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Aleister Crowley & die westliche Esoterik


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scheint er dabei an der Unterscheidung gewesen zu sein, die James zwischen „einmal geborenen“ und „zweimal geborenen“ Religionen machte.18 Doch ebenso interessierte ihn, was James über Yoga einerseits und über die Erlebnisse religiöser „Genien“ – damit sind die Religionsstifter gemeint – andererseits zu sagen hatte. Auf dieses Thema werde ich noch zurückkommen.

      Ein weiterer interessanter Punkt ist, dass Crowley mit den Aktivitäten der Society for Psychical Research (SPR) und einigen ihrer Mitglieder wohlvertraut war. In Anbetracht dessen sollte ein interessantes Detail in Crowleys Biographie berücksichtigt werden: 1895 wurde er als Student am Trinity College in Cambridge aufgenommen, wo er die nächsten drei Jahre verbringen sollte. Auch, wenn er das Studium nicht abschloss, war die Zeit, die er in Cambridge verbrachte, extrem wichtig für ihn und hat, wie ich schon an anderer Stelle ausführte, seine intellektuelle Entwicklung unauslöschlich geprägt.19 Das Trinity College war nicht nur eine der ältesten und angesehensten Hochschulen der Universität von Cambridge; es war auch der Ort, an dem sich 1882 die Society for Psychical Research formierte. Drei seiner bedeutendsten Gründer – Henry Sidgwick, Frederic Myers und Edmund Gurney – waren tatsächlich Mitglieder dieses Kollegs.20 Sidgwick und Myers starben kurz hintereinander 1900 bzw. 1901 (Gurney war bereits 1888 verstorben), und wir wissen nicht, ob Crowley ihnen jemals persönlich begegnet ist. Zumindest war er jedoch mit anderen, jüngeren Mitgliedern der SPR bekannt, wie beispielsweise mit Everard Feilding (1867 - 1936), welcher von 1903 bis 1920 als Sekretär der Gesellschaft fungierte, und mit Hereward Carrington (1880 - 1958), der ein populäres Buch über die Projektion des Astralkörpers geschrieben hatte.21 Laut Crowleys Biograph Richard Kaczynski stand Feilding Crowley so nahe, dass er sogar den Eid als Probekandidat zu dessen okkultem Orden, dem A ∴ A ∴, unterzeichnet hatte.22 Darüber hinaus stellte Crowley Feilding mit dem Pseudonym Lord Anthony Bowling in seinem Roman Moonchild dar.

      1908 waren Feilding und Carrington im Auftrag der SPR unterwegs, um die Fähigkeiten des berühmten italienischen Mediums Eusapia Palladino (1854 - 1918) zu untersuchen. Der Bericht ihrer Untersuchung wurde ein Jahr später veröffentlicht und fiel positiv zugunsten des Mediums aus.23 In seiner Autobiographie erzählt Crowley, wie er das Buch sorgfältig studierte und die erste Gelegenheit während eines Italienaufenthaltes 1911/​1912 nutzte, Palladino aufzusuchen und sie während einer Séance auf die Probe zu stellen.24 Interessant ist die Feststellung, dass Crowley den Phänomenen, die Palladino evozierte, anscheinend weit skeptischer gegenüber stand, als die beiden professionellen Parapsychologieforscher. Am Ende kommt er zu dem Schluss, dass alle außergewöhnlichen Phänomene, deren Zeuge er während der Séance geworden war, sehr wahrscheinlich das Ergebnis von Taschenspielertricks und Zauberei gewesen seien. Auf denselben Seiten beschreibt Crowley auch ein paar Erlebnisse, die er mit anderen Medien hatte, und stellt Betrachtungen über die parapsychologische Forschung an.25 Seine Haltung dazu ist auf der ganzen Linie negativ. Nicht nur, dass ihn weder Berichte, die er gelesen hatte, noch Séancen, deren Zeuge er war, von der Authentizität mutmaßlicher paranormaler Phänomene überzeugen konnten; er arbeitete auch eine Theorie aus, die erklären sollte, warum so viele Männer der Wissenschaft, die nicht selten als Skeptiker angesehen waren, an irgendeinem Punkt in ihrem Leben zum Glauben an spiritistische Phänomene „konvertierten.“ Nach Crowley ist ein Muster in dem Umstand zu erkennen, dass diese Konversion oft in einem bestimmten Alter stattfindet, „wenn die sexuellen Kräfte nachzulassen beginnen.“26 Mit anderen Worten: Parapsychologieforscher seien anfällig für Leichtgläubigkeit, weil ihre schwindenden Lebensenergien ihre Urteilskraft beeinträchtigen.

      Es ist erwiesen, dass Crowleys Skepsis gegenüber den paranormalen Phänomenen, die von der SPR erforscht wurden, irgendwie mit der Polemik zu tun hatte, die Okkultisten und Spiritisten spaltete, seitdem diese beiden Bewegungen ihren Anfang genommen hatten.27 Die Okkultisten argumentierten gewöhnlich dahingehend, dass sie die Interpretation spiritistischer Phänomene in Frage stellten – besonders, was die Identität der Wesenheiten betraf, die mutmaßlich in die Séancen involviert waren –, aber nicht ihre Übernatürlichkeit an sich. Crowley jedoch ging einen Schritt weiter und nahm eine noch radikalere Haltung ein, indem er die Authentizität der Phänomene selbst bestritt.

       Crowleys Vorstellung von Yoga

      Crowleys naturalistische Interpretation übernatürlicher Phänomene war nicht auf den Spiritualismus oder die parapsychologische Forschung beschränkt. Wie ich bereits ausgeführt habe, übertrug er psychologische und naturalistische Auslegungen auch auf seine eigenen spirituellen Praktiken. Um diesen Aspekt von Crowleys Gedanken auswerten zu können, werde ich mich auf den folgenden Seiten auf seine Annäherung an Yoga einerseits sowie an die Magie andererseits konzentrieren.

      Crowley „entdeckte“ Yoga „an Ort und Stelle“, nämlich in Indien, oder genauer gesagt, in Ceylon (dem heutigen Sri Lanka) um 1901. Zu jener Zeit war das für einen Europäer noch sehr unüblich.28 All sein späteres Wirken war von diesen Erlebnissen beeinflusst, und Yoga wurde zu einem wichtigen Teil seiner Praxislehren.29

      Als Crowley zum ersten Mal nach Indien ging, war er gerade mal sechsundzwanzig Jahre alt. Anfang August 1901 befand er sich in Ceylon.30 Bis dahin war er einige Monate gereist. Im Frühling 1900 war der berühmte Konflikt im Golden Dawn ausgebrochen, in welchem MacGregor Mathers von einer Gruppe prominenter Ordensmitglieder als Leiter des Ordens angefochten wurde. Crowley stand in diesem Konflikt an Mathers’ Seite und wurde damit zu einem derjenigen, die Chaos und Uneinigkeit in diesen Okkultistenverband brachten.31 Im Anschluss daran beschloss er, enttäuscht und desorientiert, England für längere Zeit zu verlassen, und machte sich auf die Reise, die länger als ein Jahr dauern würde.

      Sein erstes Anlaufziel war Mexiko, das er im Juli 1900 erreichte. Er blieb dort für mehrere Monate, und während seines Aufenthalts stieß sein Freund Oscar Eckenstein (1859 - 1921) dazu. Eckenstein war ein Eisenbahningenieur mit einer Leidenschaft für das Bergsteigen.32 Er hatte mit Crowley zusammen schon einige Gipfel der Alpen erklommen, und in Mexiko erkletterten sie einige der höchsten Berge des Landes. Diese Bergtouren sollten auch ein vorbereitendes Training für die Expedition zum Himalaya sein, die die beiden Männer planten. Crowleys Autobiographie ist zu entnehmen, dass er Eckenstein sehr bewunderte und als seinen Lehrmeister im ernsthaften Bergsteigen bezeichnete. Interessant ist jedoch, dass die Bergsteigerei nicht der einzige Bereich war, in dem Crowley von Eckenstein lernen konnte. In seiner Autobiographie schreibt Crowley, dass sein Freund ihm während ihres Aufenthaltes in Mexiko eine Grundübung der Konzentrationstechnik beigebracht habe, die darin bestand, ein Objekt zu visualisieren und dieses Bild so lange wie möglich im Gedächtnis zu behalten.33 Das Ziel war natürlich, eine gewisse Kontrolle über die Gedankenprozesse zu erlangen. Leider teilt Crowley nichts darüber mit, wo Eckenstein seine Techniken erlernt hatte, macht aber deutlich, dass dieser mit Magie nichts zu tun habe und sich sogar über seinen jüngeren Freund und dessen okkulte Interessen lustig machte.34 Doch ist auch interessant, dass – nach einer von Crowley unabhängigen Quelle – Eckenstein besonders an Telepathie interessiert gewesen ist.35 Crowley begann, so zu trainieren, wie es ihm sein älterer Freund geraten hat.36 Offensichtlich bereiteten diese frühen Experimente ihn auf seine Begegnung mit Yoga vor, die ein paar Monate später stattfinden sollte.

      Nachdem er sich von Eckenstein getrennt und Mexiko verlassen hatte, überquerte Crowley den Pazifik, um zu einem anderen Freund zu gelangen: Allan Bennett (1872 - 1923), der ebenfalls Mitglied des Golden Dawn gewesen war und mit dem Crowley sich in London zeitweise eine Wohnung geteilt hatte.37 Auch Bennett hatte die Rolle eines Mentors für Crowley innegehabt, doch ging es in seinem Fall speziell um magische Angelegenheiten, und er war auch derjenige gewesen, mit dem Crowley seine Drogenexperimente im Rahmen magischer Zeremonien begonnen hatte. Bennett hatte England ein Jahr zuvor aufgrund seiner angeschlagenen Gesundheit verlassen und sich nach Ceylon zurückgezogen, wo er zum Buddhismus konvertiert war und von einem einheimischen Meister in Yoga unterrichtet wurde. Nach seinem Umzug nach Ceylon hatte Bennett jegliches Interesse am Praktizieren westlicher Ritualmagie, wie er sie im Golden Dawn gelernt hatte, verloren. Crowleys Enttäuschung über die jüngsten dramatischen Ereignisse innerhalb des Ordens hatte auch ihm die Begeisterung für Magie genommen und ihn offen für neue spirituelle Abenteuer gemacht.

      Bennetts Yogalehrer war der