Geschäftsbetrieben und in der Vermögensverwaltung, die ex ante mit der berechtigten Erwartung einer Gewinn- oder Überschusserzielung aufgenommen werden, dürften andererseits gemeinnützigkeitsrechtlich unbedenklich sein.535
Ist die Vermögensverwaltung bzw. der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb nicht dem steuerbegünstigten Zweck untergeordnet, sondern ein davon losgelöster Zweck oder gar Hauptzweck der Betätigung der Körperschaft, so scheitert deren Steuerbegünstigung am Gebot der Ausschließlichkeit.536 Zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen bei einem überwiegenden Zeit- und Personaleinsatz im steuerpflichtigen Bereich eine gemeinnützigkeitsschädliche Tätigkeit im Sinne eines Verstoßes gegen das Gebot der Ausschließlichkeit (§ 56 AO) gegeben ist, hat der BFH mit Beschluss vom 04.03.2020 (Az.: I B 57/18) Stellung genommen. Auf die entsprechenden Ausführungen unter B IV. 3 wird verwiesen.
In einem solchen Fall kann die Betätigung der Körperschaft auch nicht in einen steuerfreien und in einen steuerpflichtigen Teil aufgeteilt werden; vielmehr ist dann die Körperschaft insgesamt als steuerpflichtig zu behandeln.537
Bei steuerbegünstigten Körperschaften, insbesondere Mittelweitergabekörperschaften (i. S. d. § 58 Nr. 1 AO)538, die sich im Rahmen ihrer tatsächlichen Geschäftsführung an die in ihrer Satzung enthaltene Pflicht zur Verwendung sämtlicher Mittel für die satzungsmäßigen Zwecke halten, ist das Ausschließlichkeitsgebot selbst dann als erfüllt anzusehen, wenn sie sich vollständig aus Mitteln eines steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs oder aus der Vermögensverwaltung finanzieren.539
Für sog. »Förder- bzw. Mittelweitergabekörperschaften« i. S. d. § 58 Nr. 1 AO ist noch das Urteil des Bundesfinanzhofes vom 25.06.2014540 von Bedeutung:
Wenn im Gesellschaftsvertrag einer sog. Förder- bzw. Mittelweitergabekörperschaft festgeschrieben ist, dass der Satzungszweck der empfangenden Körperschaft mit dem Satzungszweck der Förderkörperschaft übereinstimmen muss, verstößt die tatsächliche Geschäftsführung gegen die Satzungsbestimmungen, wenn Mittel an eine Körperschaft weitergeleitet werden, die wegen anderer Zwecke als gemeinnützig anerkannt ist.
Dass dabei tatsächlich durchaus steuerbegünstigte Zwecke gefördert werden, spielt keine Rolle, eben weil die Satzung (= der Gesellschaftsvertrag) diese »anderen« Zwecke nicht benennt bzw. im Ergebnis aus den Förderzwecken herausnimmt.
Für die Praxis ist hieraus die Empfehlung abzuleiten, die zu fördernden Zwecke sehr sorgfältig zu formulieren und möglichst nicht zu eng zu fassen.
Das Hessische Finanzgericht541 hatte im Übrigen erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass eine unschädliche Mittelbeschaffung bzw. Mittelweitergabe i. S. d. § 58 Nr. 1 AO a. F. ganz generell, d. h. auch in den Fällen, in denen die Satzung der Förderkörperschaft dies nicht verbindlich vorschreibt, nur dann vorliege, wenn die Mittel auf der Ebene der geförderten Körperschaft zu denselben Zwecken verwandt werden, die die geförderte Körperschaft nach ihrer Satzung verfolgt. Bei der Weiterleitung von Fördermitteln ergebe sich – so das Hessische Finanzgericht – »aus der Rechtssystematik der §§ 57 Abs. 1 Satz 1, 63 Abs. 1 AO und des § 58 Nr. 1 AO«, dass bei der Mittelbeschaffung für eine andere Körperschaft die steuerbegünstigten Zwecke der geförderten Körperschaft denen der fördernden Körperschaft entsprechen müssten.
Diese Aussage hat der Bundesfinanzhof weder ausdrücklich bestätigt noch abgelehnt; sie ist u. E. durch den Wortlaut des § 58 Nr. 1 AO nicht gedeckt und deshalb unzutreffend.542 Im Übrigen stellt sich die Frage, ob diese Rechtsauffassung vor dem Hintergrund der Änderung des § 58 AO im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2020 noch aufrecht erhalten werden kann. Die weitere Rechtsentwicklung bleibt hier abzuwarten.
Gleichwohl sollten Geschäftsleiter von gemeinnützigen Mittelweitergabekörperschaften i. S. d. § 58 Nr. 1 AO, insbesondere zur Vermeidung von späteren Diskussionen in Betriebsprüfungen, darauf achten (und im Zweifel auch im Rahmen einer ordnungsgemäßen tatsächlichen Geschäftsführung gem. § 63 AO nachweisen können), dass die steuerbegünstigten Zwecke der Empfängerkörperschaft, die sich aus dem Freistellungsbescheid bzw. aus dem Bescheid nach § 60a AO bzw. aus der Anlage zum Körperschaftsteuerbescheid ergeben, zumindest partiell mit den Zwecken der Mittelweitergabekörperschaft übereinstimmen.543
295 Az.: IV A 3 – S 0062/08/10007-12 / IV C 4 – S 0171/07/0038-007, BStBl 2012 I, S. 83
296 Nr. 2 zu § 55 (Abs. 1 Nr. 1) AO a. F.
297 Vgl. insbesondere Hüttemann, Der neue Anwendungserlass zum Abschnitt »Steuerbegünstigte Zwecke«, DB 2012, S. 250 – unter VII.1.; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 4. Auflage 2018, Rz. 4.95 ff., und Schauhoff/Kirchhain, Was bringt der neue AO-Anwendungserlass für gemeinnützige Körperschaften?, DStR 2012, S. 261 – unter 5.; zu den Konsequenzen der Aufgabe der »Geprägebetrachtung« auf das Gebot der Ausschließlichkeit vgl. die Ausführungen unter B. IV. 7.
298 Vgl. hierzu Fischer/Binger, Geprägetheorie 2.0 – Gemeinnützigkeitsschädlichkeit eines um seiner selbst willen unterhaltenen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, Das Krankenhaus 2020, S. 1119; ferner auch die Urteilsanmerkung von Salzmann in IStR 2020, S. 769
299 Nähere Einzelheiten zum Gebot der Ausschließlichkeit werden unter B. IV. 7 erläutert
300 § 44a Abs. 7 i. V. m. § 43 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG
301 »Ob eine wirtschaftliche Tätigkeit um ihrer selbst willen ausgeübt wird, kann sich danach richten, wie viel Zeit und Personal im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb eingesetzt wird.«
302 Hierzu kritisch Hüttemann, Der neue Anwendungserlass zum Abschnitt »Steuerbegünstigte Zwecke«, DB 2012, S. 250 – unter VII. 1. – verbunden mit der Befürchtung, dass »unter dem Deckmantel der Nr. 1 zu § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO ein zu starkes Gewinnstreben letztlich doch wieder am Maßstab der Selbstlosigkeit gemessen« werde
303 AEAO zu § 55 (Abs. 1 Nr. 1) AO, Nr. 1 Satz 1 und 2
304 Nr. 1 Satz 3 des AEAO zu § 59 AO; vgl. aber BFH vom 18.12.2002, Az.: I R 15/02, BStBl 2003 II, S. 384: »Die Steuervergünstigungen wegen Verfolgung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke werden nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass die Satzung der Körperschaft das Unterhalten eines Nichtzweckbetriebes ausdrücklich erlaubt.«
305 Hüttemann, Der neue Anwendungserlass zum Abschnitt »Steuerbegünstigte Zwecke«, Der Betrieb 2012, S. 250 – unter 2.