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es traumatisierte Täter?“ bei Seidler 2013, 162–164. Zum Phänomen „Tätertrauma“ vgl. Giesen, B. & Schneider, Ch. (2013).

      17 Sie erweisen sich damit gerade als besonders ‚resilient‘, was im Resilienzdiskurs nicht immer gut bedacht wird. Dort ist Resilienz meist positiv konnotiert.

      18 Aber auch Jesus verzeihe kein radikal Böses. Für den Täter einer solchen Untat sei es besser, mit Jesus zu sagen: „‚Es wäre ihm nützer, daß man einen Mühlstein an seinen Hals hängte und würfe ihn ins Meer‘“. Vgl. Arendt, H. (2010), 308.

      19 Vgl. exemplarisch die Marburger Dissertation von Poser, R (2012).

      20 So in Luther 1998 thematisiert, vgl. aber auch grundlegend die posthum erschienenen Aufsätze in: Luther, H. (1992).

      21 So allgemeiner geäußert in der Dankesrede anlässlich der Verleihung der Ehrenpromotion an den Bundespräsidenten a. A. am 29. Oktober 2018 durch die Theologische Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Vgl. dazu den abzurufenden Text unter https://www.theol.uni-kiel.de/de/die-fakultaet/retrospektive/ws-2018-19-1/rede-dr-h-c-j-gauck.

      22 In diesem Sinne hatte schon H. Luther den Glauben selbst als das Beunruhigende entworfen (Luther 1998), der die Kraft verleihe, sich am Vorfindlichen zu stören und aus ihm aufzubrechen. Vgl. dazu Luther, H. (2008).

       Eva Barne witz

       „Immer wieder kommen die Alpträume. Dann höre ich, wie das Wasser gegen das Boot schlägt, ich höre die Schreie meiner Freunde. Davon wache ich schweißgebadet auf. Dann brauche ich oft drei Stunden, bis ich wieder einschlafen kann. Und dann geht der Traum wieder von vorne los.“

      Traumatisierung – dieser Begriff ist für viele Menschen untrennbar mit Krieg, Folter und Flucht verbunden, und häufig mit Unsicherheit, Angst und Tabus behaftet. Zugleich wurden Begriffe wie „traumatisiert“, „Trauma“ und „Posttraumatische Belastungsstörung“ (PTBS) in den vergangenen Jahren immer häufiger in deutschen Medien und Publikationen verwendet – oft „unscharf bis inflationär“ (Busch & Hermann 2019). Doch was verbirgt sich hinter dem Begriff Trauma genau? Und warum steigt mit der Anzahl der verschiedenartigen erlebten traumatschen Ereignisse die Vulnerabilität für eine Posttraumatische Belastungsstörung? Auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse aus Neurobiologie und Psychologie sowie traumatherapeutischer Arbeit mit Geflüchteten wird im Folgenden ein Einblick gegeben in die klinische Definition von „Trauma“, in die Genese der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), und in die Narrative Expositionstherapie, einem evidenzbasierten und kulturübergreifend wirksamen Kurzzeitverfahren zur Behandlung multipel und sequenziell traumatisierter Personen (Schauer et al. 2005). Am Kompetenzzentrum Psychotraumatologie der Universität Konstanz habe ich mehrere Jahre Geflüchtete mit dem Ansatz der Narrativen Expositionstherapie behandelt; für vivo international e.V. und andere NGOs im internationalen Kontext bilde ich Therapeuten und Therapeutinnen darin aus, mehrfach und sequenziell traumatisierte Personen zu behandeln. Traumatische Ereignisse sind nicht nur weltweit präsent; sie sind so alt wie die Menschheit. Es ist an der Zeit, die Unsicherheiten hinsichtlich ihrer Definition sowie ihrer Auswirkungen auf das Individuum, und Berührungsängste hinsichtlich des Umgangs mit belastenden Folgen aufzulösen.

      1. Leidvolle Ereignisse

       „Und dann sagte mein Vater mir, dass er sich von meiner Mutter trennen würde. Für mich brach eine Welt zusammen. Für einen Moment hielt die Zeit an. Wie sollte es jetzt weitergehen?!Ich würde mich entscheiden müssen zwischen ihnen.“

      Umgangssprachlich wird „traumatisch“ häufig synonym mit „leidvoll“ verwendet – Verlust des Arbeitsplatzes, Scheidung (Schröder 2011; Spiewak 2014) und ähnliche Ereignisse werden als traumatisch betitelt. Obgleich solche Ereignisse als hoch belastend erlebt werden können und die Vulnerabilität für verschiedene psychische Erkrankungen steigern können, sind sie im klinischen Sinne nicht als „traumatisch“ zu bezeichnen. Bereits im 19. Jahrhundert beschäftigte sich die Forschung mit Möglichkeiten der Benennung, Differenzierung und den Auswirkungen traumatischer Ereignisse; „Kriegsneurose“, „Hysterie“ und „Dissoziation“ sind hier beispielhaft zu benennen (vgl. van der Kolk & van der Hart 1989). 1991 prägten van der Kolk & van der Hart den Begriff des „Sprachlosen Schreckens“ als Zustand, in den Menschen nach traumatischen Ereignissen geraten können. Worte können nicht beschreiben, was passiert ist, während die Erinnerung an das traumatische Geschehen mit all ihrem Entsetzen allgegenwärtig bleibt. Doch es bleibt die Frage: „Was ist ein traumatisches Ereignis?“

      2. Traumatische Ereignisse

       „Der Himmel war plötzlich ganz dunkel. Ich dachte: ‚Hoffentlich schaffen wir es.‘ Ich spürte, wie der Wind an meiner dünnen Jacke zerrte. Mir war kalt. Im Gesicht spürte ich das kalte Wasser. Ich schmeckte es auch. Mein Herz schlug schnell. Wir waren mitten im Meer und im Sturm, und es war keiner da, der uns helfen konnte. Wir haben oft geschrien ‚ Was sollen wir tun?‘“

      Das DSM-V (Diagnostischer und Statistischer Leitfaden psychischer Störungen, 5. Auflage, American Psychological Association APA 2013), bietet eine klare Definition traumatischer Ereignisse: Es bezeichnet solche Erfahrungen oder Ereignisse als traumatisch, bei denen das Leben oder die körperliche Unversehrtheit einer Person bedroht oder verletzt wird; diese Ereignisse können (a) selbst erlebt werden, (b) direkt bezeugt werden (sehen/hören), (c) indirekt bezeugt werden (eine Person erfährt, dass das traumatische Ereignis einer/einem Familienangehörigen oder anderen nahestehenden Person widerfahren ist) oder (d) die Person wird wiederholt oder extrem aversiven Details traumatischer Ereignisse ausgesetzt (beispielsweise Mitglieder der Staatsanwaltschaft, die wiederholt gewaltvolles Material sichten) (APA 2013). Nach dieser Definition wird die subjektive Reaktion der Person auf das Ereignis sowohl in der Situation wie auch später ausgeklammert. Aussagen wie „Das war damals gar nicht so schlimm“ oder „Am Ende ist es ja doch gut ausgegangen“ sind für die therapeutische Arbeit zwar interessant, doch irrelevant für die Beurteilung, ob ein Ereignis im klinischen Sinne als „traumatisch“ anzusehen ist. Auch begleitende Umstände wie Vulnerabilität durch belastende Kindheitserfahrungen, genetische Faktoren, Dauer des erlebten Ereignisses, oder protektive Faktoren wie psychosoziale Unterstützung werden in der klinischen Definition nicht berücksichtigt. Das Vorliegen eines solchen traumatischen Ereignisses ist die Voraussetzung für die klinische Diagnose einer post-traumatischen Belastungsstörung, deren Symptome im Folgenden erläutert werden.

      3. Posttraumatische Belastungsstörung

       „Ich glaube manchmal, ich bin verrückt geworden. Wenn jemand mich nach meiner Fluchtgeschichte fragt, will ich gar nicht darüber reden. Ich sage dann einfach, es sei gar nicht so schlimm gewesen. Aber mein Herz schlägt ganz schnell. Ich glaube, ich werde niemals ruhig daran denken können.“

      Entsteht durch ein traumatisches Ereignis ein Bruch in der Lebensgeschichte, kann die betroffene Person eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) entwickeln, die laut DSM-V folgende Symptombereiche umfasst: Intrusionen (plötzlich und ungewollt auftretende Erinnerungen, Alpträume, Flashbacks, starke emotionale oder körperliche Reaktionen auf Erinnerungsreize); Vermeidung (externale und internale Hinweisreize auf das Erlebte werden soweit als möglich umgangen, z.B. Gespräche über das Erlebte, Kontakt zu bestimmten Personen oder Tätigkeiten); Negative Veränderungen in Kognition und Stimmung (die Unfähigkeit, positive Gefühle zu empfinden, andauernde emotionale Taubheit und Isolation, Vertrauensverlust); und Übererregung (Schlafstörungen, Konzentrationsprobleme, Wutausbrüche, massiv erhöhte Schreckreaktionen). Um im klinischen Sinne von einer PTBS sprechen zu können, müssen aus allen Symptombereichen mindestens ein oder mehrere Symptome über eine Zeitspanne von mindestens vier Wochen vorliegen; des Weiteren muss eine Einschränkung der Funktionalität in relevanten Lebensbereichen (soziale/familiäre Beziehungen, schulische/berufliche Leistungen)