Roy Palmer

Seewölfe Paket 19


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auf die Backbordseite der „Vascongadas“ zu.

      Die Gesichter über der Verschanzung gerieten in Bewegung. Aufgeregte Stimmen wurden laut, heiseres Gebrüll und warnende Schreie.

      Stichflammen zuckten jäh aus den Holzstapeln der Brander. Rasend schnell griffen die Flammen um sich, genährt von den Schalen mit Lampenöl, in die Al Conroy die Schwarzpulverspuren hatte münden lassen. In dem trockenen Holz fanden die Flammen rasche Nahrung, loderten immer höher und ließen schwarze Rauchfahnen aufsteigen.

      Noch erfüllten die Lateinersegel ihren Zweck. Bevor sie vom Feuer erfaßt wurden, würden die Brander ihr Ziel erreichen.

      Zweihundert Yards von der „Vascongadas“ entfernt sprangen Siri-Tong und Jean Ribault über Bord. Die kühlen Fluten nahmen sie schützend auf, und als sie den Kopf über Wasser hoben, war das Geschrei auf der Galeone zu einem gellenden Durcheinander angeschwollen.

      Verzweifelt versuchten ein paar Männer, mit Drehbassenschüssen noch etwas zu ändern. Aber es half nichts. Das Krachen der schwenkbaren Hinterlader klang dünn und erbärmlich. Die Ladungen aus gehacktem Blei vermochten die Brander nicht mehr aus dem Kurs zu bringen.

      Die Rote Korsarin und ihr Gefährte strebten mit kraftvollen Schwimmzügen auf die nördliche Landzunge zu.

      Den Männern auf der „Vascongadas“ gelang es noch, eins der Beiboote abzufieren. Weitere Besatzungsmitglieder sprangen bereits über Bord. Auch jene, die noch immer die Drehbassen abfeuerten, wurden jetzt von Verzweiflung gepackt.

      Es geschah, noch bevor Siri-Tong und Jean Ribault das Ufer erreichten.

      Mit Getöse krachten die Brander in die Außenbordbeplankung der Galeone. Brennende Holzscheite wirbelten hoch und landeten auf den Decksplanken. Ein Flammenmeer, noch verstärkt durch die nun brennenden Segel, schwappte über die Verschanzung. In rasender Gier griffen die Flammen um sich, erfaßten Nagelbänke, Taurollen, Balustraden und Segel. Schrille Schreie gellten durch das beginnende Inferno. Menschen, die zu spät an ihre Rettung gedacht hatten, sprangen als lebende Fackeln von Bord.

      Als Jean Ribault und die Rote Korsarin an Land wateten, standen die Masten und die im Gei hängenden Segel der „Vascongadas“ bereits in Flammen. Die Decks der Galeone waren eine einzige Flammenhölle, die sich bereits ihren Weg in die Unterdecksräume gebahnt haben mußte.

      Minuten später war das Schicksal der Galeone besiegelt.

      Eine Feuerblitz, der den trüben Morgenhimmel in unnatürlich grelles Licht tauchte, stieg aus dem Rumpf des Dreimasters auf. Holzteile wirbelten hoch in die Luft, das helle, fast weiße Detonationszentrum weitete sich aus und verschlang buchstäblich das ganze Schiff.

      Selbst Siri-Tong und Jean Ribault spürten noch die Druckwelle, die über den Felsbrocken hinwegfegte, hinter dem sie kauerten. Als sie wieder den Kopf hoben, war es bereits vorüber.

      Die „Vascongadas“ war in zwei brennende Teile zerfetzt worden, die in Minutenschnelle zischend und gurgelnd versanken.

      An Land standen die Überlebenden stumm und fassungslos. In ihnen regte sich kein Gedanke mehr, noch für die Black Queen zu kämpfen.

      „Putzt sie weg, die Strolche“, brüllte der Wikinger und stieß sein „Messerchen“ senkrecht in die Luft. Sein Kupferhelm leuchtete rötlich-golden im Feuerschein der „Aguila“.

      Die Meuterer unter Jaime Cerrana kämpften mit dem Mut der Verzweiflung. In panischer Hast versuchten sie, die Geschütze an Backbord noch einmal nachzuladen, und ihr bulliger Anführer packte selbst mit zu.

      In diesem Moment krachte die letzte, entscheidende Breitseite des Schwarzen Seglers. Die Einschläge ließen die „Aguila“ erzittern.

      Eine der Eisenkugeln raste durch das Schanzkleid, und Jaime Cerrana wurde in einem tödlichen Schwall aus Holzsplittern und Eisen quer über die Decksplanken gefegt. In ihm war bereits kein Leben mehr, als er an Steuerbord in hohem Bogen in die Fluten wirbelte.

      Eine Breitseite der „Tortuga“ gab der Meuterer-Galeone den Rest. Von unzähligen Kugeln durchbohrt, zog sie immer rascher Wasser. Dann, als sich das Heck zu heben begann, ging es plötzlich sehr schnell. Über den Bug rauschte die „Aguila“ wie von einer unsichtbaren Macht gezogen in die Tiefe. Es gab keine Überlebenden an Bord.

      Auch die „Buena Estrella“ hatte keine Chance gehabt, der tödlichen Umklammerung durch die „Wappen von Kolberg“ und die „Le Vengeur III.“ zu entrinnen. Arne von Manteuffel und Nils Larsen zeigten keine Gnade.

      Breitseite um Breitseite hämmerte in den zerfetzten gegnerischen Schiffsleib, bis sie den Dreimaster buchstäblich in Stücke geschossen hatten. Ein Meer von hölzernen Trümmern auf der Wasseroberfläche blieb alles, was an die ehemalige spanische Kriegsgaleone erinnerte.

      Nach der Halse sahen der Seewolf und die übrigen Männer auf der „Isabella“ staunend, daß sich der Zweidecker bereits mit beträchtlicher Entfernung verzogen hatte. Die Black Queen hatte alles an Segeln gesetzt, was ihr noch geblieben war. Auf Ostkurs suchte sie ihr Heil in der Flucht, und der Zweidecker bewies, daß er trotz seiner Schäden noch ein verteufelt schnelles Schiff war.

      Hasard verzichtete auf eine Verfolgung. Die Niederlage der Black Queen war so endgültig und demoralisierend, daß sie sich davon unmöglich wieder erholen konnte. Sie hatte ihre Flotte verloren. Ihr Traum von der Herrschaft über die Karibik war ausgeträumt. Sie konnte froh sein, daß sie nicht verfolgt wurde. Es wäre auch ihr Ende gewesen.

      An erster Stelle stand für den Seewolf jetzt die Gewißheit, daß die Lage auf Tortuga geklärt war.

      Die Bestätigung dafür gab es wenige Stunden später, als die Schiffe von der Schlangen-Insel in der Hafenbucht ankerten.

      Ein unablässiges Händeschütteln und Schulterklopfen setzte ein, als sich die Männer um Diego und Willem Tomdijk mit den Arwenacks und ihren Gefährten trafen. Freudige Erleichterung herrschte auch bei Manon und den Mädchen aus Paris, und die Arwenacks hatten nichts dagegen einzuwenden, daß ihnen die Mademoiselles aus Dankbarkeit um den Hals fielen.

      Klarheit gab es nun auch über das Doppelspiel, das Emile Boussac mit dem Leben bezahlt hatte. Für Hasard und seine Vertrauten lag es auf der Hand, daß Boussac sein Wissen entweder freiwillig oder unter Zwang an die Black Queen weitergegeben hatte.

      Die Überlebenden von der „Vascongadas“ und der „Buena Estrella“ waren spontan zu Willem Tomdijk übergelaufen. Mit dem Seewolf einigte sich Willem, daß die Siedler aus El Triunfo zunächst auf Tortuga blieben – jetzt jedoch als Verbündete der Männer von der Schlangen-Insel. Willem wichtigstes Ziel war es, seinen Traum von der neuen Bierbrauerei zu verwirklichen.

      Die Mädchen sahen ihren Traum darin, sich einem bürgerlichen Leben als Siedlersfrauen zuzuwenden. Mögliche Ehemänner gab es immerhin in großer Zahl, und die meisten von ihnen hatten vor, später nach Hispaniola überzusiedeln, wo es noch viel freies Land gab.

      Hasard und seine Männer hatten nichts dagegen einzuwenden, an der Siegesfeier teilzunehmen, die den ganzen Tag andauern sollte.

      Willem Tomdijk und Diego arrangierten dieses rauschende Fest in brüderlicher Zusammenarbeit. Selbst gegen das Bier, das Diego ausschenkte, hatte Willem an diesem Tag plötzlich nichts mehr einzuwenden …

      ENDE

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       Roy Palmer

Die Totenrutsche

       1.

      Joao Nazario, der portugiesische Freibeuter, hockte hoch oben in der Astgabel einer mächtigen Zypresse und ließ sein linkes Bein baumeln. Hin und wieder nahm er den Kieker zur Hand und schaute lange und prüfend hindurch.

      Der Aussichtspunkt erinnerte