Roland Lazenby

Kobe Bryant


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– er musste nicht mein Händchen halten und ich nicht seines. Jeder von uns hatte seinen eigenen Führungsstil.“

      Trotz allem, Bryants Selbstbewusstsein in seinem zweiten Jahr war unerreicht. Griffin sah aber darüber hinweg und lernte schnell neue Facetten der Persönlichkeit seines Freundes kennen. Unter all dem überlegenen Gehabe steckte eine Sensibilität, die allerdings von seiner Einstellung, alles selbst machen zu wollen, überschattet wurde. „Ich habe sicherlich eine Seite an ihm kennengelernt, die andere nie zu Gesicht bekommen haben“, sagt er.

      „In vielerlei Hinsicht war Bryant wie jeder andere“, meint Griffin, außer dass er ein Alphatier war auf dem Weg ein Weltklassebasketballer zu werden.

      Evan Monsky, ein anderer Teamkollege damals, pflichtet Griffin bei, dass Kobe nur ein heranwachsender Junge war, der versuchte seinen Platz in dieser manchmal recht komplizierten Welt der Highschool zu finden.

      Bald schon würde dieses ungezwungene Leben dem Ruhm weichen und Bryant sich diesem hingeben, so wie es jeder Teenager machen würde. Sein zweites Jahr war das letzte, in dem er seine jugendliche Unbedarftheit und Freiheit, die ein Amateur eben genießt, auskosten konnte, bevor ihn das Leben, nach dem er sich so sehnte, einholte und wegtrug.

      „In der Highschool machten wir immer Witze, spielten anderen Streiche und solche Sachen“, erinnert sich Griffin. „Wenn man zur Schule geht, gibt es immer Tage, an denen du lieber nicht gehen willst. Tage, an denen du dir eine kleine Auszeit nehmen willst. Wir gingen gerne zur Schule, doch es gab auch Zeiten, da wollten wir mal raus und was essen gehen oder uns eine kleine Pause genehmigen, einfach nur kurz weg und Musik hören oder so.“

      Zusammen schlichen sie sich aus der Schule und zusammen besuchten sie auch den Englischunterricht bei Jeanne Mastriano, einer jungen Lehrerin mit Brille, die einen Hauch Gegenkultur ausstrahlte. „Sie war eine meiner Lieblingslehrerinnen“, sagt Griffin. „Sie hatte einfach etwas. Dass ich in ihrer Klasse war, hat mich verändert und gab mir eine Perspektive, was das Schreiben, Leben, Reden und Lesen anbelangte. Es hob mich auf ein ganz neues Level.“

      „Wir schrieben viel in der zehnten Klasse“, erinnert sich Mastriano 2015. „Eine Menge freies Schreiben, einfach nur Gedanken und Ideen rauslassen – sowohl die Guten, als auch die nicht so guten.“

      Schreiben bedeutete Griffin wirklich viel, vor allem in Bezug auf seine Erinnerungen an Far Rock, genauso wie es Bryant half, sein eigenes Leben genauer unter die Lupe zu nehmen – so sehr, dass er Mastriano 2015 sogar als seine „Muse“ bezeichnete, worüber sich seine ehemalige Lehrerin sehr amüsierte, wurde sie doch damit einer „Halbgöttin“ gleichgesetzt. „Eine Muse, eine der neun göttlichen Schwestern der Inspiration, verstehen Sie?“, erzählte sie einem Radiojournalisten. „Zu seiner Zeit an der Highschool hat er mich nie so bezeichnet, doch wir hatten immer ein gutes Verhältnis. Trotz der ganzen Wochenenden, die er beim Basketball verbrachte, hatte er immer seine Hausübungen, er war sehr diszipliniert“, erinnerte sie sich.

      Die Disziplin hatte er von Pam, sagen Familienfreunde. Disziplin war ein wichtiges Element in ihren Bemühungen, das sich ständig verändernde Umfeld ihres Sohnes einigermaßen zu kontrollieren.

      Auch wenn sich Bryant bei seinen schulischen Pflichten nicht annähernd so hineinsteigerte wie beim Basketball, so erkannte Mastriano seinen Hunger nach Wissen. „Für ihn ist Lernen etwas, das ihn stärker macht. Er ist ein aufmerksamer Zuhörer“, meinte sie 2014 einmal.

      Mastriano benotete Griffins und Bryants schriftliche Arbeiten und drängte die beiden, sich die Frage zu stellen, was sie mit ihren schriftlichen Werken bezwecken wollten, um ihnen einen tieferen Sinn zu geben.

      „Kobe schrieb immer über Basketball“, sagte sie. „Er sprach immer darüber, ein professioneller Basketballer zu werden.“ Bryant hatte schon seit längerem eine gewisse Affinität fürs Schreiben, vor allem von Gedichten, gehabt, was Kobes Großvater, Big Joe, sehr freute. Über die Jahre hinweg hatte Big Joe oft über all die Dinge gestaunt, die ihm sein Enkelsohn gezeigt hatte, und immer wieder gesagt, dass Kobe so viel Talent in den verschiedensten Bereichen besaß und er vielleicht darüber nachdenken sollte, etwas anderes als Basketball zu machen. Doch Jellybean und sein Sohn waren so in der Welt des Basketballs verloren, dass es nie wirklich dazu kam.

      Der Rapper

      Die Möglichkeit seine Gedanken zu Papier zu bringen, war etwas, an dem sich der junge Bryant außerhalb des Basketballcourts festhalten konnte. Ein Weg sich mit seiner Identitätskrise auseinanderzusetzen, war, die afroamerikanische Kultur seiner Eltern genauer zu erkunden.

      Seltsamerweise fand er einen Schlüssel, der ihm das Tor zu dieser Kultur eröffnen konnte, im jüdischen Gemeindezentrum auf der City Avenue, im vorstädtischen Wynnewood. Joe, sein Vater, arbeitete dort als Fitnessdirektor – einer seiner vielen kleinen Jobs, die er hatte, um wieder Geld zu verdienen, nachdem er nicht länger Profi war. Daneben arbeitete er noch an der Lower Merion als Assistenztrainer sowie als Trainer der Mädchenschulauswahl an einer jüdischen Privatschule in Wynnewood, Akiba, wo er sehr beliebt war. „Er war phänomenal“, erinnert sich Jeremy Treatman, damals Coach der Burschen der Akiba Schulauswahl.

      Treatman erinnerte sich auch an Kobe als Teenager, als er öfters mit seinem Vater zu den Trainingseinheiten mitkam und etwas abseits an einem eigenen Korb sein Ausnahmekönnen zeigte. So spielte kein Teenager.

      Treatman fragte Joe einmal, ob er in Kobes Alter auch so gut gewesen war.

      „Nicht einmal annähernd“, antwortete Joe lachend. „Wirklich?“, sagte Treatman staunend.

      „Glaub mir“, sagte Joe. „Er ist weitaus besser als ich in seinem Alter. Sieh ihn dir doch an.“

      Abgesehen vom Basketball war das jüdische Gemeindezentrum auch der Ort, wo Kobe jemanden kennenlernen würde, der einen starken Einfluss auf sein Teenagerleben haben sollte. In der Zeit, in der Vater und Sohn in der Sporthalle dieses Zentrums trainierten, machte Kobe Bekanntschaft mit dem etwa sechzehnjährigen Anthony Bannister, einem der dortigen Hauswarte. Bannister war ein Experte, was Rapmusik betraf, von den guten alten Klassikern des Genres bis hin zur neu aufblühenden Welle schwarzer Musik – Hip-Hop, R&B, diese wirbelnden Wortkaskaden basierend auf Wut, Machoverhalten und Bling, die die Fantasien der Jugend rund um den Globus für über ein Jahrzehnt prägten. Dieses Dauerfeuer an gesprochenen Worten beim Rap gefiel dem jungen Poeten in Kobe.

      Aufgrund seiner Freundschaft zu Kobe geriet auch Griffin immer mehr in den Sog des jüdischen Gemeindezentrums und der „Bannister Experience“, die auch andere Personen, die versuchten sich einen Namen in der Rapperszene Philadelphias zu machen, miteinschloss.

      „Er hatte sicherlich einen gewissen Einfluss“, erinnert sich Griffin an Bannister. „Er war ein cooler, entspannter Typ, der Musik liebte, gerne schrieb und andere unterhielt. Er war vielleicht ein paar Jahre älter als wir.“

      „Der Typ ist unglaublich“, sagte Kobe zu Griffin. „Er konnte rappen“, erinnert sich Griffin an Bannister. „Er war einfach gut darin, Dinge in Worten auszudrücken.“

      Bannister führte Bryant in dieses Genre ein, zeigte ihm, wie man Beats und Teile von Liedern sampelt, dann seine eigenen Worte und Ideen darüberlegt, Sachen einfach neu und originell verwendet und Teile von verschiedenen Songs einander gegenüberstellt.

      „Kobe war vierzehn, dünn und drahtig, aber leidenschaftlich und entschlossen“, erklärte Bannister einmal dem Autor Thomas Golianopoulos. Im Gegenzug bedankte sich Bryant bei Bannister damit, dass er seine neusten Tricks am Platz an ihm ausprobierte.

      Die nächste Station für sein neu gefundenes Interesse an Musik war eine Gruppe ähnlicher Gestalten in der Schulkantine der Lower Merion, die ihre Zeit mit Freestyling verbrachten und einfach Texte und Beats raushauten und sich mit anderen Rappern maßen. Dort war es auch, wo Bryant jemand anderen Wichtigen kennenlernte, und zwar Kevin „Sandman“ Sanchez. Bryant hatte ihn mit einem Reim beeindruckt, in dem er als Cyborg gegen MCs kämpfte. Griffin erinnert sich: „Es kam nicht selten vor, dass andere ihm vorwarfen aus einer privilegierten Familie zu kommen und er deshalb über