Beihilfe zum Mord an dem jungen italienischen Studenten und Kommunisten Massimo Gizzio und wegen Kollaboration zu 20 Jahren und 8 Monaten verurteilt. Nach rund einem Jahr Gefängnis kommt er aufgrund einer Generalamnestie im Juni 1947 frei.66
Massimo Uffreduzzi beginnt daraufhin ein Studium der Politikwissenschaften an der Universität Rom. Politisch engagiert er sich im neofaschistischen Studentenverband und im neugegründeten Movimento Sociale Italiano (MSI). Schon bald entdeckt der überzeugte Faschist den Journalismus, über rechte Gesinnungsfreunde landet er 1950 schließlich bei der Nachrichtenagentur Telegraph, für die er danach Jahrzehnte lang tätig sein wird, unter anderem auch als Direktor. Heute weiß man, dass diese Agentur sowohl vom amerikanischen als auch vom italienischen Nachrichtendienst mitfinanziert wurde.
Massimo Uffreduzzi wird uns noch mehrmals in diesem Buch begegnen, doch zum ersten Mal in Erscheinung tritt er eben 1948, als er auf Erich Bertol trifft. Bereits beim diesem Treffen am Ritten lädt Uffreduzzi den Südtiroler zu sich nach Rom ein. Ende April 1950 taucht Bertol dann plötzlich tatsächlich bei Uffreduzzi auf. Als dieser ihm seine Presseagentur zeigt, erklärt Bertol, dass auch er unbedingt als Journalist arbeiten möchte. Uffreduzzi stellt Bertol seinem damaligen Chef vor und man wird handelseinig. Der junge Bozner soll als eine Art Korrespondent für die Schwesteragentur Mercury tätig werden. Und so bekommt Bertol wenig später einen offiziellen Presseausweis der Mercury. In einer schriftlichen Sachverhaltsdarstellung erinnert sich Massimo Uffreduzzi drei Jahre später so:
Bertol schickte mir dann auch einige Artikel, aber es war nichts Gescheites dabei. Er war aber sehr großzügig zu mir, er zahlte mir Essen und er lieh mir auch Geld. Später stellte er mir dann auch Gianni Sostero vor als ebenfalls einen, der als Journalist Karriere machen will. Weil er so freundlich war, habe ich auch diesem einen Journalisten-Ausweis der Mercury besorgt.67
Wie wir uns erinnern, ist Gianni Sostero identisch mit Hans Morandell. Morandell alias „Korsičan“ und Erich Bertol als „Sizunk“ sind zu diesem Zeitpunkt längst für den StB tätig und froh über das perfekte Cover, das die Nachrichtenagentur Mercury für sie und ihre Arbeit bildet. Für Journalisten gehören sowohl Auslandaufenthalte als auch hartnäckige Recherchen zum Alltagsgeschäft. Als Mitarbeiter einer Presseagentur können sie jeden ihrer Schritte rechtfertigen, zudem eröffnet ihnen der Presseausweis so manche Tür. Offiziell arbeiten beide ab 1950 zusammen für die römische Nachrichtenagentur. Als Hans Morandell 1952 seinen Pass verlängert, gibt er als Beruf „Korrespondent“ an.68
Doch das Interesse der beiden Südtiroler Agenten gilt auch der Person Massimo Uffreduzzi. Der römische Journalist mit besten Kontakten zu höchsten Militärkreisen wäre der ideale Zuträger für ihr Agentennetz. Morandell und Bertol suchen in den Monaten danach immer wieder den Mann in Rom auf. Es ist „Sizunk“, der Anfang 1951 Uffreduzzi das Angebot macht, dass er mit Nachrichten einiges an Geld verdienen könnte. Bertol sagt ganz offen, dass die Nachrichten für die tschechoslowakische Staatssicherheit bestimmt sind. Uffreduzzi beginnt erste Berichte zu schreiben und erhält im April 1951 von Bertol das erste kleine Honorar. Da „Sizunk“ Uffreduzzi anfänglich nur als Zuträger halten will, dem er für wenig Geld gute Nachrichten abkauft, um diese dann um weit mehr Geld dem StB weiterzuverkaufen, kommen sich Hans Morandell und Uffreduzzi schnell näher. „Korsičan“ erkennt das Potenzial, das der römische Journalist und Rechtsextremist für den StB hat. Im Mai 1951 zahlt „Korsičan“ Uffreduzzi einen Wien-Besuch und wirbt ihn dabei als Zuträger an. Uffreduzzi sagt zu und beginnt erste Berichte über Flughäfen in Jugoslawien, Griechenland und die Türkei, aber auch zu verschiedensten Bereichen im italienischen Heer zu liefern. Massimo Uffreduzzi wiederum hat ein ganzes Heer an Informanten, die ihm und seiner Agentur zuarbeiten. Da er als Journalist auch für militärische Publikationen tätig ist, schafft er es, äußerst schnell zu geheimen und sensiblen Informationen zu kommen. Bereits im Spätsommer 1951 liefert er die Aufmarschpläne und die ersten Befehle zur Grenzsicherung im Kriegsfall an „Korsičan“. Anfang Oktober 1951 übergibt er eine Liste möglicher Informanten aus dem italienischen Generalstab, dem Verteidigungsministerium und dem Obersten Hauptquartier der Alliierten Streitkräfte in Europa, dem „Supreme Headquarters Allied Powers Europe“ (SHAPE) in Paris. Der Tenor des Schreibens: Diese Quellen stünden zur Verfügung, wenn genügend Geld da sei.69 Der StB merkt, dass man hier einen dicken Fisch an der Angel hat. „Korsičan“ erhält den Auftrag, Uffreduzzi in die ČSR zu bringen. Mitte Oktober 1951 ist es soweit. Massimo Uffreduzzi fährt zu Hans Morandell nach Wien. Dieser bringt ihn am 16. Oktober 1951 in Niederösterreich über die Grenze ins tschechische Valtice. Dort wird der römische Journalist zwei Tage lang von zwei StB-Leuten auf Herz und Nieren geprüft. Am 17. Oktober unterschreibt Massimo Uffreduzzi in Valtice eine Verpflichtungserklärung, für den StB zu arbeiten. Es sind wenige handschriftliche Zeilen auf Italienisch:
Ich erkläre hiermit, freiwillig mit dem tschechoslowakischen Geheimdienst zusammenzuarbeiten, und verpflichte mich, die Aufträge zu erfüllen, die ich erhalte.70
Der neue Agent erhält den Decknamen „Hrabec“, was auf Slowakisch „Graf“ heißt. Mit Massimo Uffreduzzi betritt im Gegensatz zu den Südtiroler Agenten ein Vollprofi die Bühne: nachrichtendienstlich ausgebildet und mit Arbeitserfahrung in der SS-Geheimpolizei SD. Schon bei seiner Anwerbung macht Agent „Hrabec“ deshalb unmissverständlich klar, dass er das italienische Informantennetz völlig umbauen und in Zukunft leiten will. Bei seinem ersten Treffen mit den StB-Führungsoffizieren in Valtice gibt er die Namen von 14 Personen an, die ihm als Informanten dienen, dazu jeweils einen Decknamen, unter dem diese kommunizieren sollen. Im Zuge dessen ändert er kurzerhand auch jene Namen ab, die Erich Bertol, Hans Morandell, Franz Flies und Edgar Meininger bisher gebraucht haben. Erich Bertol heißt jetzt „Silvio“, Hans Morandell „Secondo“, Franz Flies „Pietro“, Edgar Meininger „Edi“ und für sich selbst wählt Massimo Uffreduzzi den Namen „Max Primo“.71
Mit der Anwerbung Uffreduzzis verschieben sich die Gleichgewichte innerhalb des gesamten Netzwerks deutlich. „Hrabec“ wird zu einem der wichtigsten Anlaufpunkte der gesamten Truppe. So pilgern ab 1952 auch Edgar Meininger („Pedel“) und Franz Flies („Puzzi“) mehrmals zu ihm nach Rom, um Dokumente abzuholen oder Anweisungen zu übergeben. „Hrabec“ professionalisiert das Netzwerk deutlich. Er legt schon bald einen konkreten Plan vor, Außenstellen der Presseagentur Mercury in Barcelona und Lissabon zu eröffnen. In Barcelona wirbt er mit Salvatore Morelli einen Informanten an, der ihm periodisch militärische Nachrichten aus Spanien schickt. Zudem will Uffreduzzi, dass der StB die Finanzierung der Mercury übernimmt, doch dazu kommt es letztlich nicht. Dabei öffnet die Agenturarbeit so manche Tür: 1951 wird als oberstes Organ der NATO der Nordatlantikrat „North Atlantic Council“ (NAC) geschaffen, der am 24. November 1951 in Rom seine 8. Sitzungssession beginnt. „Hrabec“ gelingt es, sich als Pressevertreter akkreditieren zu lassen. Ende November 1951 übermittelt er dem StB bereits mehrere Berichte, aber auch interne Dokumente aus dem NAC. Bereits im Februar 1952 reist der StB-Agent zum nächsten Treffen des Rates nach Lissabon und auch aus Portugal schickt „Hrabec“ mehrere Berichte an den ČSR-Nachrichtendienst.72
Massimo Uffreduzzi alias „Hrabec“: Fotos von seinem Aufenthalt in der Tschechoslowakei.
Der geheime Kodex
Im Herbst 1951 nehmen die Konflikte innerhalb des StB-Netzwerks deutlich zu. Nachdem Erich Bertol alias „Sizunk“ mehrmals Uffreduzzi zugesagte Geldsummen aus Brünn nur teilweise oder gar nicht übergibt, bootet er jenen Mann, der ihn zum StB gebracht hat, kurzerhand aus. „Hrabec“ verlangt, dass er nur mehr über Hans Morandell alias „Korsičan“ mit dem StB kommuniziert. „Sizunk“ soll aus Italien abgezogen werden. Uffreduzzi will ihn für das Netzwerk als Verbindungsmann und Kurier nach Madrid schicken. Bertol lässt sich die Reise zwar bezahlen, doch er kehrt schon bald unverrichteter Dinge nach Bozen zurück. Es ist der endgültige Bruch zwischen „Hrabec“ und „Sizunk“.
1952 kommt es zudem zu einem Führungswechsel