Kathrin Lange

Fabelmacht Bundle


Скачать книгу

      Und seinen Namen.

      Das Mädchen an Nicholas’ Hals lachte. Es klang gehässig. »Wie es aussieht, hat er kein Interesse an dir!« Sie nahm sein Gesicht in beide Hände und küsste ihn auf den Mund. Kurz versteifte sich Nicholas, aber dann erwiderte er den Kuss. Mehrere Sekunden lang starrte Mila ihn und das Mädchen an, bis Nicholas sich endlich von ihr losmachte.

      »Komm!« Isabelle hakte sich bei ihr ein und wollte sie davonzerren. »Der ist es echt nicht wert!«

      Natürlich hatte sie recht damit. Aber dennoch konnte Mila das hier nicht einfach so auf sich beruhen lassen. Bevor sie wusste, was sie tat, fasste sie nach Nicholas’ Unterarm und hielt ihn fest.

      Für eine Sekunde war sie sicher, dass er schroff und abwehrend reagieren würde. Stattdessen stand er da, mit gesenktem Kopf, leicht schwankend, als versuche er zu ergründen, was nun geschehen würde.

      »Du spürst es auch, nicht wahr?« Mila flüsterte nur. Mit der lauten Musik im Hintergrund konnte er sie nicht hören, aber sie hatte das Gefühl, dass er sie sehr genau verstand. Er wusste um die Verbindung, die sie beide hatten. Irgendwie wusste er es. Da war sie sich ganz sicher.

      Nach einer gefühlten Ewigkeit hob er den Blick und suchte ihre Augen. Und dann packte er sie, beugte sich vor und presste seine Lippen auf ihre. Sein Kuss hatte etwas Atemloses, Verzweifeltes und er überrumpelte Mila komplett.

      Als sie sich wieder gefangen hatte, stieß sie ihn, so fest sie konnte, von sich. »Hast du sie noch alle?«

      Er schüttelte den Kopf. »Du wirst dich in mich verlieben, wenn du dich nicht von mir fernhältst.« Seine Worte klangen so atemlos, wie der Kuss es gewesen war. »Es tut mir so leid!« Kurz straffte er sich, dann nahm er erneut das Mädchen im schwarzen Minikleid an der Hand und zog sie mit sich.

      Das irritierte Grinsen seiner Begleiterin drehte Mila den Magen um. Sie sah zu, wie Nicholas ihr den Arm um die Schultern legte, und sie starrte den beiden auch noch nach, als sie zur Garderobe gingen.

      Isabelle an ihrer Seite stieß ein übertriebenes Würgen aus. »Was ist das denn für ein Scheißkerl?«, schrie sie ihr ins Ohr.

      Mila verstand nicht, was gerade passiert war. Sie war erschrocken und wütend über Nicholas’ übergriffiges Verhalten. Aber gleichzeitig keimte ein Gefühl in ihr auf, das sie überhaupt nicht zu deuten wusste. Du wirst dich in mich verlieben, hatte er gesagt.

      Schwachsinn!

      Sie hatte gesehen, dass alles an ihm, seine gesamte Haltung, die Spannung in seinen Schultern, seine Wahrnehmung direkt auf sie ausgerichtet gewesen waren. Wie eine Kompassnadel auf den Nordpol. Sie ballte die Fäuste. Vermutlich machte es ihm einfach Spaß mitzuerleben, was für eine Wirkung er auf Mädchen hatte.

      Sie schaute noch einmal zur Garderobe, wo sich Nicholas seinen Mantel überzog. Das Mädchen in Schwarz sagte etwas zu ihm und er lachte auf. Er sah sehr gut aus, wenn er lachte. Tja, Fassaden konnten täuschen.

      Gerade, als Mila sich das fast eingeredet hatte, zeigte das Mädchen auf seinen Arm. Mila war zu weit weg, um zu hören, was sie sagte. Dafür aber beobachtete sie Nicholas’ Reaktion. Er zog in einer erschrockenen, hastigen Bewegung den Hemdärmel bis über die Fingerspitzen nach unten. Zu spät.

      Mila hatte gesehen, was er zu verbergen versuchte. Auf einmal fühlte sie sich, als hätte ihr jemand einen Eimer Wasser über den Kopf gegossen.

      Unter Nicholas’ Hemdmanschette hatte etwas hervorgeschimmert.

      Blau war es gewesen.

      So blau wie das Leuchten ihrer Schrift, als sie die Geschichte über Eric geschrieben hatte.

      »Oh, Mann!«, ächzte Isabelle. »Diese Dinger bringen mich noch um!« Sie hielt an, zerrte ihren linken High Heel vom Fuß und rieb sich die schmerzenden Zehen.

      Mila blieb ebenfalls stehen. Die von unzähligen Scheinwerfern angestrahlte weiße Basilika Sacré-Cœur ragte vor ihr auf. Rechts ging es zu der großen Freitreppe vor dem Kirchenportal, die an sonnigen Tagen bei Touristen als Fotomotiv so beliebt war. Die Nacht war lau und sternenklar und dementsprechend viele Pärchen schlenderten durch die engen und romantischen Gassen von Montmartre.

      Nachdem Nicholas mit dem Mädchen in Schwarz abgezogen war, hatten Mila und Isabelle es nur kurz in dem Club ausgehalten. Bald darauf hatten sie ihn ebenfalls verlassen und waren eine Weile lang umhergelaufen. Mila musste dringend den Kopf freikriegen. Die unerwartete Begegnung mit Nicholas und sein sonderbares Verhalten hatten sie tief erschüttert. Und viel mehr noch die Erkenntnis, dass sie sich das blaue Leuchten ihrer Schrift in Isabelles Wohnung offenbar nicht eingebildet hatte und dass Nicholas irgendwie damit zusammenhing.

      Im ersten Moment hatte sie den Impuls verspürt, ihm nachzulaufen und eine Erklärung von ihm zu verlangen. Aber Isabelle hatte sie zurückgehalten. »Spinnst du?«, hatte sie Mila angefaucht und als Mila ihm dennoch auf die Straße hinterhergeeilt war, war von Nicholas natürlich keine Spur mehr zu sehen gewesen.

      Klar. Wenn sie die Autorin dieser Geschichte hier gewesen wäre, hätte sie es ganz genau so geschrieben.

      Jetzt richtete Mila den Blick auf die angestrahlte Kirche. Die fast weiße Fassade sah in der dunklen Nacht regelrecht unwirklich aus. Erschöpft blies Mila die Wangen auf.

      Isabelle streifte sich ihren Schuh wieder über. »Also!«, sagte sie. »Jetzt erzähl schon: Was war das eben da drinnen? Du hast dich benommen, als wolltest du ihm sofort an die Wäsche.«

      Mila presste die Lippen aufeinander. Seite an Seite mit Isabelle trat sie an die oberste Stufe der Freitreppe. Der Ausblick war überwältigend. Paris lag zu ihren Füßen und funkelte in der Dunkelheit genauso wie der klare Sternenhimmel über ihnen. Das Licht von Tausenden Straßenlaternen ließ die typischen metallgrauen Dächer schimmern.

      »Mila!«, mahnte Isabelle. »Ich will wissen, was das für ein Kerl war! Was ging da ab zwischen euch? Du hast ihn angestarrt, als würdest du gleich anfangen zu sabbern!«

      »Ich habe ihn nicht angestarrt!«, protestierte sie lahm.

      Isabelle schien das nicht mal einer Antwort würdig zu sein. Sie schaute sie nur an.

      »Okay. Schon okay. Keine Ahnung«, murmelte Mila darum. »Aber ich habe nicht gesabbert.« Sie wollte etwas hinzufügen, irgendeine Erklärung, zuckte dann jedoch mit den Schultern, weil sie nicht wusste, was sie Isabelle erzählen sollte.

       Er ist aus meinen Geschichten einfach so rausspaziert?

       Meine Schrift hat in demselben Blau aufgeleuchtet wie etwas auf seinem Arm?

       Ich fühle ihn wie einen Splitter in meinem Herzen?

      Sie spürte ein irres Lachen in ihrer Kehle aufsteigen. Was passierte hier nur?

      Isabelle zog die Unterlippe zwischen die Zähne und kaute darauf herum. »Ich kenne solche Typen! Wetten, der lässt das Mädel eiskalt fallen, wenn er seinen Spaß mit ihr gehabt hat?«

      Mila richtete den Blick in die Ferne, wo das Centre Pompidou lag und so bunt leuchtete wie die Gebäude auf Isabelles Bildern. Den Eiffelturm konnte man von hier aus nicht erkennen. Er befand sich weiter rechts, verdeckt durch den Hügel und die Bäume. Was eigentlich auch egal war, Mila hätte in diesem Moment sowieso keinen Blick für ihn gehabt. Die Welt verschwamm, weil ihr völlig grundlos Tränen in die Augen schossen. Wütend auf sich selbst wischte sie sich über die Lider.

      Verdammt, was war das denn nun schon wieder?

      Isabelle legte ihr eine Hand an die Wange und zwang sie so, sie anzuschauen. »Warum hat dich dieser Kerl so beeindruckt, Mila?«

      Mila lauschte in sich hinein, bevor sie antwortete. »Ehrlich? Ich weiß es nicht. Ich …«

      »Du wirst dich in mich verlieben, wenn du dich nicht von mir fernhältst?« Isabelle imitierte Nicholas’ dunkle Stimme. »Also echt, Mila! Der hat doch zu viel Twilight geguckt! Vermutlich denkt er, dass so was die Mädchen anmacht. Bei dem