Drache zwei oder drei Ellen in die Luft. Vor Überraschung vergaß er aber, weiter mit den Flügeln für Auftrieb zu sorgen und landete recht unsanft auf dem Bauch. Ein verärgertes Stöhnen kam aus den Tiefen seiner Drachenbrust.
„Du musst schon weiter mit deinen Flügeln schlagen, sonst fällst du vom Himmel wie ein Stein. Und wenn du landen willst, solltest du deine Beine dazu nutzen, nicht den Bauch!“, hänselte ihn der Elf. Adalbert konnte sich nicht mehr zurückhalten und lachte laut los. Jordill stimmte sofort mit ein und der Drache blickte sie etwas verärgert an.
„Na wartet, wer zuletzt lacht, lacht am besten. Ich werde euch schon noch beweisen, dass ich für die Lüfte geboren bin!“
Nur drei kräftige Schläge mit den riesigen Schwingen und Torgorix erhob sich erneut in die Luft.
„Los weiter! Steig auf, du Wolkenstürmer!“, schrie Adalbert voller Stolz auf seinen Freund gegen den eisigen Wind. Mit jedem Flügelschlag erhob sich Torgorix höher und höher und wurde zusehend sicherer in seinen Bewegungen.
„Ich kann es! Ich habe es euch doch gesagt, ich fliege!“, rief der überglückliche Drache den beiden am Boden zu. Dann plötzlich legte er die Flügel etwas an und schoss wie ein Blitz dem Eiswind entgegen.
Er kam näher und näher und langsam wurde Jordill besorgt. „Er muss wieder mit den Flügeln schlagen!“, flüsterte er. Der Drache war jetzt nur noch etwa fünfzig Mannslängen entfernt. Doch als ob er die fürsorglichen Worte des Elfen gehört hätte, erhob er sich mit fünf kräftigen Schlägen so weit in die Luft, dass er wieder auf einer Höhe mit ihnen war. Er änderte seine Flugrichtung und kam dann geradewegs auf die drei am Boden stehenden Freunde zugeschossen. Nur wenige Meter vor ihnen stieg er ruckartig senkrecht in die Luft empor und es schien fast so, als wollte Torgorix tatsächlich die Wolken erstürmen. Sein glückliches Freudengeschrei über seine neu gewonnene Freiheit war bis weit ins Tal hinunter zu vernehmen.
„Spätestens jetzt weiß jeder, dass wir hier sind“, sagte Adalbert etwas beunruhigt.
Was gäbe ich darum, auch wieder so fliegen zu können, erklang eine vertraute Stimme in Adalberts Kopf.
„Rorgath! Endlich höre ich dich wieder! Ich habe mir schon Sorgen um dich gemacht. Wo bist du?“, rief Adalbert laut.
Ich kann dir deine Fragen jetzt nicht alle beantworten, denn … zu schwach …
„Rorgath, ich kann dich nicht mehr verstehen!“, murmelte Adalbert, obwohl er wusste, dass die mentale Verbindung zu seinem Geistdrachen bereits abgerissen war.
Jordill schaute ihn fragend an und Adalbert erzählte ihm, dass der Geistdrache endlich wieder Kontakt zu ihm aufgenommen hatte.
„Du hast nun erfahren, warum unsere Gruppe so klein ist und uns weder Kronglogg noch Merthurillh noch der Hengst Antha begleiten und warum Torgorix nichts essen wollte. Nun hast du auch noch ein Lebenszeichen deines Geistdrachen erhalten. Damit war der Tag doch schon recht erfolgreich, oder was meinst du?“, fragte Jordill.
„Das stimmt. Trotzdem hätte ich gerne noch mehr von Rorgath erfahren. Aber wo ist eigentlich unser Fluganfänger?“
Beide schauten angestrengt in den Himmel empor, doch von Torgorix war weit und breit nichts zu sehen.
Gerade als sie entschieden hatten, nicht mehr länger zu warten, stieß Torgorix mit einem überschwänglichen Kampfschrei durch die Wolken hindurch und raste erneut auf sie zu. Schnell erkannten Adalbert und Jordill, dass er wohl direkt vor ihnen landen wollte, aber genauso schnell hatten sie auch begriffen, dass die Landeeinteilung nicht ganz stimmig zu sein schien. Adalbert brüllte ihm zu, dass er lieber durchstarten sollte. Doch der im Fliegen noch unerfahrene Drache war davon überzeugt, dass er alles unter Kontrolle hatte. Das Ergebnis war eine erneute Bruchlandung auf dem Bauch, die eine regelrechte Furche in den Rasen zog.
„Ich möchte ja nicht als Besserwisser erscheinen, aber wolltest du nicht auf deinen Beinen landen?“, fragte Jordill besorgt und Adalbert fügte hinzu: „Oje, das hat bestimmt wehgetan. Hast du dich verletzt?“
„Nein, nein! Es ist alles in bester Ordnung. Es ist halt noch kein Meister vom Himmel gefallen“, lenkte der Drache von seinen Schmerzen ab.
„Ein Meister nicht, aber ein ungelernter Drache“, erwiderte Adalbert frech, als er merkte, dass Torgorix unverletzt war.
Torgorix revanchierte sich mit einem leichten Flügelschlag gegen Adalberts Schulter, der diesen fast umhaute.
„Ihr glaubt gar nicht, wie wunderschön das ist, wenn man durch die Lüfte fliegen und dort oben die feuchten Wolken küssen kann. Dort oben habe ich einen Adler gesehen, der sogar noch viel höher flog als ich. Ich glaube, er hat mich beobachtet. Vielleicht hat er sich aber auch nur über mich amüsiert. In der Ferne konnte ich sogar die Drachenschule erkennen. Trotzdem ist das Fliegen ganz schön anstrengend und ich habe jetzt einen echten Drachenhunger. Ich könnt glatt ein Wildschwein fressen!“, sagte Torgorix mit einem verschmitzten Augenzwinkern zu Adalbert. Der Keiler Tork grunzte nur gelangweilt. Er wusste, dass er von dem Drachen nichts zu befürchten hatte.
„Wenn du wüsstest, wie sehr ich mir wünschte, fliegen zu können“, antwortete Adalbert sehnsüchtig und erinnerte sich daran, als er, festgebunden an Merthurillhs Brust, zum ersten Mal vom Boden abgehoben hatte und in den Himmel getragen worden war.
„Ich möchte mich bei euch bedanken, dass ihr aus mir einen echten Wolkenstürmer gemacht habt. Ohne euch hätte ich mich wohl nie getraut!“
Der Elf und Adalbert winkten ab. Sie wussten es besser. Kein Drache konnte auf Dauer den Lüften widerstehen.
Die kleine Gruppe machte sich nun wieder auf den Weg, um die alte Lorhdrachin Murwirtha zu finden. Dabei versuchte Torgorix krampfhaft, ein Humpeln zu verbergen.
***
„Mir tut der Hintern weh, ich kann nicht mehr reiten. Können wir nicht eine Pause machen?“, nörgelte Erik.
„Stell dich nicht so an, sonst wird nie ein ganzer Mann aus dir! Außerdem haben wir dir zuliebe doch erst vor zwei Stunden eine längere Pause gemacht“, maßregelte ihn Adalberts Vater.
„Wir sollten in Kürze an eine Stelle des Drachenblutflusses kommen, wo wir unseren Pferden eine längere Ruhepause gönnen können. Wir haben dann ungefähr die Hälfte des Weges zum Nasli Karillh geschafft und liegen damit gut in unserem Zeitplan“, lenkte der Elfenkönig Erithjull ein. Es war dem sensiblen Waldelfen anzumerken, dass er von den Erziehungsmethoden des ehemaligen Drachenjägers nicht allzu viel hielt.
„Was ist denn der Nasli Scharill?“, fragte Erik neugierig.
„Der Wald, der die Heimat der Waldelfen ist, zu denen auch ich gehöre, wird von uns Nasli Karillh genannt, was in deiner Sprache so viel bedeutet wie Lachender Wald. Östlich hinter dem Oberfluss und dem Mittensee heißt der Wald dann Trasli Karillh, was Weinender Wald bedeutet. Sein Name kommt daher, weil vor vielen Menschenleben eine wilde Horde Trolle und Orks über die dort lebenden Elfen hergefallen ist und nahezu alle Kinder entführt oder getötet hat. Zum zukünftigen Schutz vor solchen heimtückischen Überfällen hat sich ein Teil der stärksten und erfahrensten Elfen von den anderen getrennt und wurde zu den Grenzläufern, die ständig die Ostseite mit kleineren Streifen patrouillieren. Einen dieser besonderen Grenzläufer habt ihr bereits kennengelernt, nämlich Wortrillh. Da die Grenzläufer ein riesiges Gebiet vom Zwergenhain ganz im Norden, über die Grenze zum Kalten Land bis hinab in das Zentralland der Menschen überwachen müssen, haben sie sich in kleinen Gruppen organisiert, die eigenständig operieren. Durch diese besonders abgekapselte, für Elfen völlig untypische Lebensweise, wurden die Grenzgänger zu einer eigenen Elfengattung, die sich durch ihre isolierte Zurückgezogenheit, ihre wortkarge Art und ihr stark ausgeprägtes Misstrauen allen Fremden gegenüber auszeichnet“, erklärte der Elfenkönig.
„Trotzdem gelingt es immer wieder vereinzelten Ork- und Trolltrupps, durch ihr Netz zu schlüpfen und das westliche Drachenland auszukundschaften, wie zum Beispiel dem Trupp von Orax, mit dem Adalbert zu tun hatte“, ergänzte Trillahturth, der König aller