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Ecclesiae et scientiae fideliter inserviens


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Reden; Beantworten von Fragen vor Beendigung der Frage; Schwierigkeiten beim Warten; Unterbrechen und Stören der Aktivitäten anderer.

      2.2.2.2 Zum Erfragen und Beobachten der Symptome

      Auch hier könnten einige Symptome vom Vernehmungsrichter erfragt werden, wobei die Zeugen womöglich präzisere Beobachtungen zu Protokoll geben können als die Partei, bei der Hyperaktivität und Impulsivität auf der Grundlage einer ADHS behauptet wird. Die Partei selbst könnte immerhin gefragt werden, ob sie gelegentlich von anderen die Rückmeldung erhält, durch ihre äußere Unruhe, ihr übermäßiges Reden, ihr Ins-Wort-Fallen, etc. zu stören.

      Entsprechende Beobachtungen in der Vernehmungssituation zur Diagnostik hinzuzuziehen erscheint hingegen kritisch: Die im Störungssinn hyperaktive, impulsive Partei könnte sich für die Dauer der Anhörung „zusammenreißen“; umgekehrt gibt es eine Reihe von Erklärungen für besonders zappeliges, unruhiges Verhalten in der Anhörung (insbesondere dann, wenn es sich zum Ende des Gespräches hin steigert).

      2.2.3 Gemischtes Erscheinungsbild

      Wenn sowohl beim Kriterium Unaufmerksamkeit als auch beim Kriterium Hyperaktivität / Impulsivität mindestens fünf Symptome vorliegen, spricht der DSM-5 vom sog. „Gemischten Erscheinungsbild“. Soweit die Literaturrecherche es ergab, liegen nur für dieses Gemischte Erscheinungsbild Diagnoseskalen vor.

      2.2.3.1 Zu möglichen (vom Gutachter verwendeten) Rating Scales

      Wenn ein Gutachter hinzugezogen wird, wird er gegebenenfalls einen der zahlreichen Fragebögen, die zur Diagnostik bei Erwachsenen erstellt wurden, zu Hilfe nehmen.

      Die Conners Adult ADHS Rating Scales (CAARS) werden von der Bundesärztekammer in ihrer o. g. Stellungnahme aus dem Jahr 2005 zur Erfassung der aktuellen ADHS-Symptomatik genannt.24

      Die CAARS und die Brown ADD Scales von 1996 werden von der DGPPN25 in ihren Expertenleitlinien von 2003 empfohlen.26

      Eine Reihe weiterer Fragebögen, etwa die lange gebräuchliche „modifizierte Symptomcheckliste nach DSM-IV“, ist mit Aufnahme der Erwachsenen-ADHS in das DSM-5 als überholt anzusehen.

      2.2.3.2 Anwendbarkeit von Selbstbeurteilungsskalen?

      Eine ganze Reihe von Selbstbeurteilungsskalen steht zur Verfügung. Der kirchliche Richter wird ihnen ohnehin mit Skepsis begegnen, daher wird hier lediglich eine der beiden von der Bundesärztekammer genannten Skalen herausgegriffen: die Diagnosecheckliste ADHS-DC, welche im Jahr 2004 herausgegeben wurde.27 Sie dürfte im Ehenichtigkeitsverfahren allenfalls von Interesse sein, wenn sie zu prozessunverdächtiger Zeit ausgefüllt wurde. Aber auch hier ist einschränkend zu bedenken, dass Betroffene dazu neigen, Symptome bei sich zu sehen. Mit der ungeschickten Antwortskala in vier Stufen (0 = trifft nicht zu; 1 = leicht ausgeprägt, kommt gelegentlich vor; 2 = mittel ausgeprägt, kommt oft vor; 3 = schwer ausgeprägt, kommt nahezu immer vor) wird vermutlich beinahe jede erwachsene Person, die den Bogen aufrichtig ausfüllt, bei sich selbst eine ADHS annehmen können: Der Tendenz einer Testperson, unproblematische Bereiche statt mit „0“ („trifft nicht zu“) mit „1“ („leicht ausgeprägt, kommt gelegentlich vor“) zu beantworten, wird die Auswertung des Tests nicht gerecht, in der es heißt: „Als positiv wird ein Merkmal dann gewertet, wenn seine Ausprägung >0 beträgt.“28 Die Stellungnahme der Bundesärztekammer kommentiert dazu:

      „Im wissenschaftlichen Einsatz kann es manchmal sinnvoll sein, die Schwelle für die Bejahung eines Merkmals zu erhöhen, z. B. kann man als Mindestausprägung „mittel“ (2) verlangen. Damit erzielt man bisweilen bessere psychometrische Werte. Für den Klinik- und Praxisalltag genügt aber die Regel von ICD-10 und DSM-IV, dass ein Merkmal vorhanden ist, selbst wenn die Merkmalsausprägung nur leicht ist.“29

      Der Richter im Ehenichtigkeitsverfahren wird sich, sofern er sich auf die Diagnostik mittels einer Selbstbeurteilungsskala (etwa in Ergänzung zu den übrigen Beweiserhebungen) einlässt, nicht mit einer Schwelle für die Bejahung eines Merkmals zufriedengeben können, die unter jener liegt, die für den wissenschaftlichen Einsatz sinnvoll erscheint.

      Die Informationen, die der Richter zur möglichen ADHS einer Partei in ihrer Kindheit (bis zum 12. Lebensjahr) und in der Gegenwart (Symptomerhebung für die zurückliegenden sechs Monate) erhält, werden ihm womöglich eine Antwort erlauben auf die Frage, ob für die Zeit der Eheschließung mit Gewissheit vom Vorliegen einer ADHS in einem der drei Erscheinungsbilder ausgegangen werden kann.

      3. Eheunfähigkeit infolge ADHS?

      3.1 Zu c. 1095 n. 1 CIC

      Das DSM-5 erklärt zur Diagnose der ADHS: „Die Symptome […] können auch nicht durch eine andere psychische Störung besser erklärt werden“.30 So kommt eine Eheunfähigkeit gemäß c. 1095 n. 1 CIC infolge ADHS nicht infrage, da das Fehlen des hinreichenden Vernunftgebrauchs in den Bereich einer anderen psychischen Störung fällt.

      3.2 Zu c. 1095 n. 2 CIC

      Die Impulsivität bei ADHS legt die Annahme nahe, dass auch das Entscheidungsverhalten der Patienten eingeschränkt ist. Die Mechanismen dazu sind für Jugendliche ansatzweise31, für Erwachsene jedoch fast noch nicht wissenschaftlich untersucht, belastbare quantitative Angaben liegen nicht vor. Eine Antwort auf die Frage, inwieweit bei ADHS von einer möglichen Eheschließungsunfähigkeit gemäß c. 1095 n. 2 CIC ausgegangen werden kann, erscheint zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich.

      3.3 Zu c. 1095 n. 3 CIC

      Die Frage, inwieweit ADHS die Eheführungsfähigkeit eines Erwachsenen rechtserheblich einschränken kann, wird viele Unterpunkte berücksichtigen müssen und letztlich nicht ohne Hinzunahme eines Gutachters zu beantworten sein. Aus Sicht der Verfasserin ist am ehesten an eine relative Eheführungsunfähigkeit infolge ADHS zu denken und daher in jedem Fall die Persönlichkeit des anderen Ehepartners mit in den Blick zu nehmen.

      Einige zu berücksichtigende Aspekte sind:

      1.

      Welches Kriterium der ADHS lag zur Zeit der Heirat vor? Handelte es sich um das Vorwiegend Unaufmerksame Erscheinungsbild, das Vorwiegend Hyperaktiv-Impulsive Erscheinungsbild oder gegebenenfalls das Gemischte Erscheinungsbild? Wie war die Situation beim anderen Ehepartner: War er zur Zeit der Heirat absehbar in der Lage, die Symptome des Kriteriums dauerhaft auszugleichen? Konkret: Konnte er der Hyperaktivität und Impulsivität des Partners begegnen? Konnte er der Unaufmerksamkeit des Partners angemessen begegnen? Oder war er gegebenenfalls durch eigene Einschränkungen daran gehindert?

      2.

      Welcher Schweregrad lag zur Zeit der Heirat vor? Der DSM-5 unterscheidet erstmals drei Gruppen („leicht, mittel, schwer“), wobei nicht nur das Vorliegen der Symptome, sondern auch die Beeinträchtigungen im sozialen Umfeld zur Einordnung in eine der Gruppen entscheidend ist. Bei einem „leichten“ Schweregrad wird man keine Eheunfähigkeit feststellen können, denn er ist gekennzeichnet durch nur „geringfügige Beeinträchtigungen in sozialen, schulischen oder beruflichen Funktionsbereichen“.32

      3.

      Welcher Therapieerfolg war zur Zeit der Heirat zu erwarten? Bestand Compliance hinsichtlich der verschiedenen Therapieformen, auch hinsichtlich der Medikamenteneinnahme? War der andere Ehepartner in der Lage, die regelmäßige – auch medikamentöse -Therapie zuzulassen? Oder war er z. B. verführbar, die Medikamente auch selbst einzunehmen und so das Therapieziel des Ehepartners zu gefährden?33

      4.

      Welche Medikamente wurden zur Zeit der Heirat genommen? Gelang die Medikation ohne Amphetamine? Oder wurden Amphetamine zur Zeit der Heirat genommen, wenn ja, wie lange? Welche Nebenwirkungen wurden zur Zeit der Heirat beobachtet? Kamen gegebenenfalls Schwierigkeiten (auch praktischer Art) durch die Off-Label-Verordnung hinzu? Welche Fähigkeiten hatte der andere Ehepartner, mit dieser Medikation und ihren Nebenwirkungen umzugehen? Bei Amphetaminen ist zusätzlich zu fragen: Wie wurde mit dem Missbrauchs- und Abhängigkeitspotential des Medikamentes umgegangen?

      4. Ausblick

      4.1