ungekämmt, zerfetzte Hosen an und immer am Wegrennen vor Polizisten oder vor Hundefängern, die die Promenadenmischung mit dem schwarzen Ring um das eine Auge schnappen wollten.
Als Flipper seinem Herrchen Sandy half, drei Ganoven unschädlich zu machen, war ich wieder für die Polizei.
Die Bundesjugendspiele fanden bei großem Sauwetter statt. Michael Gerlach drückte sich vorm Kugelstoßen und kam beim Zweitausendmeterlauf als zweitletzter mit Hängezunge über die Ziellinie gebösselt. Ich war zehnter gewesen und hatte gehofft, daß Piroschka mir beim Endspurt zukuckt, aber die war nirgendwo zu sehen.
Krach mit Papa kriegte Renate, als sie in Hotpants zur Schule wollte. »In diesem Aufzug kannst du deinen Paukern nicht den Arsch ins Gesicht drehen«, sagte Papa, und Renate stampfte beleidigt die Treppe hoch.
Hausaufgaben. Werfall, Wesfall, Wemfall, Wenfall: Wer hat den Maikäfer zertreten? Uli war es. Wessen Maikäfer ist es? Hartmuts. Wem ist Hartmut böse? Uli. Wen beauftragt der fünfjährige Hartmut, den neunjährigen Uli zu verhauen? Fritz.
Auf dem Klavier übte Renate Love Story, die Forelle und Amazing Grace.
Zum Geburtstag kriegte Wiebke ein Kleid von Tante Therese, einen grünen Fummel, der an der Taille enger genäht werden mußte. Mädchen sein, das Allerhinternachletzte. Ohne Punkt und Komma über Wäsche reden und Handarbeiten machen, so wie Renate, die zuletzt eine Milliarde Wolltintenfische gestrickt hatte, mit Tischtennisbällen als Schädel, einen Türvorlegerdackel und ein Schildkrötenkissen namens Lord Nelson. Für die Füllung hatte sie alte Strumpfhosen von Mama genommen, und Lord Nelson miefte dementsprechend.
Den Benzinrasenmäher hatte Papa endlich wieder in Gang gesetzt und neu lackiert. »Mich laust derselbige«, sagte Mama.
Der Rasenmäher machte einen Höllenlärm, im Stehen noch mehr als beim Geschobenwerden. Papa mähte den Rasen nach einem ausgeklügelten System, von außen nach innen. Das Gras landete in einem Fangkorb. Als Renate mähte, machte sie das kreuz und quer, bis Papa das sah und ihr die Leviten las.
Auf dem frischgemähten Rasen wollte ich mit Wiebke Federball spielen. Den einzigen heilen, den ich in der Spielzeugkiste noch gefunden hatte, feuerte Wiebke gleich beim ersten Schlag über den Zaun in den Garten vom Walroß. Ich teilte ihr mit, daß sie ein doofes Arschloch sei, und sie rannte heulend ins Haus.
Mama war auf achtzig. »Daß du dich nicht schämst! Deiner kleinen Schwester sowas vor den Latz zu knallen!« Ich wurde ins Bett geschickt, am hellichten Tag. Ohne Wenn und Aber. Jalousie runter und Licht aus.
Wegen so einem Pipifax.
Ratzen müssen, wenn man noch kein bißchen müde war. Eine schöne Suppe hatte mir mein Schwesterherz da eingebrockt. Das schrie nach Rache. Manometer. Wiebke, die alte Zimtziege.
Augen zumachen, wie bei Was bin ich, wenn der Gong kommt und der Beruf eingeblendet wird. Die typische Handbewegung, und von Robert Lembke für jedes Nein ein Fünfmarkstück. Gehe ich recht in der Annahme, daß. Und wie die Leute sich wohl ärgerten, die am Schluß nur fünf oder zehn Mark im Sparschwein hatten statt fünfzig.
Im Urlaub verlegte Papa Pflasterplatten neben dem Haus und entdeckte ein Mäusenest unterm Komposthaufen. Er rief uns raus, damit wir zusehen konnten, wie die Mäusemutter alle ihre Kinder einzeln wegschleppte.
Auf einer Wiese im Wambachtal suchten Stephan Mittendorf und ich nach vierblättrigem Klee, weil der Glück bringen sollte. Ob ich noch verliebt sei in Roswitha Schrimpf, wollte Stephan wissen. Er würde es auch nicht weitersagen. Oder ob ich mich in eine andere verschossen hätte. »Haste doch, oder nicht? Kann ich dir doch an der Nasenspitze ansehen. Brauchst mir gar nicht noch länger was vorzugaukeln! Raus mit der Sprache!«
Er bohrte und bohrte, aber bevor ich ihm die Wahrheit sagte, mußte er schwören, daß er dichthielt.
»Die Piroschka!« brüllte der Blödmann dann. »Ich lach mich schlapp!« Hinter der sei er selber her. Schon alles versucht. Sich hinter die gesetzt im Bus und lauter Wörter mit Pi am Anfang benutzt, Pistole, Pingpong, Pillenknick, Pilot und Pickel, aber das sei Piroschka piepegal gewesen. Die interessiere sich nicht für Jungs.
Jedenfalls nicht für Stephan Mittendorf.
Tatform und Leideform. Der Lehrer lehrt die Schüler, die Schüler werden vom Lehrer gelehrt. Ob wir noch andere Beispiele nennen könnten. »Die Eltern tun die Kinder erziehen«, sagte Norbert Ripp, und Frau Katzer sagte: »Titen, taten, tuten! Die Eltern erziehen die Kinder, ohne tun!« Das sollten wir uns hinter die Ohren schreiben.
Von meinem Zimmerfenster aus sahen Renate und ich die fette Frau Winter die Straße runterwatscheln. »Die geht zum Bäckerwagen«, sagte Renate. »Kann’s vor Freßgier nicht mehr aushalten, die Alte.« Und tatsächlich, nach einer Viertelstunde watschelte Frau Winter die Straße wieder rauf, mit einem großen Tortenkarton in den Pranken.
Der Wagen von Bäcker Klinkeisen kam erst eine Weile später. Renate kaufte ein Oberländer Graubrot und kriegte noch drei Puddingteilchen geschenkt.
»Das wundert mich nicht, bei dem kurzen Fetzen von Rock, den du anhast«, sagte Mama. Sie brühte Bohnen aus dem Garten für die Gefriertruhe vor, im Vitavit-Topf.
Zum Davonlaufen schmeckte Sülze mit Remouladensoße. Ich hätte lieber was Normales gegessen, Hühnerfrikassee oder Bratwurst oder falschen Hasen mit Kartoffelbrei und Apfelmus.
Das Gegenteil von normal war anormal oder anomal oder abnormal, drei Wörter, die alle haargenau das gleiche bedeuteten. Hätte eins nicht gereicht?
Zum Nachtisch Kirschjoghurt. Weil Papa die leeren Becher für irgendwas brauchte, kamen sie statt in den Mülleimer in die Spülmaschine. Im Keller türmten sich schon Hunderte von leeren Joghurtbechern.
Auf dem Fußballplatz fand ein Spiel statt, und von den Zuschauern standen welche unter einem Sonnenschirm mit der Aufschrift EISKREM. Ich lief nachhause und mit allem Geld aus meinem Tresor im gestreckten Galopp wieder zum Fußballplatz, beide Hosentaschen dick mit Münzen voll. Eiskrem, was war das überhaupt? Noch leckerer als Eis bestimmt.
Aber als ich mit meinen sauer verdienten Groschen ankam, wurde ich ausgelacht. »Bloß weil das da steht, gibt’s hier noch lang keine Eiskrem zu kaufen, Junge!«
Das war ein dicker Hund. Hätten die Vollgasidioten nicht einen Schirm ohne Eiskremreklame aufstellen können?
Wenn man im neuen Freibad zu den Becken wollte, mußte man da, wo die Duschen waren, durch klirrend kaltes Wasser waten. Oder rennen, aber dann kriegte man Spritzer ab an den Beinen.
Im Nichtschwimmer war eine Rutsche, die ich benutzen mußte, wenn ich mich nicht von Stephan Mittendorf hänseln lassen wollte. Unten durfte man sich nicht lange die Augen reiben, sonst kriegte man den Hintermann ins Kreuz.
Auf den warmen Pflasterplatten zwischen den Becken verdampften die frischen Fußabdrücke in der Sonne. Stephan Mittendorf sagte, ich hätte Plattfüße. Das sehe man an der Form.
Im Schwimmer machte Renate Kopfsprung vom Startblock und tauchte bis zum anderen Beckenrand. Dann ging sie wieder zu ihrem Badelaken auf der Wiese und strickte an dem gelben Pullunder weiter, den sie Franziska schenken wollte.
Volker war auch da, mit Hansjoachim, der erzählte, daß er in einem anderen Schwimmbad mal gesehen habe, wie jemand einen Bauchklatscher vom Zehner gemacht hatte. Dem hätten die halben Eingeweide rausgehangen, Magen, Leber, Pansen, alles. »Da ziehe ich doch eine gepflegte Arschbombe vor«, sagte Volker.
Auf der Steinterrasse vor dem Sprungturm saß Piroschka. Sie rubbelte sich mit einem roten Handtuch ab und kramte dann aus einem Beutel ein Portemonnaie hervor. Damit ging sie zum Kiosk. Stephan Mittendorf und ich schlichen ihr nach.
Heute fängt ein neues Leben an. Deine Liebe, die ist schuld daran!
Am Kiosk kaufte Piroschka sich ein Eis, und bevor wir uns verstecken konnten, drehte sie sich um und kam genau auf uns zu.
»Tja, mein Lieber«, sagte Stephan