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Aleister Crowley & die westliche Esoterik


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nahm Crowley schnell an den Yogaübungen und Experimenten Bennetts teil. Beide Männer waren entschlossen, um es mit Crowleys Worten auszudrücken, sich „die östlichen Systeme unter östlichem Himmel und allein mit östlichen Methoden“ zu erarbeiten.39 Crowley überzeugte Bennett, einen Bungalow in Kandy zu mieten, das im Inneren der Insel lag, wo sie ihre Übungen allein fortsetzten. Die Techniken, die Crowley zu dieser Zeit anwendete, entstammten größtenteils dem „klassischen“ Yoga, wie es in Patañjalis Leitsätzen festgeschrieben steht. Seine täglichen Übungen beinhalteten Âsana (eine besondere Körperhaltung einzunehmen und darin in vollkommener Unbeweglichkeit zu verharren), Prânâyâma (Techniken zur Atemkontrolle), und Dhâranâ (Techniken zur Gedankenkontrolle, die in die Lage versetzen sollen, den Fluss der Gedanken willentlich aufzuhalten). Crowley behauptete, dass er Anfang Oktober – nach zwei vollen Monaten kontinuierlichen Trainings – Dhyâna, eine der höchsten Stufen yogischer Erkenntnis, erreicht habe. Nach Patañjali ist nur die Stufe Samâdhi, die als ultimatives Ziel des Yoga betrachtet werden kann und zur Befreiung von den menschlichen Konditionen führt, noch höher als Dhyâna. Was Crowley als Erfahrung von Dhyâna wahrnahm, war von äußerster Wichtigkeit für ihn. Laut Israel Regardie war es „das wichtigste spirituelle Ergebnis, das er bis dahin erreicht hatte.“40 Dennoch brach Crowley nach diesem schnellen Erfolg seine Übungen ab, und gegen Ende November verließ er Ceylon. Er wollte in den Norden Indiens aufbrechen, wo er mit Eckenstein verabredet war, mit dem er eine neue Expedition zum K2 plante.

      Interessant ist die Tatsache, dass Crowley während seiner Yogaausbildung ein Tagebuch führte, in dem er seine direkten Erfahrungen systematisch aufzeichnete. Während der Monate in Ceylon notierte er sorgfältig alle seine Übungen einschließlich seiner physischen und mentalen Verfassung bei ihrer Durchführung sowie die erzielten Ergebnisse. Dieses Verfahren, das er während seiner Mitgliedschaft beim Golden Dawn gelernt hatte, wendete er auch in seinem weiteren Leben immer wieder an. Für ihn hatte seine magische und spirituelle Arbeit immer einen „experimentellen“ Aspekt, der von den Versuchen der Mitglieder der SPR gar nicht so weit entfernt war.

      Anscheinend hat Crowley in den folgenden Jahren die systematische Yogapraxis nicht wieder aufgenommen, zumindest nicht mit der gleichen Intensität wie während seines „Rückzuges“ nach Ceylon, auch wenn offensichtlich ist, dass seine Erlebnisse in dieser Phase einen tief greifenden Einfluss auf ihn hatten. Später behauptete er, auch Samâdhi erreicht und damit den Pfad der Verwirklichung nach der klassischen Yogalehre vollkommen durchlaufen zu haben, wenngleich er diese Stufe augenscheinlich nicht durch Yogapraktiken, sondern eher durch die Anwendung zeremonieller Magie erreicht hatte.

      Eines sollten wir stets im Gedächtnis behalten, wenn es um die Verbindung zwischen Yoga und Magie gemäß Crowley geht:41 er betrachtete seine Erfahrung von Dhyâna – und später Samâdhi – als demselben spirituellen Pfad zugehörig wie seine Initiation in den Golden Dawn und seine magischen Praktiken.42 Dies bedeutet, dass er damit fortfuhr, dieselbe initiatische Grundstruktur, die er im Golden Dawn vorfand, auf alle seine spirituellen Erlebnisse zu übertragen. Alles passte in dieses Paradigma und wurde aus diesem heraus interpretiert. Da es ihm durch seine eigene Distanzierung von Orden nicht mehr möglich war, durch formale Initiationsriten innerhalb dessen initiatischer Struktur aufzusteigen, kreierte er auf der Basis seiner Erfahrungen eigene nachfolgende Einweihungsgrade. Crowley glaubte daran, dass sein spiritueller Werdegang kontinuierlich und beständig sei; ohne Einbeziehung dieses Aspektes ist die Bedeutung und Wichtigkeit, die diese Erfahrungen aus seiner persönlichen Perspektive heraus hatten, kaum zu verstehen.

      Andererseits hielt diese besondere Betrachtung seines spirituellen Werdegangs ihn nicht davon ab, seine Erfahrungen nicht allein auf der Grundlage traditioneller spiritueller Voraussetzungen, sondern auch von einer psychologischen Warte aus zu interpretieren. In seiner Autobiographie schreibt er, dass er Anfang 1904 mit seiner Ehefrau Rose, die er ein paar Monate zuvor geheiratet hatte, im Rahmen ihrer Hochzeitsreise auf einem Schiff unterwegs gewesen sei, das sie von Colombo nach Ägypten bringen sollte. Dies war kurz bevor im Frühling desselben Jahres in Kairo jene Ereignisse eintraten, die ihn zur Offenbarung des Book of the Law führten. Auf dem Schiff traf er den englischen Psychiater Henry Maudsley (1835 - 1918), der eine Reihe von Büchern über die Verbindung von Körper und Geist aus einer rein materialistischen Perspektive heraus veröffentlicht hatte.43 Interessanterweise hatte Maudsley sich auch mit mystischen Phänomenen auseinandergesetzt und einen Artikel über Swedenborg veröffentlicht, in welchem er schlussfolgerte, dass der schwedische Visionär an einer „messianischen Psychose“ gelitten habe, die Maudsley als „Monomanie“ ansah, die möglicherweise durch Epilepsie hervorgerufen worden sei.44 Laut John Johnson wurde dieser Artikel von den Swedenborgianern heftig kritisiert, was vielleicht der Grund war, warum Maudsley in seinen späteren Werken auf weitere Anspielungen auf Swedenborg verzichtete.45 Diese Episode ist interessant, da sie zeigt, dass die Auffassung, die Maudsley von mystischen und spirituellen Phänomenen im Allgemeinen hatte, offensichtlich auf einer Reduktion auf den psychopathologischen Blickwinkel basierte. Crowley verstörten Maudsleys Vorstellungen vom Mystizismus anscheinend wenig. Vielmehr nutzte er die sich durch diese zufällige Begegnung bietende Gelegenheit und ging auf Maudsley zu, um mit ihm über das Thema Yoga zu diskutieren. Crowleys Bericht dazu in The Confessions verdient es, in voller Länge zitiert zu werden:

      Wir sprachen über Dhyana. Ich war ziemlich sicher, dass das Erreichen dieses Zustandes, und noch mehr von Samadhi, die Befreiung von den Hemmungen bedeutete, welche die Manifestationen des Genies unterdrückt, oder (praktisch dasselbe in anderen Worten ausgedrückt) die Fähigkeit, die Energie des Universums anzuzapfen. Nun, was auch immer, Samadhi ist zumindest ein Geisteszustand wie tiefes Nachdenken, Ärger, Schlaf, Vergiftung und Melancholie. Sehr gut. Jeder Geisteszustand ist begleitet von entsprechenden Zuständen des Körpers. Läsionen der Hirnsubstanz, Störungen der Blutversorgung usw. werden in scheinbar zwangsläufiger Verbindung zu diesen Geisteszuständen beobachtet. Außerdem wissen wir bereits, dass bestimmte mentale oder spirituelle Zustände durch physische oder chemisch-physische Bedingungen ausgelöst werden. Zum Beispiel können wir einen Mann in Ausgelassenheit oder in Wut oder ähnliches versetzen, indem wir ihm Whisky geben. Wir können Schlaf durch Verabreichung von Drogen wie Veronal herbeiführen. Wir können ihm sogar (wenn wir wollen, dass es auf die Spitze getrieben wird) durch eine Betäubung mittels Kokain, Äther usw. Mut suggerieren. Wir können phantastische Träume mit Haschisch hervorrufen und farbige Halluzinationen mit Anhalonium Lewinii; wir können sogar mittels eines Sandsacks dafür sorgen, dass er „Sterne sieht“. Warum sollten wir dann nicht in der Lage sein, eine pharmazeutische, elektrische oder chirurgische Methode zu entwickeln, um Samadhi herbeizuführen, Genialität genauso einfach zu erschaffen, wie andere Arten besonderer Erregung? Morphium macht Männer auf eine negative Weise heilig und glücklich; warum sollte es da nicht eine Droge geben, die das positive Äquivalent dazu hervorruft? Der Mystiker schnappt vor Entsetzen nach Luft, aber um ihn können wir uns wirklich nicht kümmern. Er ist es, der die Natur verlästert, weil er Unterbrechungen in ihren Abläufen voraussetzt. Nimm an, dass Samadhi einzigartig ist, und der ganze verworfene Humbug vom Übernatürlichen kehrt zurück.46

      Dies ist vielleicht einer der faszinierendsten Abschnitte von Crowleys Autobiographie, weil er uns darin, durch seine Zurschaustellung psychologischer Begriffe („Hemmungen, die unterdrücken“), direkt in die Komplexität seiner Haltung spirituellen Praktiken gegenüber einführt. Wir können klar die Art des Diskurses erkennen, den er zu entwickeln versucht, um diese Praktiken für den wissenschaftsgläubigen modernen Menschen – selbst in seiner radikalsten reduktionistischen Ausprägung, die zum Beispiel von Maudsley repräsentiert wird – annehmbar zu machen. Crowley behauptet, dass der berühmte Psychiater auf die Argumente seines Mitreisenden positiv reagierte: „Maudsley stimmte – sehr zu meiner Überraschung – mit all diesen Thesen überein, aber er konnte auf keine plausible Forschungslinie verweisen.“47 Es ist schade, dass wir Maudsleys Version dieser Episode nicht kennen und nie erfahren werden, wie er wirklich über diese zufällige Konversation gedacht hat. Wenn wir jedoch seine ziemlich ablehnende Haltung gegenüber dem Mystizismus im Allgemeinen betrachten, überrascht es nicht, dass er am Ende keine Empfehlung für eine „plausible Forschungslinie“ geben wollte.

      Ebenso interessant ist, dass man in den oben zitierten Zeilen möglicherweise den Einfluss von