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Aleister Crowley & die westliche Esoterik


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uns an die Tatsache, dass Crowley, auch wenn er sich in der obigen Passage sehr bemüht zeigt, einem eingefleischten Materialisten wie Maudsley die Vertretbarkeit seiner Ideen vor Augen zu führen, zu James eher eine Affinität verspürt haben dürfte. Genau genommen, ist es wichtig zu erwähnen, dass James, gemeinsam mit den führenden Persönlichkeiten, die in die parapsychologische Forschung in England und den Vereinigten Staaten involviert waren, im Hinblick auf den höchsten spirituellen Wert religiöser Erfahrungen eine weit weniger radikale Position vertrat als Maudsley.49 Das Konzept von Inspiration in Verbindung mit den Stiftern von Religionen ist ein Thema, das sich in Crowleys Werken oft wiederfindet. In einem anderen Abschnitt in The Confessions erwähnt Crowley James explizit, und zwar genau in Bezug auf das Problem des religiösen Genies:

      Die grundsätzliche Vorstellung der östlichen Religionen … ist die Befreiung von der Illusion der Existenz. Die Wirkung von Samadhi ist erstens die Glückseligkeit, die von der Befreiung vom Schmerz herrührt. Später verschwindet die Glückseligkeit und macht einem vollkommenen Gleichmut Platz. Doch wir müssen nicht so weit in ihre Philosophie vordringen oder sie annehmen. Teilweise dank William James’ Varieties of Religious Experience hatte ich die Idee, Methoden des Yoga einzusetzen, um willentlich Inspiration hervorzubringen. James führt aus, dass die verschiedenen religiösen Lehrer ihre Macht und ihren Einfluss auf die Menschheit im Wesentlichen auf dieselbe Weise erlangten: indem sie Samadhi erreichten. Die Trance gibt höchste spirituelle Energie und absolutes Selbstvertrauen; sie entfernt die gewöhnlichen Hemmungen, die das Handeln verhindern. Ich schlage vor, dass jedermann diese Kraft nutzen sollte, seine Fähigkeiten zu entwickeln und seine Ambitionen zu erwecken, indem er die Wirkungen der Trance in seinem Leben kanalisiert. Diese Idee verbindet gleichzeitig Mystik und Magick, denn eine der wichtigsten Handlungen der Magick ist, den Gott anzurufen, der mit dem, was du möchtest, korrespondiert, dich mit Ihm zu identifizieren und dein Wirken mit seinem reinen Antrieb zu durchdringen. Dies bedeutet, genau genommen, Samadhi mit diesem Gott zu erlangen.50

      Crowley denkt hier sicher an den Abschnitt über Yoga in James’ Varieties of Religious Experience.51 In Wahrheit äußert sich James in diesem Abschnitt alles anders als eindeutig zur Rolle von Samâdhi – oder gleichartiger mystischer Erfahrungen – im Leben religiöser Führer, doch ist dieses tatsächlich ein Thema, das in anderen Teilen des Buches mehrfach wiederkehrt, wenn auch nicht notwendigerweise so, wie Crowley es wiedergibt. Crowley hatte das Thema bereits ausführlich am Anfang von Book Four behandelt, in dem Teil, der dem Yoga gewidmet war und der erstmals 1912 veröffentlicht wurde.52 Es ist wichtig, zu verstehen, dass Crowley auf jenen Seiten nicht nur seine eigene besondere magische Lehre entwickelt, sondern seine Interpretation der mystischen Erfahrung auch als Grundlage für ein vergleichendes Verständnis religiöser Phänomene anbietet. Indem er das tut, baut er klar auf seiner Lektüre von James auf.

      Laut Crowley verbringen alle Stifter von Religionen eine Zeit ihres Lebens in der Zurückgezogenheit oder in einem Versteck. Wenn sie wieder auftauchen, sind sie im Besitz der Energie, die nötig ist, um eine neue Religion zu begründen. Was geschieht während der Zurückgezogenheit? Nach Crowley war das, was Moses, Jesus, Mohammed, Buddha und allen anderen Religionsstiftern widerfahren ist, eine mystische Erfahrung, die dem gleichkommt, was in der Yogatradition Samâdhi genannt wird. In anderen Traditionen, wie der christlichen Mystik, spricht man davon als einer „Einheit mit Gott.“53 Wenn diese religiösen Führer ihre Erfahrungen auf unterschiedliche Weise geschildert haben, so liegt das an ihren unterschiedlichen kulturellen Hintergründen; das Phänomen selbst war jedoch immer und überall dasselbe. Darum sprach zum Beispiel Mohammed mit dem Erzengel Gabriel, gelangte Buddha zur Erleuchtung, und traf Moses Gott auf dem Berge Sinai.

      Die Konsequenzen von Crowleys Überlegungen sind nicht schwer zu erkennen: Wenn die religiösen Führer alle dieselben Phänomene erlebt haben und diese mit Samâdhi gleichgesetzt werden können, dann bietet Yoga (oder eine ähnliche Methode wie beispielsweise die Zeremonialmagie) potentiell eine durch Erprobung bestätigte Technik, „willentlich“ Inspiration und – in letzter Konsequenz – die Fähigkeit zu erlangen, eine neue Religion zu begründen. Zwar zieht Crowley diesen Schluss nicht explizit, doch ich denke, es ist offensichtlich genug. Crowley hat selbst – nach eigener Aussage – Samâdhi erreicht, und das hat ihn legitimiert, eine neue Religion zu gründen. Dies ist genau das, was Crowley behauptete, getan zu haben, nachdem er den Text von The Book of the Law von einer Wesenheit empfangen hatte, die er als übermenschlich bezeichnete – nur wenige Monate nach seiner Begegnung mit Maudsley auf seiner Reise nach Ägypten. In Book Four scheint Crowley auch die Notwendigkeit einer übernatürlichen Erklärung für dieses Erlebnis und alles, was daraus folgt, zu bestreiten:

      Zusammenfassend bestätigen wir eine geheime Energiequelle, die das Phänomen des Genius erklärt. Wir glauben nicht an übernatürliche Erklärungen, doch wir bestehen darauf, dass diese Quelle im Folgenden ohne eindeutige Regeln erreicht werden kann; der Grad des Erfolges hängt von der Fähigkeit des Suchenden ab und nicht von den Vorlieben irgendeines göttlichen Wesens. Wir behaupten, dass das entscheidende Phänomen, das den Erfolg bestimmt, ein Ereignis im Gehirn ist, das im Wesentlichen durch die Vereinigung von Subjekt und Objekt geprägt ist.54

       Crowleys Einstellung zur Magie in Bezug auf geistige Wesenheiten

      Mit der willentlichen Erschaffung des Genius und der daraus folgenden Macht, der Menschheit einen neuen Glauben aufzuerlegen, befinden wir uns an der Wegkreuzung von Yoga und Magie, denn aus Crowleys Sicht können beide Pfade zu diesem außergewöhnlichen Ergebnis führen. Darum werde ich mich jetzt auf Crowleys Einstellung zur Magie konzentrieren, besonders auf die Beschaffenheit der Wesen, mit welchen der Magier mutmaßlich mithilfe magischer Rituale kommuniziert.

      Wie ich bereits ausgeführt habe, würde eine umfassende Erörterung aller komplexen Aspekte von Crowleys Beziehung zur Magie, sowohl von der theoretischen, als auch von der praktischen Warte aus betrachtet, den Rahmen dieses Aufsatzes übersteigen. Es wird jedoch sinnvoll sein, zumindest einige bestimmte grundsätzliche Punkte anzusprechen. Aleister Crowleys ganzes Leben war auf diese Beziehung hin ausgerichtet, die daher, wenn es darum geht, diesen Mann und seine Ideen zu verstehen, von essentieller Bedeutung ist. Man kann sagen, dass die Beschäftigung mit Magie, gerade im okkulten Kontext, vor Crowley eine überwiegend intellektuelle Angelegenheit war und nicht der Mittelpunkt, an welchem eine Person ihr ganzes Leben mit all seinen Aspekten orientiert. Für viele, die sich mit Okkultismus befassten, war dieser nicht viel mehr als eine exzentrische Freizeitbeschäftigung, und so schien es auch bei vielen Mitgliedern des Hermetic Order of the Golden Dawn der Fall gewesen zu sein.55 Für Crowley wird die Magie zu einer Aktivität, die alles vereinnahmt, zum Brennpunkt aller Sehnsüchte und Ambitionen, die ein Mensch je in seinem Leben haben mag. Es ist ein Weg der spirituellen Suche, der nicht nur den ganzen Lebenslauf umfasst, sondern auch eine vollständige Hingabe erfordert. Erfolg in Angelegenheiten des Alltags kann daher nicht als Maßstab für das Fortkommen auf dem spirituellen Weg genommen werden.56 Im Prinzip sollte man sich darauf vorbereiten, alle seine Neigungen und irdischen Interessen aufzugeben, um die höchsten Stufen auf der Einweihungsleiter zu erreichen.57 Crowley hat mehrmals behauptet, dass er genau das in seinem Leben getan habe, und dass dieses auch der Hauptgrund gewesen sei für den Verlust seines Vermögens, das er von seiner Familie geerbt hatte, wie auch für seine anderen persönlichen Missgeschicke.58 Dadurch wird eine, vielleicht unerwartete, Form der Askese in Crowleys magisches System eingebracht, die nicht nur dem überbordenden Hedonismus von Thelema zu widersprechen scheint, der in The Book of the Law deutlich zum Ausdruck kommt, sondern auch mit Crowleys explizit verkündeter Absicht, die Magie der Masse zugänglich zu machen.59

      Anders als einige seiner Vorgänger, wie etwa Eliphas Lévi oder H. P. Blavatsky, die die Magie in einer ähnlichen Sprache beschrieben, jedoch nicht unbedingt immer die praktischen Konsequenzen gezogen hatten, betrachtete Crowley die Magie nicht als eine rein theoretische Angelegenheit, sondern auch als eine, die bis in ihre extremsten Konsequenzen existentiell erfahrbar ist. Außerdem verlangte er – ebenfalls anders als seine Vorgänger – von seinen Schülern und Anhängern dieselbe absolute Hingabe an die Magie, mit der er ihr sich auch selbst gewidmet hat. Wie wohlbekannt ist, war eine logische Folge dieser Radikalisierung