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nicht wie eine lebende Person, sondern fast wie ein Paradigma verkörpert, haftet andererseits seinem Wesen etwas Chaotisches an, und das Chaotische verursacht, daß in ihm, wie einzelne Sterne im Äthernebel, alle die nach ihm kamen charakterologisch und motorisch gleichsam schon enthalten sind, all jene Abenteurer, Eroberer, Wegesucher, Reichegründer, jene columbischen Diadochen, wie man sie heißen könnte, denen es auf eine verzweifelte oder heroische Weise gelungen ist, ihren Namen auf die Tafel der Unsterblichkeit zu schreiben, meist mit blutigem Griffel: die Alonzo de Ojeda, Pedro Niño, Sebastian Cabot, Fernando Cortez, Nuñez Bilbao, Fernando Magalhães, Franzisco Pizarro: Es ist nur eine kleine Auslese derer, die das Leben von Menschen nicht höher achteten als das von Käfern und ihr eigenes dazu. Überall hausten sie wie die leibhaftigen Teufel. Nicht um jene Ziele zu erreichen, die sie erreicht haben und für die sie dann in den Geschichtsbüchern gepriesen werden, sondern um ihre elementare Energiespannung zu entladen. Ohne die Entdeckung des Columbus wären sie wahrscheinlich an Raummangel erstickt oder hätten in ihrer Willensraserei alles Bestehende in Trümmer geschlagen.

      Zweifellos war es eine magische Gewalt, die Columbus immer wieder nach Española zog, wie sehr ihn auch der Westen und das nahvermutete Land des Großchans lockten. Sein Herz hing an Española. Je toller es dort zuging, je greuelvoller die spanischen Einwanderer wüteten, je vergeblicher seine Anstrengungen waren, Ordnung zu schaffen, und je öfter er die niederschlagende Erfahrung machte, daß seine Anwesenheit die Wirren nur vermehrte und sogar die wenigen Friedfertigen zu Aufruhr und Zwistigkeit reizte, desto unwiderstehlicher zwang es ihn an den verhexten Ort, als sei etwas Diabolisches in ihm, das nach dem Anblick des Zusammenbruches, dem Schauplatz dieser Menschenhölle in dem ehemals so zauberisch schönen Bezirk mit aller Heftigkeit verlangte. Er hielt Española für ein ihm von Gott besonders bestimmtes und zugewiesenes Fideikommiß, sein Krongut gleichsam, und die blutige Verwüstung, der es durch die zügellosen Horden der beutegierigen Kolonisten ausgesetzt war, schnitt ihm in die Seele. Daß er den Zustand selbst herbeigeführt, den frechsten Forderungen von der einen Seite nachgegeben hatte, gegen das beweglichste Flehen um Abhilfe von der andern taub gewesen war, das wischte er aus seinem Bewußtsein hinweg. Ihm geschah auf alle Fälle Unrecht, was anderes sah er nicht, vor sich selbst war er stets unschuldig und entzog sich der Verantwortung durch die Flucht in den göttlichen Ratschluß. Doch wenn ihm das Wasser an den Hals stieg, erhob er ein Geschrei und fühlte sich unter dem himmlischen Spezialschutz nicht mehr behaglich. In den Labyrinthen seiner Seele hat alles Gut und Böse Platz, alles Nein und Ja, alles Fromme und Verruchte, aber zur Vollendung gedeiht nichts.

      Die Insel Española, später San Domingo genannt, spielte im letzten Jahrfünft des fünfzehnten Jahrhunderts ungefähr dieselbe Rolle wie Kalifornien in der Mitte des neunzehnten und Alaska am Anfang des zwanzigsten. Europa schüttete seinen Menschenabschaum über das unglückliche Land, Tausende von Gescheiterten, Geächteten und um des Goldes willen zu jeder Schandtat Entschlossenen. Die Propaganda des Admirals hatte ausreichende Wirkung getan. Der Umstand, daß er bei der dritten Reise keine geschulte Bemannung hatte finden können, darf nicht glauben lassen, die Gold-und Glücksjäger seien abgeschreckt gewesen durch ihre enttäuschten Vorgänger. Der Grund war einfach der, daß diese Leute auf eigene Faust handeln und sich nicht der Disziplin auf einer königlichen Flotte unterwerfen wollten. Da aber in dieser Hinsicht ein strenges Verbot ergangen war, mit Verboten war man in Spanien ebenso verschwenderisch wie im wilhelminischen Deutschland, liefen zahllose Schiffe heimlich aus den heimatlichen Häfen und setzten ihre Passagiere heimlich an der unbewohnten Küste von Española ab. Diese obdach-und mittellosen Auswanderer durchzogen einzeln und in Scharen die Insel, sie verbreiteten Schrecken, wo sie sich blicken ließen, Mord, Raub und Brandschatzung waren an der Tagesordnung. Manche hatten nichts auf die Reise mitgenommen als einen Lederbeutel mit Reis und Mehl, einen Spaten und eine Schaufel. Sie dachten, wenn sie ein wenig in der Erde gruben, müßten sie gleich auf blankes Gold stoßen, und wenn sich ihre Erwartung nicht erfüllte und sie in die ärgste Drangsal gerieten, rächten sie sich dafür an den Indios, überfielen deren Dörfer, machten alles nieder, was ihnen unters Schwert kam, und an den Gefangenen verübten sie, ganz nach dem Beispiel der regulären Soldateska, jede Art von Erpressung. Bald wurden ihre Reihen durch zahllose Überläufer aus dieser sogenannten regulären Truppe vermehrt, denn die Unzufriedenheit mit der Regierung der Brüder Colón war beständig im Wachsen. Der gewalttätige und grausame Bartolomé, dem während der zweieinhalbjährigen Abwesenheit des Admirals die Statthalterschaft übertragen war, hatte ununterbrochen gegen die tückischen Verschwörungen zu kämpfen, die gelegentlich, wenn es sich um den Besitz der Goldfelder handelte, in blutige Schlachten ausarteten.

      Bartolomé Colón, kurz der Adelantado geheißen, war in keiner beneidenswerten Lage. Nicht bloß mußte er gegen die aufständischen Spanier Krieg führen, sondern auch die im Glauben an die Himmelssöhne völlig erschütterten, in ihrer Existenz bedrohten und langsam zu gefährlichem Widerstand rüstenden Indios zur Botmäßigkeit zwingen. Er hatte kein Geld und sollte Beamtenlöhne, Söldnerlöhne, Arbeitslöhne auszahlen und die in heillose Unordnung geratene Verwaltung regeln. Das spanische Schatzamt verweigerte ihm jede Unterstützung, es forderte mit Recht, daß die Kolonie sich selbst erhalte. Um dies nur einigermaßen zu ermöglichen, mußten die eingeborenen Stämme in Tribut gesetzt werden, was zu täglichen Zwangsmaßnahmen und damit zu den schlimmsten Ausschreitungen führte, zuerst gegen den Kaziken Guarionex in der Vega real, dann gegen den Häuptling Behechio und seine schöne Schwester Anacaona, die Witwe des in Sklaverei verschleppten Caonabo, die eine Frau von Format gewesen zu sein scheint, stolz, wild und klug, und unter den Spaniern eine sagenhafte Berühmtheit genoß.

      Bartolomés Heer, wenn man eine zuchtlose Ansammlung von Strauchrittern als Heer bezeichnen will, ließ es an kriegerischem Aufzug mit wiehernden Pferden, bellenden Meuten, fliegenden Fahnen und schmetternden Trompeten nicht fehlen, es hatte übrigens den Vorteil, daß es im Rücken durch fünf oder sechs befestigte Forts gedeckt war, die der Adelantado nach und nach hatte erbauen lassen, um die Stämme in Furcht zu halten. In Ansehung des beabsichtigten Zwecks war die pomphafte Entfaltung umsonst: Gold war nicht vorhanden. Man mußte froh sein, daß der Tribut in Form von Mais, Baumwolle und Kassavebrot entrichtet wurde. Die Soldaten und Matrosen wollten sich aber keineswegs damit begnügen, sie argwöhnten, die Indios hätten das Gold beiseitegeschafft und bedrängten den Adelantado mit so wütendem Ungestüm, daß er sich nicht anders helfen konnte, als indem er ihnen erlaubte, eine Treibjagd auf die Indios zu veranstalten: feste Einrichtung bereits, beliebtes Volksspiel, Erinnerung an die heimische Corrida und das tausendstimmige Geheul: Mata le! mata le! bevor der Stier niederbricht und verendet.

      Das ist nur ein beispielhafter Ablauf unter unzähligen gleichen. Hinzu kamen die frommen Kreuzzüge der Mönche, unter denen sich der Eremit Roman Pane und der Franziskaner Juan Borgognon durch ihre Bekehrungswut besonders hervortaten. Im allgemeinen waren sie, der Zeitersparnis halber, auf Massenproduktion bedacht. Sie sangen den erstaunten Indios lateinische Litaneien und Messen vor, und wenn einer das viele Male gehörte Paternoster und Ave Maria papageienhaft nachplapperte, wurde ihm schnell eine Kanne Wasser über den Kopf gegossen, und die Taufe des neuen Christen war vollzogen. In ähnlicher Weise hatte Roman Pane einen geachteten Indio der Königsebene, in dessen Haus er sich einquartiert hatte, mit seinen Frauen, Kindern, Brüdern und Schwestern, insgesamt sechzehn Seelen, der heiligen Kirche zugeführt, und durch ihn an Guarionex empfohlen, schien er mit dessen Bekehrung anfänglich Erfolg zu haben; der Kazik war ihm sogar beim Bau einer Kapelle behilflich. Als aber Guarionex von der Willkür und Ungebühr vernahm, die sich die Patres zuschulden kommen ließen, verbot er ihnen ihre weitere Tätigkeit und jagte sie aus seinem Gebiet. Kaum hatten sie sich entfernt, so drangen die Dorfbewohner in die Kapelle, zerschlugen den Altar, zerstörten die Bilder und Reliquien und vernichteten jede Spur des kleinen Gotteshauses. Als die Mönche davon Nachricht erhielten, klagten sie die Indios jenes Stammes des Kirchenraubes, der Heiligenschändung und der Gotteslästerung an. Der Adelantado, aus Furcht, von den fanatischen Priestern, wenn er ihnen nicht willfahrte, bei der Inquisition denunziert zu werden, genehmigte die Einsetzung eines Ketzergerichtes, anders läßt sich seine Zustimmung nicht erklären, denn er mußte ja sehen, daß er die Indios durch solche blutrünstige Akte geradewegs in die Verzweiflung trieb. Es zeigte sich eben, daß bei dem ganzen Vorgang von Vernichtung und Despotie auch die starken Charaktere wie Marionetten funktionierten. Etwas Infernalisches war in ihnen und würgte ab, was sie noch an Anstand, Besonnenheit und Menschlichkeit