Jägerwitze, Anglerwitze, Medizinerwitze, Irrenwitze und Ehewitze.
Was ist der Unterschied zwischen einer Ehefrau und einem Feuerzeug? Keiner. Beide gingen!
Hä?
Ich mußte jetzt zur Karl-d’Ester-Schule in Vallendar und hatte schon wieder eine neue Lehrerin, Frau Katzer, die eine Nase hatte wie ein Adlerschnabel.
Wir sollten sagen, was unsere Eltern für Berufe hätten. Mama war Hausfrau und Papa Ingenieur beim Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung, kurz BWB. Nach mir war ein verbiestert kuckendes Mädchen dran, das keine Antwort gab und nur mit den Schultern zuckte, wofür es von Frau Katzer eine runtergehauen kriegte.
Morgens hatten wir Kopfrechnen. Alle mußten aufstehen, und wer was wußte, durfte sich setzen. Das kleine und das große Einmaleins. Ich war immer einer von den letzten, weil ich im Kopf nicht so schnell rechnen konnte wie die anderen. Neben mir saß Melanie Pape. Die sagte mir manchmal vor.
Noch langsamer als ich waren nur Benno Anderbrügge und Angela Timpe, das Mädchen, dem Frau Katzer gleich am ersten Schultag eine gekleistert hatte. Benno Anderbrügge und Angela Timpe konnte keiner leiden, ich auch nicht, aber ich war froh, daß die in der Klasse waren, weil sonst immer ich oder der Raufbold Klaus Koch in Kopfrechnen der letzte gewesen wäre. Klaus Koch hatte Hasenzähne, die oben vorstanden, und war in allen Fächern schlecht.
In Turnen, Heimatkunde, Musik und Deutsch war ich gut. Die Wortfamilie Brot: Kruste, Aufstrich, Krümel, Butter, Scheibe, Teig. Tuwörter und Sachwörter. Wer nämlich mit h schreibt, ist dämlich.
Trenne nie s-t, denn das tut ihm weh.
Michael Gerlach, Andreas König und ich waren die einzigen, die mit Geha schrieben. Alle anderen hatten Pelikanfüller.
Michael Gerlach, der hinter mir saß, hatte Naturkrause und war Brillenträger und so dünn und so leicht, daß ihn Stefanie Deus, die kräftiger war als alle Jungen in der Klasse, einmal in der Pause hochhob und mit dem Kopf nach unten drehte.
Klaus Koch und andere Rabauken liefen eingehakt zu fünft oder zu sechst über den Schulhof und brüllten: »Bumm, bumm, bumm, wir rennen alles um!« Denen war nicht zu helfen.
Mit Vorliebe machten sie Jagd auf den dicken Ulrich Gierge, der immer Kniebundlederhosen trug. Einmal, als ich pinkeln gehen wollte, stand er heulend im Jungsklo in der Ecke. Ich sagte, daß ich früher auch in Kniebundlederhosen zur Schule gemußt hatte, und wir wurden Freunde, aber nicht für lange, weil Ulrich Gierge in Turnen eine Flasche war. Der konnte nicht mal Purzelbaum.
Turnen hatten wir bei Herrn Jungfleisch, der dauernd laut in seine Trillerpfeife blies. Die Jungen, die sich freiwillig dazu meldeten, den Mattenwagen durch die Halle zu ziehen, die Matten zu verteilen und am Schluß der Stunde wieder einzusammeln, waren meistens die, die in Turnen mangelhaft waren, vor allem Ulrich Gierge und Torsten Hommrich mit seinen zwei linken Füßen.
Am allerschlechtesten war Benno Anderbrügge, aber der meldete sich nie. Der hatte es wohl aufgegeben, irgendwo noch jemals ’ne gute Note zu kriegen.
Auf den Matten sollten wir Rad schlagen und Handstand machen. Bis man drankam, mußte man lange rumstehen.
In der Umkleide zog sich Andreas König aus bis auf die Haut. Das störte den gar nicht, vor allen anderen splitterfasernackt dazustehen, so daß man Sack und Piepmatz baumeln sah.
Die Mädchen hatten solange Handarbeitsunterricht.
Von den Jungen konnte ich am wenigsten Oliver Wolter leiden. Das war ein feiner Pinkel, der beim Aufzeigen immer mit den Fingern schnippte. Befreundet war er mit Norbert Ripp, der ein Daktariquartett besaß. Da hätte ich gerne mal mitgespielt, aber nicht mit Oliver Wolter.
Vier von den Mädchen hießen Gabriele, und die wetteiferten alle darum, Fleißkärtchen einzuheimsen. Einmal machte Frau Katzer Ranzenkontrolle, und da kam raus, daß Heike Zöhler und die vier Gabis die am sorgfältigsten aufgeräumten Ranzen hatten.
Aus meinem holte Frau Katzer mit spitzen Fingern ein Taschentuch raus, das braune Flecken hatte, weil ich im Schulbus mit dem Kopf an den Sitz vor mir geknallt war und Nasenbluten gehabt hatte. Das zeigte Frau Katzer der ganzen gackernden Klasse vor.
An der Wand hing eine Schautafel. Singvögel unserer Heimat: Gimpel, Stieglitz, Wiesenschmätzer, Teichrohrsänger, Rotkehlchen und Kirschkernbeißer.
Heike Zöhler wischte Radiergummibrösel vom Tisch.
Ich ließ mein Lineal über eine Straße fahren, die ich aus Buntstiften, Mäppchen, Heft und Spitzer gebaut hatte. Das Lineal war der Schulbus, und es durfte nirgendwo anecken, was schwierig war, wenn man es nur von hinten anschob.
»Und wenn der Martin ma uffhört, Audu ze spille, könne ma auch weidermache«, sagte Frau Katzer, und ich wurde rot.
Packen durfte man den Ranzen erst beim Klingeln. Wer schon eher damit anfing, wurde von Frau Katzer an den Haaren hochgerissen und mußte alles, was im Ranzen war, auf den Fußboden kippen.
Volker trug eine Woche lang seinen schwarzen Pullover, weil Jochen Rindt beim Trainingsrennen ins Schleudern gekommen und mit seinem Rennauto an der Leitplanke zerschellt war. Auf einem Foto in der Zeitung sah man die Beine von der Leiche vorne aus dem Wagen hängen.
»Wer bei sowas sein Leben aufs Spiel setzt, der hat’s auch nicht besser verdient«, sagte Mama.
In Deutsch las uns Frau Katzer die Sage von den beiden Rittern vor, die zusammen zur Jagd wollten. Der Ritter, der als erster wach war, sollte dem anderen einen Pfeil durchs Turmfenster schießen, und weil die Ritter zur gleichen Zeit wachgeworden waren, schossen sie sich gegenseitig tot. Als Hausaufgabe sollten wir die Sage schriftlich nacherzählen.
Obwohl sich andere meldeten, nahm Frau Katzer Benno Anderbrügge dran. Er sollte an die Tafel kommen und seine Nacherzählung vorlesen. Daß der noch nie seine Hausaufgaben gemacht hatte, wußten alle, auch Frau Katzer.
Benno Anderbrügge trottete nach vorne, stellte sich vor die Klasse, klappte sein Heft auf, schaute rein und seufzte.
»Wird’s bald!« rief Frau Katzer.
»Also, do wore mo, do wore mo zwei Ridder«, stammelte Benno Anderbrügge, aber da war Frau Katzer schon bei ihm, riß ihm das Heft weg und klatschte es ihm um die Ohren. »Papperlapapp!«
Er kriegte eine Sechs und konnte sich wieder setzen. Wir schlugen das Lesebuch auf. In dieser Minute, von Gina Ruck-Paquét. In der Minute, die jetzt ist und die du gleich nachher vergißt, geht ein Kamel auf allen vieren im gelben Wüstensand spazieren.
Und in der großen Mongolei schleckt eine Katze Hirsebrei.
Volker sammelte Shellmünzen. »Uwe Seeler! Ich bin selig!« rief er, als Papa ihm vom Tanken eine neue mitgebracht hatte. »Die werde ich hüten wie meinen Augapfel!«
Papas Beförderung zum Regierungsbaudirektor war unter Dach und Fach. Die Urkunde, in der das stand, lag auf dem Wohnzimmertisch, und Mama paßte auf, daß der Wisch keine Fettflecken kriegte.
Die Beförderung sei nur ein schwacher Trost, sagte Papa. Er werde sich auch fürderhin mit den alteingesessenen Rindviechern und Korinthenkackern in dem Saftladen rumschlagen müssen.
Volker und ich führten jetzt Tagebuch. Da kam alles rein. Träume, Schulerlebnisse und die Sache mit der Katze, der wir im Wambachtal beim Erlegen einer Maus zugesehen hatten. Die Maus in den Tatzen der Katze hatte ganz kläglich gefiept.
Abends saßen Mama und Papa mit unseren Tagebüchern im Wohnzimmer und lachten sich schief. Um mein Tagebuch noch witziger zu machen, schrieb ich rein: »Als Big Valley vorbei war, biß sich mein Bruder vor Enttäuschung in den Hintern«, aber Volker änderte die Stelle mit Tintentod, so daß da nicht mehr stand »biß sich mein Bruder«, sondern »biß ich mir selbst«, und Volker kriegte einen Anpfiff, und ich auch, weil ich gepetzt hatte und weil es ungehörig war, Häßliches über die eigenen Geschwister aufzuschreiben.