Группа авторов

Ecclesiae et scientiae fideliter inserviens


Скачать книгу

Symptome der Unaufmerksamkeit oder der Hyperaktivität-Impulsivität treten bereits vor dem Alter von 12 Jahren auf.“14 Eine ADHS im Erwachsenenalter kann also nur diagnostiziert werden, wenn es bereits in der Kindheit (vor dem 12. Geburtstag15) mehrere Symptome dafür gegeben hat.

      Sollte im Ehenichtigkeitsverfahren keine Diagnostik aus der Kindheit vorgelegt werden können16, so wird also die Frage beschäftigen, ob sich Symptome oder die Diagnose retrospektiv erheben lassen.

      2.1.1

      Mit der Frage, inwieweit der Erwachsene selbst über Symptome in seiner Kindheit Auskunft geben kann, befasste sich mehrere Jahre vor Aufnahme der Erwachsenen-ADHS in das DSM bereits im Jahr 2005 die Bundesärztekammer, die in ihrer auf Empfehlung des Wissenschaftlichen Beirats beschlossenen „Stellungnahme zur Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung (ADHS)“ in der Langfassung erklärt: „Als Selbstbefragungsbogen zur retrospektiven Erfassung der Symptome in der Kindheit ist international die Wender-Utah-Rating-Scale (WURS) am gebräuchlichsten…“17 In Deutschland hat sich eine Kurzform der WURS (WURS-K) durchgesetzt, die nicht mehr die ursprünglichen 61 Fragen, sondern nur noch 21 Fragen (und zusätzlich vier Kontrollfragen zur Überprüfung der Motivation des Antwortenden) enthält. Die Fragen beziehen sich auf den Alterszeitraum von 8-10 Jahren, weichen also von der Obergrenze, die der aktuelle DSM beim 12. Geburtstag zieht, ab.18 Sie verlangen eine Beantwortung auf einer 5-Punkte-Skala.

      Die 21 Items, zu denen eine Einschätzung zwischen „trifft nicht zu“ und „stark ausgeprägt“ gegeben werden soll, werden jeweils mit den Worten „Als Kind im Alter von 8 bis 10 Jahren…“ eingeleitet und lauten dann:

      1. … hatte ich Konzentrationsprobleme bzw. war leicht ablenkbar.

      2. … war ich zappelig und nervös.

      3. … war ich unaufmerksam und verträumt.

      4. … hatte ich Wutanfällle und Gefühlsausbrüche.

      5. … hatte ich ein geringes Durchhaltevermögen, brach ich Tätigkeiten vor deren Beendigung ab.

      6. … war ich traurig, unglücklich und depressiv.

      7. … war ich ungehorsam, rebellisch und aufsässig.

      8. … hatte ich ein geringes Selbstwertgefühl bzw. eine niedrige Selbsteinschätzung.

      9. … war ich leicht zu irritieren.

      10. … hatte ich starke Stimmungsschwankungen und war launisch.

      11. … war ich oft ärgerlich oder verärgert.

      12. … hatte ich eine Tendenz zur Unreife.

      13. … verlor ich oft die Selbstkontrolle.

      14. … hatte ich die Tendenz, unvernünftig zu sein oder unvernünftig zu handeln.

      15. … hatte ich Probleme mit anderen Kindern und keine langen Freundschaften.

      16. … hatte ich Angst, die Selbstbeherrschung zu verlieren.

      17. … bin ich von zuhause fortgelaufen.

      18. … war ich in Raufereien verwickelt.

      19. … hatte ich Schwierigkeiten mit Autoritäten, z.B. Ärger in der Schule oder Vorladungen beim Direktor.

      20. … hatte ich Ärger mit der Polizei.

      21. … war ich insgesamt ein schlechter Schüler / eine schlechte Schülerin und lernte langsam.19

      2.1.2

      Ausdrücklich erklärt der DSM-5, dass die Symptome in mehr als einem Lebensbereich vorgelegen haben müssen und dass dieses Vorliegen in der Regel nur bestätigt werden kann, wenn „Informationen von Beurteilern hinzugezogen werden, die die Person in diesem Lebensbereich tatsächlich gesehen haben“.20 Für den Lebensbereich Familie wäre hier an die Eltern oder Geschwister zu denken und für die Schule an Lehrer oder Mitschüler. Ihnen wären – als Zeugen im Ehenichtigkeitsverfahren und damit durch den Vernehmungsrichter – sinngemäß mit Blick auf die Partei jene Fragen zu stellen, die sich zur retrospektiven Erfassung der Symptome eignen, etwa die der oben dargelegten Wender-Utah-Rating-Scale.

      2.1.3

      Wurden die Symptome sowohl bei der Partei als auch bei den unter 2.1.2 erwähnten Beurteilern erfragt, so ist zu beurteilen, inwieweit die erhobenen Symptome in der Kindheit tatsächlich Symptome der für den Erwachsenen zu diagnostizierenden ADHS sind. Hierzu empfiehlt sich aus Sicht der Verfasserin in der Regel die Befragung eines Gutachters, da die Symptome, die in der Kindheit nicht zur Diagnose „ADHS“ geführt haben, auch auf Differentialdiagnosen hinweisen können, die der kirchliche Untersuchungsrichter womöglich nicht im Blick hat.21

      2.2 Symptome beim Erwachsenen

      Neben dem Vorliegen von Symptomen im Kindesalter fordert das DSM-5 zur Diagnose einer ADHS bei Erwachsenen, dass zum Kriterium Unaufmerksamkeit und / oder zum Kriterium Hyperaktivität / Impulsivität jeweils mindestens fünf der aufgeführten Symptome in den vergangenen sechs Monaten erfüllt sein müssen (während zur Diagnose im Kindesalter der Nachweis von mindestens sechs Symptomen notwendig ist).22

      2.2.1 Vorwiegend Unaufmerksames Erscheinungsbild

      2.2.1.1 Symptome aus dem Bereich der „Unaufmerksamkeit“?

      Als Symptome zählt der DSM-5 auf: Flüchtigkeitsfehler bei der Arbeit; Aufmerksamkeitsprobleme z. B. bei Vorträgen oder längerem Lesen; scheinbare Nichtansprechbarkeit ohne ersichtliche Ablenkung; unvollständiges Erledigen von übertragenen Aufgaben; planlos-desorganisiertes Arbeiten und schlechtes Zeitmanagement etwa auch in Form von Nichteinhalten von Fristen; Vermeiden länger andauernder geistiger Anstrengung; häufiges Verlieren von Gebrauchsgegenständen; leichte Ablenkbarkeit durch äußere Reize oder nicht im Zusammenhang mit der aktuellen Situation stehende Gedanken; häufige Vergesslichkeit bei Alltagstätigkeiten (hier nennt das DSM für Erwachsene z. B. das Vergessen von zugesagten Telefonrückrufen, das Bezahlen von Rechnungen, das Einhalten von Verabredungen).

      2.2.1.2 Zum Erfragen und Beobachten der Symptome

      Einige dieser Symptome könnten vom Vernehmungsrichter direkt erfragt werden, etwa das häufige Verlieren von Gebrauchsgegenständen oder die häufige Vergesslichkeit bei Alltagstätigkeiten. Einige andere Symptome lassen sich womöglich mit der Berufsanamnese erfassen: Wer etwa seit Jahren erfolgreich an einer verantwortungsvollen Position eines Unternehmens arbeitet, dürfte sich nicht durch häufige Flüchtigkeitsfehler bei der Arbeit oder durch planlosdesorganisiertes Arbeiten auszeichnen. Schließlich gibt auch das Verhalten im Verfahren Hinweise auf ein mögliches Vorliegen der Symptome: Wurde die Klageschrift eigenhändig und ohne Flüchtigkeitsfehler verfasst? Wurden die gerichtlichen Schreiben zuverlässig innerhalb der vorgegebenen Fristen beantwortet, wurde der Termin zur Aussage eingehalten oder in angemessener Verbindlichkeit verschoben?

      Hingegen wird das Verhalten einer Partei in der Vernehmung bzw. in der gutachterlichen Exploration wenig Aufschluss geben:

      „Anzeichen der Störung können minimal sein oder fehlen, wenn die Person häufige Belohnungen für angemessenes Verhalten erhält, engmaschig kontrolliert wird, sich in einer neuen Situation befindet, sich mit besonders interessanten Aktivitäten beschäftigt, ständige Anregungen von außen erhält (z. B. über elektronische Medien) oder sich in einer Interaktion mit nur einer Person befindet (z. B. in der Sprechstunde).“23

      Die Vernehmungssituation vereinigt in der Regel die Punkte „neue Situation“, „besonders interessante Aktivität“ und „Interaktion mit nur einer Person“, so dass das Nichtbeobachten entsprechender Symptome nicht zu dem Schluss verleiten darf, dass diese nicht vorliegen.

      2.2.2 Vorwiegend Hyperaktiv-Impulsives Erscheinungsbild

      2.2.2.1 Symptome aus dem Bereich der „Hyperaktivität / Impulsivität“

      Als Symptome zählt das DSM-5 auf: häufiges Zappeln oder auf dem Stuhl Herumrutschen; Aufstehen in Situationen, die ein Sitzenbleiben erfordern;