Daphne Niko

DAS ORAKEL


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habe versucht, ins Labor zu gehen, aber der Code funktionierte nicht. Wissen Sie, warum?»

      «Wir hatten in der Nacht ein paar ungebetene Besucher. Wahrscheinlich dieselben Unruhestifter, die ins Museum eingebrochen sind. Ich musste den Code ändern.»

      Evan blinzelte schnell. Hinter seinen dicken Brillengläsern wirkten seine rabenschwarzen Augen riesig. «Warum wurde ich nicht darüber informiert?»

      Daniel war vorsichtig, was er in Evans Nähe sagte. Es war offensichtlich, dass ein Insider den Plünderern Informationen zukommen ließ. Bis Daniel bestimmt hatte, wer das war, vertraute er niemandem. «Tja, ich sage es Ihnen jetzt.» Er kritzelte den neuen Code auf ein Stück Papier. «Ich treffe Sie dort in einer halben Stunde. Ich habe ein paar Fragen an Sie.»

      Evan machte Anstalten, etwas zu sagen, nickte aber stattdessen und ging davon.

      Daniel verschloss die Tür und ging ins Badezimmer, um zu duschen. Die Anspannung der letzten sechsunddreißig Stunden begann, ihn zu zermürben. Er musste seine Systeme neu starten. Doch selbst als er unter dem warmen Wasserstrahl stand, entkam er seinen eigenen Gedanken nicht.

      Es begann mit einem Flugzeugabsturz.

      Die Erinnerung an jenen Spätnovembertag war unauslöschlich. Sogar jetzt sah er das rote Blinklicht aus dem Cockpit – das erste Warnsignal – immer wieder vor sich. Manchmal suchte es seinen Wachzustand heim, andere Male schreckte es ihn aus dem Schlaf. Es erschien, wenn er Gefahr spürte, und tauchte seinen Verstand in die Farbe von Blut. Er konnte es genauso wenig abschütteln, wie er die verzweifelten Mayday-Rufe des Piloten vergessen konnte, als die Steuerung ausfiel.

      Er war der einzige Passagier in Sir Richard Westons Privatflugzeug gewesen, unterwegs von London nach New York City, als es vom Himmel fiel. Die Maschine tauchte mit dem Bug voran in das graue Wasser des Atlantik, mit einer solchen Geschwindigkeit, dass er spüren konnte, wie die G-Kräfte drohten, ihm die Augen aus den Höhlen zu drücken. Er erinnerte sich daran, dass seine Sicht verschwamm, als weiße Nebelfäden vor ihm vorüberzogen. In diesem unwirklichen Augenblick dachte er, sie wären die Flügel von Engeln, die gekommen waren, um ihn mit sich zu nehmen.

      Er war sich sicher gewesen, dass er sterben würde. Aber das war nicht das Schlimmste. Er wusste mit aller Überzeugung, dass das Flugzeug sabotiert worden war, und er wusste auch, wer es getan hatte. Und Sarah, gerade auf dem Weg nach Israel, würde wahrscheinlich in eine ähnliche Falle tappen. Er hatte keine Möglichkeit, sie zu warnen, und das bedauerte er mehr als alles andere.

      Es war das erste Mal, dass er gebetet hatte, einen Handel mit Gott abschloss. Wenn ich es lebend hier raus schaffe, schwor er, dann werde ich sicherstellen, dass Trent Ashworth und dieses Stück Scheiße, das sein Vater ist, für das, was sie getan haben, ihrer gerechten Strafe zugeführt werden, und wenn ich diese selbst vollstrecken muss.

      Große Wellen schaumigen Wassers schlugen gegen sein Fenster und das Flugzeug erzitterte wie ein Presslufthammer, der auf eine Stahlplatte trifft. Er kam ihm so vor, als ob er durch einen grauen Strudel wirbelte. Sein Sitz, in dem er noch immer festgeschnallt war, löste sich durch die Gewalt des Aufpralls aus seiner Verankerung, wurde unkontrolliert durch die Metallkabine geschleudert und prallte vorn gegen das Flugzeug. Warmes Blut tropfte ihm in die Augen. Seine Sinne begannen zu schwinden. Als Letztes sah er noch, wie die wogenden Wellen des Atlantik durch ein klaffendes Loch an der Stelle, an der einmal das Heck gewesen war, in die Kabine drangen.

      Wie er auf die Tragfläche gekommen war, würde er nie erfahren. Er erinnerte sich nur daran, unter einem stählernen Himmel aufgewacht zu sein. Seine Knochen schmerzten, als wären sie in einem Schraubstock zerquetscht worden, und seine Zähne klapperten vor Kälte. Er roch versengtes Metall und Flugzeugbenzin, ein Geruch, der sich für immer in sein olfaktorisches Gedächtnis eingebrannt hatte.

      Er war verletzt, aber er war am Leben. Selbst wenn es seinen letzten Atemzug kostete, er würde sein Versprechen halten.

      Daniel strich seine nassen Haare zurück und ließ sich das warme Wasser der Dusche aufs Gesicht prasseln. Wenn es doch nur die Erinnerungen wegwaschen könnte, die ihn quälten. Die Schuld fortspülen.

      Es war ein Wunder, dass er überlebt hatte. Englische Fischer fanden ihn, gutmütige Kerle, denen es nichts ausmachte, ein Geheimnis für sich zu behalten. Sie brachten ihn zur englischen Küste zurück und er machte sich auf den Weg nach London. Sein erster Anruf galt Sir Richard.

      Sarahs Vater, der sich zu dieser Zeit auf diplomatischer Mission in Usbekistan befand, war erstaunt, von ihm zu hören. «Grundgütiger, Madigan. Wir haben alle geglaubt, Sie wären umgekommen.»

      «Ihr Jet ist nicht zufällig abgestürzt, Richard. Ich weiß, wer dahinter steckt. Sagt Ihnen der Name Trent Ashworth irgendetwas?»

      «Der neue Bursche, der Judah Oil and Gas leitet? James Ashworths Sohn? Hat was von einem Fanatiker. Wir beobachten die Situation in Jerusalem.»

      «Trent und sein Vater haben Ihr Flugzeug sabotiert. Ich kann es beweisen.»

      Am anderen Ende der Leitung entstand eine lange Pause. «Ich erhielt einige Nachrichten von Sarah, die recht aufgelöst klangen. Sie sagte, sie sei auf dem Weg nach Jerusalem. Ist sie irgendwie in Gefahr?»

      «Herrgott.» Daniel rieb sich die brennenden Augen. «Wir müssen schnell handeln. Ich brauche Zugang zum Hangarvideo … und einen Insider, der mir helfen kann, einen Fall von internationaler Verschwörung zu bestätigen.»

      «Sie sollten James Langham anrufen. Wir sind zusammen im Joint Intelligence Committee. Er war früher beim MI5 und verfügt über Mittel, von denen Sie und ich nur träumen können. Ich werde ihm ankündigen, dass Sie sich melden.»

      «Seien Sie vorsichtig, was Sie sagen.» Daniel senkte seine Stimme zu einem Flüstern. «Wenn das funktionieren soll, dann darf niemand wissen, dass ich am Leben bin. Nicht einmal Sarah.»

      Sein erstes Treffen mit James Langham fand in einer unscheinbaren Wohnung in Islington statt, wo Regierungsgrößen sich heimliche Rendezvous gaben. Langham entsprach nicht den Bilderbuchvorstellungen eines Mannes von Macht. Er hatte die Größe eines Jockeys, mit viel zu viel Fleisch für seinen Körperbau und einer Mähne aus zerzaustem, weißem Haar. Sein Anzug sah aus, als hätte er darin geschlafen, und der obere Knopf seines Hemds war geöffnet, um den rosafarbenen Speckrollen, die unter seinem Kinn hervorquollen, Platz zu schaffen.

      Aber das Glitzern in seinen überwachsamen grünen Augen legte nahe, dass er die Jagd genoss. Und so war es auch.

      Langham hatte schon über Trent Ashworths fragwürdigen Aufstieg ans Ruder von Judah Oil and Gas Bescheid gewusst, und auch darüber, dass sein Vater eine geheime Verabredung mit den Israelis zum Verkauf von Flugzeugabwehrsystemen und Informationen geschlossen hatte, eine Aktion, die leicht zum Krieg in der Region hätte führen können. Eine heikle Lage, die im Begriff war, sich zu einer deutlichen und augenblicklichen Gefahr zu entwickeln. Bis dahin konnte Joint Intelligence den Ashworths nichts Illegales anhängen, daher war Daniels Behauptung, Beweise über ihre kriminellen Aktivitäten zu besitzen, genug, um Langham dazu zu veranlassen, einen ganzen Tag voller Meetings abzusagen und nach Islington zu fahren.

      Daniel spielte Langham das Video aus dem Hangar vor, das einen kahlköpfigen Techniker mit hellblauen Augen dabei zeigte, wie er an Sir Richards Flugzeug arbeitete. Es war derselbe Mann, der an Harry Ashworths – Trents Bruder – Maschine gearbeitet hatte, bevor deren Systeme bei einem Flug über Schottland ausgefallen waren. Dann erzählte Daniel Langham von dem Zeugen, der seine Geschichte untermauern würde, und beobachtete, wie sich die Lippen des beleibten Mannes zu einem schmalen Lächeln verzogen.

      «Wenn es wahr ist, was Sie sagen, haben Sie der Krone soeben einen großen Dienst erwiesen.»

      «Das mag sein, aber ich habe es aus anderen Beweggründen getan. Richard Westons Tochter ist in Gefahr. Sie ist in Israel und Trent Ashworth ist hinter ihr her. Ich brauche Ihre Hilfe, um zu ihr zu gelangen, bevor er es tut.»

      Langham lehnte sich in seinem Ohrensessel zurück und klopfte die Finger aneinander. «Vielleicht gäbe es da etwas, das wir tun könnten.» Er studierte Daniels Gesicht für einen langen