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Ecclesiae et scientiae fideliter inserviens


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ist in aller Regel besser, dies bereits klar zu sagen, wenn es offenkundig ist, und von einem Verfahren abzuraten, statt eine entsprechende Enttäuschung am Ende eines oft langen und anstrengenden, aber aussichtslosen Weges nicht vermeiden zu können. Keinesfalls kann die Aufgabe eines Eheprozesses darin gesehen werden, Nichtigkeitsgründe zu erfinden.

      3. Die hier veröffentlichten Zahlen und Grafiken zeigen die Entwicklung des Aufkommens neuer Eheprozesse in dem für das Kölner Offizialat verfolgbaren Zeitraum seit 1937 und für alle kirchlichen Gerichte im Bereich der DBK seit 1980.

       Tabelle 3

       Tabelle 4

      Würde man die kirchliche Zeitgeschichte für diese Zeiträume zurückverfolgen, so könnte man sicher bestimmte Ereignisse ausmachen, die auf die Entwicklung des Interesses betroffener Personen an einem Eheverfahren von Einfluss waren. Die bis heute immer wieder ins Feld geführte „Caroline-Entscheidung“ aus dem Jahr 199216 ist hier ebenso zu nennen wie die von manchen mit illusionären Vorstellungen verknüpften Diskussionen auf den letzten Bischofssynoden und die Reform des Prozessrechts durch Papst Franziskus.

      4. Bleiben wir noch einen Moment bei der vorletzten Tabelle, so fällt auf, dass die Zahlen der zweitinstanzlichen Verfahren mit dem Jahr 2016 abrupt abgebrochen sind. Der Abbruch begann schlagartig mit der tatsächlichen Veröffentlichung der Änderungen der bisherigen Eheprozeßordnung am 8. September 201517, auf deren Problematiken der Verfasser an anderem Ort ausführlich eingegangen ist18.

      5. Kardinal Meisner, der in seiner Zeit als Erzbischof von Köln (1989-2014) fast jedes Jahr die an seinem Offizialat Tätigen besucht hat und für ihre Arbeit zu motivieren bemüht war, hat dabei sehr oft an ein Wort aus der Heiligen Schrift erinnert, das sich im Kontext von Almosen, Fasten und Gebet im Matthäusevangelium (6,4.6.18) findet: „Der Vater, der auch das Verborgene sieht“, werde auch den Dienst der kirchlichen Gerichte vergelten, der wegen der gebotenen Diskretion19 öffentlich kaum wahrgenommen, meist kritisch / negativ dargestellt20 oder fast totgeschwiegen21 wird.

      Dies mag getrost unsere feste Hoffnung bleiben. Freilich: In einer Kommunikationsgesellschaft weckt „das Verborgene“ nicht nur Misstrauen, das der Sache immer schadet, sondern es gilt: „Wer schweigt, ist immer draußen, macht sich unmöglich.“22 Wer in den Medien nicht vorkommt, ist nicht „da“.23

      Wie folgenreich diese Gesetzmäßigkeiten sind, zeigt ein Blick durch den Zaun der Eheprozesse auf das kirchliche Strafrecht, dessen weitgehende Ignorierung durch die kirchliche Praxis im Kontext der Missbrauchsdebatte offenkundig wurde.24 Bezeichnenderweise wurde dies nach Wahrnehmung des Verfassers mehr und heftiger ab extra als ab intra beklagt.25

      6. Auch die folgende Grafik, eine Momentaufnahme vom Ende 2017, die die Zahlen der neuen erstinstanzlichen Verfahren in Relation zur Zahl der Katholiken in den einzelnen deutschen Bistümern bzw. Gerichtsbezirken setzt, wirft die Frage auf, wie sich die z. T. enormen Unterschiede erklären lassen.

      Der Verfasser ist wiederum davon überzeugt, dass die „Insider“, d. h. die jeweiligen Offiziale und ihre Mitarbeiter, die zutreffendsten Antworten geben könnten. Es werden sicherlich ebenso strukturelle wie personelle Faktoren sowohl für die bislang konstanten wie bisweilen veränderten Positionen dieses „Rankings“ eine Rolle spielen. Der für die „Akquise“ überaus belangvolle gute Kontakt zu den in der Pastoral wie in der Eheberatung unmittelbar tätigen Geistlichen und Laien26 ist gewiss weit wichtiger als das Bemühen um eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit der kirchlichen Gerichte.27

      7. Die letzte Statistik zeigt in grafischer Aufarbeitung, welche Nichtigkeitsgründe im Jahr 2017 an den deutschen Kirchengerichten tatsächlich judiziert wurden. In den 643 gefällten Urteilen wurden isg. 1023 capita verhandelt.28

      Ein Vergleich mit den Vorjahren ergibt hier vor allem die Veränderung, dass die immer noch besonders häufigen Vorbehalte gegen Unauflöslichkeit und Nachkommenschaft von Eheschließungs- und Eheführungsunfähigkeiten eingeholt und inzwischen überholt wurden; andere Nichtigkeitsgründe spielen nach wie vor eine eher geringere Rolle bzw. kommen in den Entscheidungen einzelner Jahre gar nicht vor.

      Gerade hier wird man bedauern, dass eine weltkirchliche Tour d’horizon nicht möglich ist, weil ein solch spezifizierter Vergleich interessanter wäre als die sattsam bekannten Erklärungen für den eigenen status quo.29

      V.

      Als der Verfasser nach der Erlangung des Lizentiates im Kanonischen Recht im Sommer 1982 gerne aus Rom nach Köln zurückgekehrt wäre, wurde diesem Wunsch nicht stattgegeben, obschon damit doch eine wichtige gesetzliche Voraussetzung für die Verleihung bestimmter Ämter und Aufgaben gegeben war, die dann nach dem Doktorat auf ihn als „kirchlichen Gebrauchsjuristen“ warteten. Je länger er in diesem Arbeitsfeld tätig ist, umso mehr erstaunt ihn, wie scheinbar selbstverständlich und sogar von den Zahlen unangefochten dieser „Betrieb“ weitergeht. Die Gründerväter und „alten Recken“, die die große Konferenz für alle deutschsprachigen Offizialate ins Leben riefen und mit ihrer Autorität lange Zeit beherrschten, sind gestorben. Auch die Generation ihrer Schüler, zu denen sich der mit dieser Festschrift Geehrte zählen darf, hat zum großen Teil Jüngeren Platz gemacht. Diese bevölkern munter nicht nur die „großen“ Konferenzen, die nur noch alle zwei Jahre stattfinden, sondern nehmen gerne im Rahmen der für uns alle obligaten Weiterbildung auch noch andere Angebote wahr. Diese werden in zunehmender Zahl entweder regelmäßig von bestimmten Ausbildungsstätten angeboten, z. B. das „Colloquium Iuris Canonici“ der Kirchenrechtlichen Fakultät der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom und die sog. „DPM-Tagungen“, oder sporadisch von einzelnen Lehrstühlen organisiert. Neben das traditionsreiche Kanonistische Institut (heute: Klaus-Mörsdorf-Studium für Kanonistik der Universität München) ist in Deutschland ein zweiter kirchenrechtlicher Ausbildungsgang in Münster getreten, der seine Existenz maßgeblich dem großen persönlichen Engagement von Prof. Dr. Klaus Lüdicke verdankt und vielen Interessierten den Erwerb der akademischen Grade ermöglicht hat, die für die Verleihung bestimmter Ämter und Aufgaben vom Recht vorausgesetzt werden. Das seit 1857 bestehende „Archiv für katholisches Kirchenrecht“ wird seit 1994 durch die von Prof. Güthoff und Dr. Selge herausgegebene Zeitschrift „De Processibus Matrimonialibus“ ergänzt, ein gerne genutztes Forum speziell für ehe- und prozessrechtliche Publikationen. Deren Anteil an den kanonistischen Veröffentlichungen isg. ist ausweislich der mit großer Aufmerksamkeit und Akribie erstellten „Literaturverzeichnisse“ des „Archivs“ nach wie vor zumindest der Zahl nach herausragend.

      Und doch begleitet und beschäftigt den Verfasser dieses Beitrags bereits seit einigen Jahren ein literarischer Text, dem das zweite Zitat im Untertitel entlehnt ist. Er stammt von Ernst Jünger (1895-1998) und findet sich in der 2. Fassung seiner „Figuren und Capriccios“, die unter dem Titel „Das Abenteuerliche Herz“ 1938 veröffentlich wurde: “Historia in Nuce: Der Verlorene Posten“30.

      Sind wir mit unserer Arbeit an den Ehegerichten nicht nur seit je „an der Peripherie“ angesiedelt, sondern sind viele inzwischen, ungeachtet der Reform des Eheprozessrechts durch Papst Franziskus und der Worte in Nr. 244 von „Amoris Laetitia“, nicht bereits über einen Punkt hinaus, den 1969 ein anderer deutscher Schriftsteller, Heinrich Böll (1917-1985), in seinem Hörspiel „Hausfriedensbruch“31 skizzierte? Dort lässt Böll mit Blick auf Menschen, deren Ehe gescheitert ist, den für „Ehesachen“ zuständigen Priester einen jüngeren Kollegen fragen: „Warum lassen sie sich nicht einfach scheiden, pfeifen auf