freudigen Herzens gegen den Feind, auf daß sein Anschlag zu Schanden würde. Es war ihm auch allbereits das Herz ziemlich in die Hosen gesunken, und eilends ließ der Connestable von Momerantz sein vorgeschickt Volk mit dem Geschütz zurückziehen. Als er sah, daß es Ernst werden sollte, wollte er noch in der letzten Stund das Spiel aufgeben, hatte aber wiederum falsch gerechnet; denn zwo Meilen von der Stadt Sankt Quintin bei den Dörfern Essigni und Lizeroll stelleten wir ihn und waren auf ihn mit aller Macht. Und als nun die Trompeten und Heerpauken zum Sturm riefen, da hab ich das Aug unseres genädigen Herrn seit langer Zeit zum erstenmal hell wieder leuchten gesehen, als er sich rückwärts auf dem Sattel wandte und einmal das Helmvisier hob und uns zurief: ›Nun haltet euch wacker, ihr Mannen von Spiegelberg – drauf und dran mit Macht – vorwärts gehet der Weg!‹ – Ich glaub, der Herr Grafe hat es vorgewußt, daß er in den Tod ging, und ich glaub auch, er hat sich gefreut darob. Verflucht seien in alle Ewigkeit die, so schuld daran haben.«
»Fluch der Zauberin! Fluch der Unhuldinne, der Hexe! Fluch dem falschen Ritter Campolan!« brach wütend das Volk von Pyrmont los, und höher hob sich Klaus Eckenbrecher und zog aus seiner Gürteltasche eine zerrissene goldene Kette, welche er mit wildem Triumph in die Luft hielt.
»Das ist die Brustkette des falschen Verräters Cäsar Campolani, der unsern Herrn Philipp erschossen hat in der Schlacht für Sankt Quintin, und hab ich ihn vom Pferde gehauen, und hab ich ihm den Dolch dazu in die Kehle gestoßen, als ich auf der Erd mit dem welschen Hund rang und die Reiterschlacht über uns weg ging!«
Von ihren Sesseln sprangen die beiden Fräulein von Spiegelberg auf; ein unbeschreiblicher Tumult erhob sich in der weiten Halle. Eine zitternde Hand streckte Ursula von Spiegelberg gegen die Kette aus, und Klaus Eckenbrecher legte das Kleinod des Ritters in diese kleine Hand, welche die Kette krampfhaft faßte und zu Boden schleuderte. Den Fuß setzte die Schwester des Grafen zu Pyrmont auf das Ehrenzeichen Don Cesare Campolanis, welches ihm von dem französischen König Heinrich von Valois gegeben worden war.
»Fluch, Fluch dem Verräter! Fluch dem falschen Elenden!« rief die Ursel.
»Fluch! Fluch! Fluch!« und »Vivat dem Klaus!« hallte die Menge nach und drängte abermals soviel als möglich gegen die Estrade an.
»Weiter, weiter, Klaus Eckenbrecher!« rief Walburg von Spiegelberg dem tapfern Reiter zu. »Segen und Glück über Euch, Klaus! Weiter, weiter!«
Tief holte der Klaus Atem und fuhr fort in seinem Bericht:
»Kaum hatte unser Herre uns angesprochen, wie ich gesaget habe, so wurde das Zeichen zum Anlauf gegeben mit allen Trommeten, Zinken, Trommeln, Pauken und Posaunen. Auf schrieen und schnoben Mann und Roß, vor stürzte alles, dann kam ein gewaltiger Anprall, schwarz wurde es einem vor den Augen, und der Himmel wurde dunkel wie die Nacht, und alles war Schwindel und Verwirrung in einem und um einen, daß man nicht wußt, wo man war, ob an der Erden oder ob hoch in den Lüften. Dann erkannte man zuerst wieder das große Geschütz, das Krachen und Brummen der Kartaunen, Büchsen und Feldschlangen, und dann wurden die Sinne wieder frei, und man kannte sich aus. Wir waren mitten unter den Gaskognern, doch sah ich zuerst unsern Grafen nicht mehr; das Getümmel hatte ihn zur Seite fortgerissen von uns –«
»Ich war bei dem Herrn«, rief hier einer der Krieger. »Wir waren zu den niederländischen Völkern, so der Herr von Habrincourt führete, geraten. Unser Herr Philipp rief ihm etwas zu, was ich nicht verstand; aber der Habrincourt fiel in demselben Augenblick unter die Gäule und war tot, ehe er antworten kunnt.«
»So ist es geschehen«, sagte Klaus Eckenbrecher. »Ach, ihre beiden Seelen sind allzubald in der ewigen Seligkeit wieder zusammengekommen! … Lange Zeit war nun alles ein verworrener Knäuel, daß niemand wußt, wer das Feld behalten sollt; aber unter den französischen Schützen bin ich wieder zu unserm Grafen gestoßen und bin bei ihme geblieben bis an seinen Tod. Unter den französischen Schützen rettete unser Herre dem Fürsten von Braunschweig, dem Herzog Erich, der mit seinem Gaul zu Boden lag, das Leben, und sein Hengst wurde dabei am Schenkel wund, und ich hab ihm meinen Fuchs geben und hab für mich selbst ein reiterlos französisch Pferd erhaschet. Indem schied sich aber Freund und Feind aus der ersten Wirrnis besser auseinander, und man sahe sein Werk klarer vor sich. Es brachten Braunschweigische den Vizegrafen von Turone, des Connestables Eidam, gefangen rückwärts, und ist derselbe am siebenten Tage nach der Schlachtung in des Herzogs Erichs Lager verschieden an seinen Wunden. Imgleichen lagen schon auf dem Feld der Herzog von Momyonsier, wie auch der Marschalk von Sankt Andreä, des Königs in Frankreich oberster Kämmerer. Von neuem Anlauf und Sturm, und immer von neuem, bis zuletzt sich die Franschen zur Flucht wandten. Und nur die deutschen Schlachthaufen zu Fuß unter Hans Philipp dem Rheingrafen, dem Grafen von Barby, Friedrich Reiffenberger und Hauptmann Stern, des Rheingrafen Lieutenant, hielten sich noch wacker und zogen sich gleich einem Igel in einen bösen, stachlichten Klumpen zusammen. Gegen diesen Klumpen warf sich die ganze Hauptmacht unserer Fußvölker, doch nicht wir Reiter; denn wir waren alle – Spiegelberger, Mansfeldsche, Braunschweiger, vermenget mit den Spießen des Herrn von Horn hinter und unter der flüchtigen Cavalcada des Feindes, daß alles über und über ging. Da jageten vor uns her in wilder Hast und Angst, auf daß sie erretteten, was sie im Wams trugen, die allergrößesten Herrn, als: der Herzog von Langeville, Herr Ludwig von Gonzaga, des Herzogen zu Mantua Bruder, der Herr von Mambron, des Constabels jüngster Sohn, der Herr von Lansack, der Herr von der Rosche-Foucaut, der Graf Georg von Westerburg, der Graf Arbogast von Heben, der Herr von Roschefort, der Herr von Allii, Oberster über des Königs von Frankreich Adel im Nachzug, der Herr von Kapelle, des Constabels Lieutenant, der Herr von Bottesin, der Herr von Schenü, der Herr von Esden, der Herr von Estrolt und viel andere edle und fürtreffliche Herrn – Gaskognier, Schützen, Pikarden, Deutsche und Franzosen durcheinander. Es wurden aber die genannten Herren allesamt gefangen, und retteten sich durch die Flucht nur der Herzog von Nivers, der Graf von Villars, der Prinz von Conde, der Prinz von der Rosche-Scirion und der Herzog von Anguien, so aber an zwei Schüssen nicht lange nachher verstarb. In Staub und Feuer und Qualm ging es durch das Gebrüch und das Gemöse fort und fort. Wie wetterte unser Herre gleich einem wütigen Leuen darzwischen! Da ward auch der Momerantz, der Connestabel, durch die Hüfte geschossen und gefangen; da fielen auf unserer Seit viel gute deutsche, spanische und niederländische Herren und auch Graf Philipp von Waldeck und Hans von Braunschweig-Grubenhagen, da – erjageten wir auch den Campolan! … Und als er ihn erblickte, schrie unser Herre auf, daß es den allerschrecklichsten Tumult der Feldschlacht übertönete, und –«
Eine neue Bewegung entstand im Saal des Schlosses Pyrmont.
»Weiter, weiter, Klaus Eckenbrecher!« rief Ursula. Zitternd, atemlos, vorgebeugt standen die Schwestern und ihre Hintersassen, finster und schweigend die heimgekehrten Kriegsmannen.
»Wir erkannten den Ritter, weil er den Helm verloren hatte; er ritt einen stolzen Falben und trug die Rüstung und Feldbinde von des französischen Königs Adelhaufen. Vergeblich mühete er sich ab, die fliehenden Scharen zum Stehen zu bringen; alles stürmte in wilder Eile an ihm vorüber. Als ihm unser Herre zuschrie, wandte er sich und erkannte uns sogleich, und ein höhnisch Lachen lief über sein Gesicht. Ich hatte eben noch mit einem von den Gaskogniern zu schaffen; aber mein Herr Graf war gleich auf den italischen Hund mit aller Wut. Um uns her krachte und rasselte, stampfte und klirrte und brüllte es wie tausend Schock losgelassene Teufel – das war alles Blitz und Schlag – ich hatte meinen Windbeutel zu Boden und flog über Roß und Mann weg und war im nächsten Augenblick dem Herrn wieder zu Seiten; aber da war das Unheil schon geschehen. In den Dampf und Qualm der Schlacht fuhr aus dem Feuerrohr des welschen Hallunken ein neuer Blitz, und unser Herr griff mit der Hand in die Luft, sein Schwert entfiel ihm; ehe ich zugreifen konnte, stürzt’ er zu Boden; sein scheu geworden Pferd hob sich hoch und jagte ausschlagend davon und schleifte unsern Herrn noch eine Strecke mit hinein in das dickste Getümmel; dann lösete sich der Fuß aus dem Bügel, und die Speerreiter Des von Horn rasselten über den ritterlichen stolzen Leib meines Grafen weg! Das hab ich alles in Not und Wut erschauet, der einzige von den Spiegelbergern; denn wir waren alle voneinander gekommen, und jeder jagte den Feind auf seine eigene Faust. Aber in meiner Todesstunde noch soll mir ein Trost sein, daß mir es gegeben war, meinen lieben Herrn an dem Campolan zu rächen! Zu Boden hab ich ihn gerungen, und sein Leben hat er verhauchen müssen unter meiner Hand, und ob er gleich