aber Jordill ahnte, dass sie nicht wirklich verstanden hatte. Er nahm sich vor, es ihr später genau zu erklären.
Nun trat eine nervenzerreibende Stille ein. Lady Coralljah schien mit ihrer Übersetzung nicht weiterzukommen.
„Wenn ich die nächsten Runen richtig interpretiere, denn ich kenne sie nicht und kann ihre Bedeutung nur aus dem Zusammenhang heraus deuten“, begann sie endlich erneut, „dann wird aus der möglichen Einheit des Parkardorrhs und des wiedergeborenen Drachen, Wargos’ erster Krieger, der edle Sekuriath!“
„Wer oder was soll Wargos’ erster Krieger sein und was ist ein Parkardorrh?“, fragte Ritter Rostorrh nachdenklich.
„Die Antwort darauf muss ich dir leider schuldig bleiben, denn darüber steht hier nichts weiter“, antwortete die Lady.
„Ich bin der Parkardorrh, ich bin der Seelenträger!“, antwortete Adalbert selbstsicher. Diese Antwort hätte jeder von der wissenden Lady Coralljah erwartet, aber bestimmt nicht von ihm.
„Was steht da noch? Wie geht denn nun die Formel, die ich können muss?“, wollte er wissen.
Er hatte seine Worte kaum zu Ende gesprochen, als sich das Licht wieder aus der Wand zurückzog und in der schwebenden Lichtkugel aufging. Das grüne Leuchten wurde zunehmend schwächer, bis die Kugel mit einem leisen Zischen erlosch. Die Runen waren verschwunden und die Wand wieder kalt.
„Oje, jetzt konnten wir die Formel nicht lesen! Das kann doch nicht alles gewesen sein“, stöhnte Adalbert enttäuscht, der instinktiv wusste, dass sich die Runen nicht ein drittes Mal zeigen würden.
„Es gab nichts mehr zu lesen, als das, was ich euch übersetzt habe, aber das war doch schon sehr viel, lieber Adalbert“, beruhigte ihn Coralljah.
„Wir haben etwas sehr Wichtiges erfahren“, fügte Olstaff hinzu. „Der genaue Wortlaut für die Seelenübertragung müsste eigentlich unserem Lorhdrachen Okoriath bekannt sein!“
Jeder blickte nun zum Lorhdrachen, der ziemlich ratlos erschien, und seine Tochter Sintarillh bat ihren Vater, doch endlich zu erzählen, was er wusste.
„Es tut mir wirklich leid, aber ich kann euch nicht helfen“, war die ernüchternde Antwort.
„Als ich seinerzeit zum Lorhdrachen gewählt wurde, war die Ratsrunde völlig verwaist und verlassen. Ich konnte kein Wissen und schon gar keine geheimen Formeln von meinen Vorgängern erfahren und übernehmen. Das Einzige, was ich mit Sicherheit weiß, ist die Tatsache, dass meine Vorgängerin die Lorhdrachin Murwirtha war.“
„Die ehrenwerte Lady Murwirtha!“, wiederholte der Elfenkönig Trillahturth andächtig ihren Namen. „Es muss schon eine Ewigkeit her sein, dass ich das letzte Mal ihren Namen gehört habe. Angeblich soll sie sich damals in das hohe Eisgebirge zurückgezogen haben, um dort in der Nähe der Kalten Hand einsam das Leben einer Eremitin zu führen und den damaligen Schrecken des Drachenlandes zu entfliehen. Doch das sind nur vage Überlieferungen und keiner weiß, ob sie nicht schon längst gestorben ist.“
„Dann lasst sie uns suchen, denn sie muss ja schließlich die geheime Formel kennen!“, forderte Adalbert die anderen hastig auf.
„In Wargos’ edlem Namen, so soll es sein!“, bekräftigte der Lorhdrache Adalberts Tatendrang.
Kapitel 3
Der Weg des Ritters
Nachdem die Mitglieder des Drachenrates etwas Zeit gefunden hatten, die einzigartigen Ereignisse in der grünleuchtenden Höhle zu realisieren, denen sie vor wenigen Augenblicken hatten beiwohnen dürfen, bat der Lorhdrache Okoriath sie zur Abschlussbesprechung in die heilige Ratshöhle. Nicht nur zu Adalberts Überraschung wurden auch der Jungritter Torgorix, der immer noch sehr verstörte Erik und der Ritter Knut von Tronte dazu eingeladen.
Nachdem der weiße Drache die drei Letzteren über die wesentlichen Ereignisse des heutigen Vormittages informiert hatte, bat er sie, sich zur weiteren Besprechung in die freie Loge der ehemaligen Gemarkung des Ostlandes zu setzen, sozusagen zur Linken Adalberts. Es benötigte keiner besonderen Drachenkenntnis, um zu sehen, mit welcher Ehrfurcht sich Torgorix auf den verwaisten Drachenplatz legte. Dabei blickte er immer wieder verstohlen zu seiner Mutter, als wenn er sie fragen wollte, ob er das denn auch wirklich dürfe. Als ihm Lady Coralljah wohlwollend zunickte, genoss er das dicke Kissen, welches ihm von einem Logenwächter unter das Kinn geschoben wurde.
„Es erschwert unser Vorhaben ungemein, dass ich von meiner Vorgängerin, der ehrenwerten Lorhdrachin Murwirtha, keinerlei Informationen erhalten habe und somit auch die geheime Formel nicht kenne, die Adalbert zur Übertragung der Seele Allturiths benötigt. Doch wir wären keine Mitglieder des Drachenrates, wenn wir uns dadurch entmutigen ließen. Probleme und Schwierigkeiten werden tatkräftig angegangen und schließlich gelöst. Wir wachsen an unseren Aufgaben.“
Jeder der Anwesenden erkannte deutlich, dass Okoriath sehr darüber verärgert war, dass er nicht über das wichtige Wissen verfügte, welches ihm als Lorhdrachen zugestanden hätte. Voller Tatendrang fuhr er dann jedoch fort: „Somit werden sich jetzt vier wesentliche Aufgaben für uns ergeben, denen wir unverzüglich nachgehen müssen und von deren Ausgang das Wohl des gesamten Drachenlandes abhängen könnte. Jede einzelne dieser Aufgaben ist ein Teil des gesamten Schutzplanes gegen die Bedrohung durch den Druiden Snordas mit seinen fürchterlichen Kriegshorden und darf nicht scheitern.
Trotzdem besteht keinerlei Zweifel daran, dass die höchste Priorität der Aufgabe zukommt, Allturiths Seele zu retten. In einer längeren Besprechung sind sich in der letzten Nacht die weise Lady Coralljah, die ehrenwerten Elfenkönige Trillahturth und Erithjull, unsere schlauer Freund Kronglogg, der erfahrene Ritter Rostorrh, der geschätzte Freund Olstaff und ich darüber einig geworden, dass uns die Rettung von Allturiths Seele nicht nur den Sohn von Zaralljah und Merthurillh wiederbringen wird, sondern von viel größerer Wichtigkeit für das Wohl des ganzen Landes sein könnte, als wir heute zu ahnen oder gar zu erkennen in der Lage sind.
Nicht nur aus den Berichten von Adalbert und den Geschehnissen von vorhin, sondern auch aus all den spärlichen Überlieferungen, die wir in der vergangenen Nacht zusammengetragen haben, können wir folgern, dass ein wiedergeborener Drache wahrscheinlich über unermessliche Macht verfügen würde. Daher unterliegt diese Aufgabe auch weiterhin der strengsten Geheimhaltung und nichts davon darf diese Mauern verlassen. Es sollte also nicht notwendig sein, zu erwähnen, dass jeder Einzelne von uns alles daran setzen muss, dieses Geheimnis zu wahren.“
Bei diesen Worten schaute der Lorhdrache Erik besonders eindringlich an, der sich in seiner Haut überhaupt nicht wohlfühlte.
„Mein lieber Freund Okoriath“, mischte sich der Waldelfenkönig ein, „einerseits bin ich davon überzeugt, dass Erik etwas aus seinen schlimmen Fehlern gelernt hat, und andererseits wird er in den nächsten Monden sicherlich keinerlei Möglichkeiten haben, irgendwo davon zu erzählen, denn er wird ja bei uns im Nasli Karillh seine Strafe dafür annehmen, dass er dem armen Zwerg Rognagg die Bartspitzen abgeschnitten hat. Die vor ihm liegende Zeit der Dienerschaft wird ihm viel abverlangen und außerdem wird er bei uns zur Schule gehen. Ihr selbst wisst, was da auf ihn zukommen wird. Es wird ihm als sowohl an Zeit als auch an Möglichkeiten fehlen, den sicheren Elfenwald in absehbarer Zeit zu verlassen.“
Okoriath nickte leicht schmunzelnd in Eriks Richtung, was darauf schließen ließ, dass wirklich eine harte Zeit vor dem Jungen lag, und wandte sich dann wieder Adalbert zu.
„Mein lieber Sohn Adalbert, um einmal mit Merthurillhs Worten zu sprechen, deine Aufgabe wird es sein, nach der Lorhdrachin Murwirtha im Eisgebirge zu suchen, um von ihr die geheime Formel zu erhalten.“
„Aber warum sollte sie mir denn die Formel verraten?“, fragte der Junge zweifelnd.
„Glaube mir, sobald du vor ihr stehst, wird Murwirtha wissen, dass du ein Parkardorrh, also ein Seelenträger bist. Außerdem gebe ich dir einen besonderen Botenstein mit, der schon von alters her nur vom Lorhdrachen persönlich an ausgewählte Boten übergeben wurde und dem Empfänger