewagt, mich um meine Hand zu bitten, du willst ein Mitglied unserer Familie werden? Eine solche Unverfrorenheit kann es doch wohl nicht geben. Das ist… mir fehlen einfach die Worte.«
»Bitte, Yvonne, laß dir doch erklären…«, wollte Hanno den Redefluß seiner Verlobten stoppen, doch dieser fehlten keinesfalls die Worte. »Das ist unerhört! Das ist unglaublich!« fuhr diese mit immer schriller werdender Stimme fort. »Du hast mich nicht nur belogen und betrogen, du hast mich zum Gespött gemacht. Wie soll ich das meiner Familie, meinen Freunden, der Öffentlichkeit erklären? Man wird lachen über mich, man wird vielleicht sogar schadenfroh sein. Oh, wäre ich dir doch nie begegnet, du jämmerlicher Schönling. Du verlogener Schwindler. Ich will dich nie wiedersehen, hörst du! Und ich verbiete dir, dich mir noch einmal zu nähern. Ich verbiete dir, überhaupt noch einmal meinen Namen zu erwähnen.«
Noch während des Sprechens, das man schon eher ein Keifen nennen konnte, war sie mit großen Schritten zu der breiten Flügeltür geeilt. Diese stieß sie jetzt mit beiden Armen auf, stürmte auf die Auffahrt hinaus, wo noch ihr Wagen stand, mit dem sie beide gekommen waren. Sie riß die Wagentür auf, glitt hinter das Steuer und hatte die Tür bereits wieder zugeschlagen, noch ehe Hanno herangekommen war. Den Wagen anlassen und Gas geben war für Yvonne de Veron eins, und mit aufheulendem Motor und quietschenden Reifen schoß das elegante Coupé die Abfahrt hinunter.
Hanno blickte hinterher, zuckte die Achseln und kam dann in die Halle zurück.
Er prallte dort beinahe mit seinem Vater zusammen, der auch aus dem Sessel hochgesprungen und den beiden gefolgt war.
»Keine Verlobung also«, sagte Hanno achselzuckend und mit schiefem Grinsen.
»Mein Gott, Junge, in was für eine unmögliche Situation habe ich dich da gebracht?« sagte Alexander Werth sichtlich erschüttert. »Es tut mir leid, es tut mir schrecklich leid. Und selbstverständlich bringe ich das wieder in Ordnung. Ich fahre sofort hinter deiner Braut her, rede mit ihr und ihrer Familie.«
»Nein, laß nur, Vater«, sagte Hanno, ohne auch nur einen Augenblick zu zögern. »Ist schon