Nina Kayser-Darius

Kurfürstenklinik Paket 1 – Arztroman


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nicht wohl.

      »Tun Sie das. Ich werde mich gleich um Frau Merbold kümmern.«

      Adrian veranlaßte, daß Verena sofort in ein Untersuchungszimmer gebracht wurde. Sie verabschiedete sich von dem hilfsbereiten Ulrich Tönnissen und drückte ihm einen Umschlag in die Hand, den sie schon im Hotel in Timmendorf für ihn vorbereitet hatte.

      »Danke, daß Sie sich so nett um mich gekümmert haben«, sagte sie.

      »Das war doch klar«, murmelte er verlegen. »Ich… ich wünsche Ihnen nur das Beste. Und baldige Besserung.«

      »Danke.«

      »So, dann wollen wir mal.« Adrian war hinzugekommen. »Wir können gleich mit den Untersuchungen beginnen. Kommen Sie, ich bringe Sie rüber.«

      Sie waren noch nicht zwanzig Meter weit, da sagte Verena: »Ich muß erst wissen, was mit Mathias ist, Herr Doktor. Vorher finde ich doch keine Ruhe.«

      »Eben war ich bei ihm. Es geht ihm recht gut – soweit es einem Menschen nach einer so schweren Operation überhaupt gutgehen kann«, fügte er einschränkend hinzu.

      »Ich möchte zu ihm.«

      Adrian Winter zögerte. Am liebsten wäre ihm gewesen, er hätte die Patientin erst einmal umfassend untersuchen können. Doch er sah ein, daß Verena Merbold keine Ruhe hatte, ehe sie sich nicht selbst vom Wohlbefinden ihres Freundes überzeugt hatte.

      »Also gut. Ich bringe Sie selbst hoch zur Intensivstation.«

      Im Lift gestand ihm Verena, was sie bewogen hatte, vor etlichen Tagen heimlich die Klinik zu verlassen – und auch Mathias im Stich zu lassen, ohne ihm zu sagen, was mit ihr los war.

      Der Arzt hörte kopfschüttelnd zu. »Sie haben wohl sehr wenig Vertrauen zu Ihrem Partner, was?« fragte er provozierend. »Stellen Sie sich vor, es wäre umgekehrt gewesen. Wie hätten Sie reagiert?«

      Als sie nicht antwortete, fuhr er fort: »Schauen Sie, eine Liebe, die nur an Sonnentagen Bestand hat, kann wirklich nicht die wahre Erfüllung sein. Sie selbst sind doch auch sofort hergekommen, als Sie erfahren haben, daß Ihr Freund schwer verunglückt ist. Haben Sie auch nur eine Minute darüber nachgedacht, daß er eventuell eine entstellende Narbe davongetragen haben könnte? Haben Sie ihn weniger lieb, nur weil er krank ist?«

      Verena schluchzte auf.

      »Ich weiß ja, daß ich völlig überzogen reagiert habe. Ich… ich verstehe es eigentlich selbst nicht mehr.«

      »Sie haben mit Ihrem Leben gespielt.« Adrian zögerte, dann fügte er hinzu: »Aber das ist Schnee von gestern. Sie sind hier, und ich verspreche Ihnen, daß wir alles tun werden, um Ihnen optimal zu helfen.« Er schob den Rollstuhl bis vor die Schleuse der Intensivstation. »Können Sie ein paar Schritte gehen?« fragte er.

      Verena nickte. »Natürlich. Es geht schon wieder ganz gut.« Sie stemmte sich hoch, und Adrian half ihr in den sterilen Kittel, den jeder, der den Bereich der In­tensiv-Station betrat, anlegen mußte.

      Der Arzt hatte zwar Bedenken, daß es Verena überanstrengen könnte, ihren Freund hier so elend liegen zu sehen, doch ihm war auch klar, daß er es ihr gar nicht hätte ausreden können.

      Und dann standen sie an der Kabine, in der Mathias Kehlmann lag. Er wurde nicht mehr künstlich beatmet, nur zwei Infusionen waren angehängt, und einige Meßgeräte, mit denen er verbunden war, zeichneten alle Körperfunktionen auf. Verena sah ihn nur an, und dann liefen Tränen über ihr Gesicht. Sie weinte ganz leise, und Adrian sah, daß sie sich die Lippen blutig biß.

      Doch von einer Sekunde zur anderen hatte sie sich wieder gefangen. Sie ging auf das Bett zu und ließ sich auf dem kleinen Hocker, der davor stand, nieder.

      »Mathias… ich bin da!« Vorsichtig streichelte sie seine Hand. Sie hätte ihn gern geküßt, doch der Kopfverband, den er trug, hinderte sie daran. Irgendwie hatte sie Angst, daß sie ihm weh tun könnte.

      »Sie können ihn ruhig küssen.« Adrian lächelte aufmunternd. »Das soll eine ganz besonders gute Medizin sein.«

      Da beugte sie sich vor und bedeckte das Gesicht des geliebten Mannes mit unzähligen Küssen. »Ich war so dumm, Mathias«, flüsterte sie dabei. »Ich bin davongelaufen, weil ich Angst hatte. Angst um dich, um mich… um unser Glück. Kannst du mir verzeihen? Jetzt bin ich sicher, daß alles gut werden wird.«

      Mathias Kehlmann reagierte nicht. Völlig apathisch lag er da, und Verena begann schon zu verzweifeln. Hilflos sah sie zu Dr. Winter hinüber, der vor der Kabine auf sie wartete.

      Der Arzt nickte ihr aufmunternd zu. »Sprechen Sie ruhig weiter, ich bin sicher, er hört sie. Und er spürt, daß Sie da sind.«

      Das konnte Verena einfach nicht glauben. Aber… sie beugte sich nochmals über Mathias und sagte dicht an seinem Mund: »Ich liebe dich, mein großer Bär. Und ich will dich heiraten – sobald wir beide aus dieser Klinik hier entlassen werden.«

      »Du… bist auch krank?« Seine Worte waren nur ein Flüstern, doch endlich schlug Mathias die Augen auf und sah Verena an.

      Seine Hand tastete suchend über die Bettdecke, und erst als sie ihre Finger in die seinen legte, als sie seinen leichten Druck spürte, wagte sie zu glauben, daß er wirklich alles mitbekam.

      »Ich muß auch operiert werden, ja.« Sie zwang sich zu einem kleinen Lächeln. »Es ist da was in meinem Bauch… ein Aneurysma. Dr. Winter meint, es ließe sich leicht entfernen. Aber ich hatte Angst davor. Angst, danach nicht mehr vollkommen schön zu sein. Dumm war ich, nicht wahr?« Mit Tränen in den Augen beugte sie sich wieder über ihn.

      Mathias’ blasses Gesicht belebte sich ein wenig. »Ich… ich liebe dich. Immer. Auch mit Narbe.« Ein kleiner Schimmer des jungenhaften Lächelns, in das sie sich einmal verliebt hatte, lag in seinen Augen. »Küß mich. Das ist Medizin.«

      Sie kam der Aufforderung nur zu gern nach.

      Dr. Winter hielt es nach zehn Minuten jedoch für angeraten, die beiden Liebenden wieder zu trennen. »Es tut mir leid, daß ich stören muß«, sagte er, »aber Herr Kehlmann braucht dringend Ruhe, und Sie, Frau Merbold, werden jetzt von mir und meiner Kollegin Martensen ausgiebig untersucht.«

      Ein letzter Kuß, ein letzter Blick – dann verließen Verena und Dr. Winter die Intensivstation.

      »Wird er es auch wirklich schaffen?« Draußen auf dem Flur gab Verena ihren Ängsten Raum.

      »Natürlich. Er hat die kritische Phase schon prima überwunden. Ich bin davon überzeugt, daß er in zehn Tagen bereits wieder durch die Klinik spazieren wird.«

      Sie wollte ihm so gern glauben! So, wie sie ihm glauben wollte, daß er auch ihr helfen konnte!

      Dennoch klopfte ihr Herz wie wild vor Aufregung, als sie das Untersuchungszimmer betraten und gleich darauf auch die Internistin Julia Martensen hinzukam, um mit der ersten umfassenden Untersuchung zu beginnen.

      *

      »Jede Stunde zählt.« Dr. Adrian Winter sah sich im Kreis der Kollegen, die zusammen mit ihm den Eingriff an Verena Merbold vornehmen würden, um. »Ich denke, wir haben keine Zeit mehr, unsere Patientin optimal vorzubereiten. Jeden Augenblick kann es zur Katastrophe kommen.«

      Julia Martensen nickte zustimmend. »Ich bin sicher, daß die Aderwand nur noch hauchdünn ist und jederzeit platzen kann. Was dann passiert, weiß jeder hier genau.«

      Das stimmte. Man mußte keinem Mitglied des OP-Teams erklären, wie kritisch die Situation werden würde, wenn so ein Aneurysma platzte. Die betroffenen Patienten konnten innerhalb weniger Minuten verbluten.

      »Ich schlage vor, wir operieren noch heute abend.« Dr. Winter sah sich in der Runde um. »Hat jemand Bedenken?«

      Bernd Schäfer grinste. »Höchstens unser Verwaltungschef, weil du mal wieder alle Pläne durcheinanderwirbelst.«

      Adiran zuckte die Schultern. »Damit kann ich sehr gut leben.«

      So