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Aleister Crowley & die westliche Esoterik


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Crowley, der in jüngeren Jahren Schmerzen fürchtete und sie vermied, warb als Frau aktiv darum. Und als begehrende Frau agierte er Phantasien aus, in denen er selbst zum Ziel seiner eigenen, unerkannten Frauenfeindlichkeit wurde. Falls seine „duale Struktur“ die sadistischen Impulse seiner männlichen Sexualität durchgängig umwandelte, unterstützte sie – wie der große Kreis aus losen Felsen auf dem Da’leh Addin – eine Art Geschlossenheit. In seiner dualen Identifikation opferte Crowley sich selbst als Objekt seiner eigenen Begierden.

      Das „Opfer“ auf dem Da’leh Addin, während dessen Crowley die „Entwerdung des Selbst in Pan“ und die Vollendung mit „dem ersten und dem letzten Atemzug … Gottes“ erlebte, bezeichnet in der Tat eine Ursprungsszene von beachtlicher Wichtigkeit. Darin wurde eine erotische Beteiligung an Schmerz und Schändung, die sich zunehmend in den „abstoßenden Ritualen“ seiner magischen Praxis ausformte, in lebhaftem Gespann mit Phantasien von Bestialität und männlicher Vergewaltigung ausgelebt. Das starke masochistische Element, das sich durch Crowleys unterschiedliche sexuelle Identifikationen zog, und das er als konstituierendes Element seiner Männlichkeit wie seiner Weiblichkeit betrachtete, erlangte im Augenblick der Opferung seine Vergöttlichung.76 Doch markiert das „Opfer“ auch gleichermaßen die Auslassung von Identifikationen – magischen wie weltlichen –, um die die Beziehung Crowley-Neuburg unendlich kreiste. So, wie Crowley darauf insistieren konnte, dass Neuburg, der eine Inkarnation des wilden Gottes war, zugleich ein „Masochist“ und ein „Päderast“ gewesen sei, erlebte Neuburg Crowley, seinen augenscheinlich feminisierten Liebhaber, als „homosexuellen Sadisten“. Wahrscheinlich hatte Crowleys ausdrückliche Weiblichkeit wenig mit der scheinbaren Machtlosigkeit zu tun, die sie pries. Eine sexuelle Szene, die von der Ausgestaltung einer Vergewaltigungsphantasie dominiert wurde, war vermutlich, wie alles andere in ihrer Beziehung, von Crowley selbst gelenkt und kontrolliert. Das Ritual auf dem Berg kommentiert Crowley einfach mit den Worten: „Da opferte ich mich selbst“. Aktiv und passiv; Bekenntnis und Leugnung; dieser, der opfert, und jener, der geopfert wird – Crowley kennt die Doppelsinnigkeit des Bundes. Und in einem abschließenden Anflug von Verleugnung und Verdrängung schließt er die Beschreibung mit den Worten: „Da war ein Tier in der Wüste, doch es war nicht ich“.77

      Crowleys Vision ist eine manichäische, in der sich die Prinzipien von Licht und Dunkelheit in ewigem Kampf befinden und höchste magische Fertigkeiten untrennbar mit einer „wilden“ Bestialität verbunden sind. Er ist der erleuchtete Magus und das „Tier in der Wildnis“, „beides in einem … in einer einzigen identischen Gleichsetzung“. Nachdem er 1909 den Abyssus überquert hatte, erkannte er The Book of the Law schließlich an, und mit ihm seine Bestimmung als Prophet des Horus. Als solcher nahm er den Titel des Tieres 666, des „Tieres“ aus dem Buch der Offenbarung an, mit dem er sich seit seiner Kindheit identifiziert hatte. Seine Anerkennung dieser Benennung, die in Neuburgs Triumph of Pan zelebriert wird und in okkultistischen Kreisen ein Synonym für den Namen Crowleys ist, markierte eine neue Phase seines magischen Schaffens.78 Schmerz, Blut und Exkremente wurden zu Markenzeichen seiner „abstoßenden Rituale“, und seine Anhänger wurden verpflichtet, das „Zeichen des Tieres“ an ihren Körpern zu tragen.79 Als in den 1920ern Horrorgeschichten über sein Treiben in der Abtei von Thelema zu kursieren begannen, denunzierte die populäre Presse Crowley als eine „den Teufel anbetende menschliche Bestie“.80 In einer ironischen Umkehrung seiner eigenen früheren Vorstellung seiner „zwei Persönlichkeiten“ verkörpert Crowley in der öffentlichen Wahrnehmung eine Art geifernden, animalischen Mr. Hyde. Er wurde in die monströse Kreatur der Crowley-Legende verwandelt, in einen Schwarzmagier von mythischer Größe, dessen dämonische Fassade an W. T. Steads Jack the Ripper erinnert – den sadistischen Mörder, der einen erotisierten und „unkontrollierbaren Geschmack an Blut“ findet.81 Crowley wurde zum modernen Vertreter des „Bestienkultes“ des Fin de Siècle, zum Monster, das die dunkle Seite des Mondes anheult.82

      In diesem Kapitel habe ich einen Aspekt meiner umfassenderen Ausführungen zum multidimensionalen Verhältnis zwischen der Ritualmagie des Fin de Siècle und maßgeblichen zeitgenössischen Befürchtungen präsentiert. Die Untersuchung des magischen Wirkens Crowleys in der Wüste ist Teil der Begründung, die ich für die magische Praxis als wichtige, wenn auch unorthodoxe Artikulation dessen vorbringe, was wir heute als modernes Selbstgefühl verstehen. Eine Deutung von Crowleys Erlebnissen in Nordafrika besteht gewiss darin, dass die fortgeschrittene Ritualmagie auch dann, wenn sie das okkulte Ziel der Wiederaufrichtung eines zersplitterten und gespaltenen Selbst verfolgt, zu einer radikal „modernistischen“ Dezentrierung des Subjekts auffordert.83 Crowleys Experiment zeigt gleichermaßen, dass die magische Praxis mit ihren vorgeblich zeitlosen Verfahren und „Wahrheiten“ dennoch ein sowohl zutiefst persönliches, wie auch ein kulturell spezifisches Unternehmen ist. Mag Crowley auch Perdurabo gewesen sein, ein Meistermagier, der das Gedankenuniversum eines Magus aus dem sechzehnten Jahrhundert erkundete – deutlich wird dennoch, dass er sich selbst in dieses Unterfangen einbrachte. Perdurabo war die magische Persönlichkeit eines Mannes aus der bürgerlichen Mittelschicht des frühen zwanzigsten Jahrhunderts, der sehr spezielle Neigungen hatte und dessen Aufnahme magischer Praktiken aus der Vergangenheit in ständigem Dialog mit den Belangen der Gegenwart stand. Unter magischen Gesichtspunkten betrachtet, war Crowleys Wirken gerade deshalb mit verhängnisvollen Fehlern behaftet, weil er letztendlich nicht imstande war, zwischen dem magischen Selbst und dem weltlichen „Ich“ zu unterscheiden. Nichtsdestotrotz lässt sich – egal, was wir aus dem magischen Weltbild machen – kaum bestreiten, dass die „zwei Persönlichkeiten“ für den besonderen historischen Akteur gewissermaßen konstitutiv sind. Der Magus war der Mann.

      Ich habe hier auszuführen versucht, dass Crowleys magisches Wirken, sei es nun fehlerhaft oder nicht, auf eine unsichere Beschäftigung mit dem Selbst in all seiner Komplexität weist: dem Erkannten wie dem Unerkennbaren, dem Bekannten wie dem Unbekannten. Und als solches hat es wichtige Konsequenzen für jene unter uns, die mit der Historisierung des theoretischen Konzepts der Subjektivität befasst sind. Die Episode in der Wüste legt nahe, dass das magische Selbst – das durch die Auslöschung der psychischen Begrenzungen und den Zusammenbruch der Prozesse, durch die sich das „Ich“ konstituiert, geschaffen wurde – den Ausdruck einer vollständig verwirklichten, historisch bedingten Subjektivität repräsentiert. Sicher ist auch klar, dass Crowleys magische Erkundung der Aethyre, die er in Perdurabos Namen unternommen hatte, zugleich eine direkte Befragung der verdeckten Phänomene des persönlichen Selbst gewesen ist. Das verdrängte „Ich“ des Magiers sprach nichtsdestotrotz für ein historisiertes Selbst, und Crowleys Erlebnisse in der Wüste bezogen die Darstellung unbewusster Elemente ein; so eigentümlich und theatralisch wie von Robert Louis Stevenson erdacht. Sein magisches Wirken war im Wesentlichen mit der Inszenierung von Ängsten, Feindseligkeiten und Begierden verbunden, die um den Ausdruck einer bösartigen bürgerlichen Männlichkeit kreisten. Gewiss erzählt die unterschwellige Botschaft in Crowleys Bericht von den Ereignissen in der Wüste vom Selbst in einem Ausmaß, das die exoterischen Enthüllungen seiner Confessions übersteigt. Was auch immer die Stärken und Schwächen von Crowleys magischem Wirken sein mögen, sein Kampf in der Wüste – symbolisiert durch das „Opfer“ auf dem Da’leh Addin, die Begegnung mit Choronzon und jenen letzten verzweifelten Schrei „Ich bin ich“ – kennzeichnet ein außergewöhnliches Bestreben seitens dieses Edwardianischen Bürgers, die vollständigen Implikationen seiner eigenen Subjektivität zu verstehen. Dieses deutet auch an, dass die „magische Tradition“ und deren Lehren in der Tat, wie Crowley behauptete, als der „Tisch“ bezeichnet werden können, „von dem Freud … ein paar Krümel gegessen hat, die heruntergefallen sind“.84

      Dieser Aufsatz erschien erstmals im Januar 1997 im Journal of British Studies, Nr. 36, S. 99 - 133, und bildet die Grundlage für ein Kapitel in Alex Owen, The Place of Enchantment: British Occultism and the Culture of the Modern (University of Chicago Press, Chicago 2004), ©1997 North American Conference on British Studies. Alle Rechte vorbehalten.

       Die Vielfalt magischer Erfahrung