mehrere Rücklagen nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO zulässig.497 Eine Rücklagenbildung nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO ist ausgeschlossen, wenn bei einer Körperschaft die Überlegungen zur Mittelverwendung schlicht noch nicht abgeschlossen sind, die Rücklagenbildung also rein vorsorglich geschehen soll.498 Die fehlende Entschlusskraft der zuständigen Organe kann kein Grund für eine Rücklagenbildung sein.499
Die » Erforderlichkeit« der Rücklagendotierung ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes500 hinsichtlich des Grundes, der Höhe und des zeitlichen Umfanges nach objektiven Kriterien im konkreten Fall zu prüfen.501
Eine zweckgebundene Rücklage kann möglicherweise nur mit dem abgezinsten Betrag dotiert werden.502 Der Anwendungserlass zur Abgabenordnung schreibt dies aber nicht ausdrücklich vor; im steuerlichen Schrifttum werden überzeugende Gründe gegen eine Abzinsung formuliert.503 Sollte eine Abzinsung notwendig sein (oder freiwillig vorgenommen werden), müsste der abgezinste Betrag konsequenterweise jährlich entsprechend der Entwicklung des Kapitalmarktzinses angepasst werden. Aus Vereinfachungsgründen kann dann allerdings wohl auf den in § 12 Abs. 3 Bewertungsgesetz genannten Zinssatz von (jährlich) 5,5 % abgestellt werden.504 Die Finanzverwaltung fordert in der Praxis vielfach eine solche Abzinsung aber nicht.505
Nach herrschender Auffassung sind insbesondere folgende Rücklagen als nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO zulässig anzusehen:
• Rücklage zur Erfüllung des steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zweckes, z. B. zur Errichtung oder Erweiterung oder Instandsetzung von für die gemeinnützigen Zwecke genutzten Immobilien, soweit der hierfür zu tragende Aufwand nicht aus dem Ertrag eines Jahres finanziert werden kann (sog. » Projektrücklage«),
• Rücklage zur Bezahlung von Steuern außerhalb eines steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs, solange Unklarheit darüber besteht, ob die Körperschaft insoweit in Anspruch genommen wird.506
Von besonderer Bedeutung im Rahmen der zweckgebundenen Rücklagen nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO ist die sog. Betriebsmittelrücklage. Sie wird von der Finanzverwaltung ausdrücklich anerkannt.507
Mit der Betriebsmittelrücklage können Mittel für periodisch wiederkehrende Ausgaben, z. B. Löhne, Gehälter, Mieten, in Höhe des Mittelbedarfs für eine angemessene Zeitperiode zurückgehalten werden.
Die Länge der Periode, die bei der Ermittlung der Betriebsmittelrücklage zu Grunde zu legen ist, ist nicht eindeutig geklärt. Die Finanzverwaltung stellt prinzipiell auf die Verhältnisse eines jeden Einzelfalles ab, wobei die Zeitspanne aber höchstens ein Geschäftsjahr umfassen können soll.508 Ein längerer Zeitraum als ein Jahr sollte deshalb nicht für die Bildung der Betriebsmittelrücklage zu Grunde gelegt werden, es sei denn, in einem besonderen Einzelfall könnten überzeugende Gründe für eine längere Frist geltend gemacht werden. Solche Gründe dürften, wenn überhaupt, nur selten vorliegen.
Nach Buchna/Leichinger/Seeger/Brox509 kann keine allgemeingültige Zeitperiode, beispielsweise »der Mittelbedarf für ein, zwei oder ggf. bis zu 12 Monaten« für die Berechnung der (noch zulässigen) Höhe einer Rücklage dieser Art angegeben werden. Eine steuerbegünstigte Körperschaft muss sich stets an den Verhältnissen ihres Einzelfalls orientieren und darauf abstellen, in welchem Maß bzw. in welcher Höhe sie mit regelmäßigen Einnahmen rechnen kann und in welchem Umfang sie nach den bestehenden Erfahrungen tatsächlich mit einer Gefährdung der Einnahmen rechnen muss.
Anhaltspunkte dafür können u. a. auch die tatsächlichen eingetretenen Forderungsausfälle in den abgelaufenen Veranlagungszeiträumen geben. Dabei ist die Zeitperiode umso weiter zu fassen, je »unsicherer« die Einnahmen sind. Werden fast ausschließlich »sichere« Einnahmen erzielt, kann nach dieser Auffassung allenfalls der Betriebsmittelbedarf für einen Monat in eine Betriebsmittelrücklage eingestellt werden. Finanziert die Körperschaft den laufenden Betrieb neben »sicheren« Einnahmen auch mit sonstigen Einnahmen wie Zuschüssen, Spenden etc., ist je nach Einzelfall von einem 2- oder 3-monatigen Mittelbedarf auszugehen. Nur dann, wenn überwiegend »unsichere« Einnahmen vorliegen, kann über die vorgenannte Größenordnung hinausgegangen werden.
Für Krankenhäuser könnte diese Auffassung bedeuten, dass seitens der Finanzbehörden eine Betriebsmittelrücklage, deren Bestand den Mittelbedarf für mehr als einen Monat – gemessen an den ausgabewirksamen Aufwendungen des Vorjahres – abdeckt, als in ihrer Höhe unzulässig, da nicht mehr angemessen, beurteilt wird.
Angesichts der derzeitigen Unwägbarkeiten im Finanzierungssystem der Krankenhäuser – nicht nur in der Psychiatrie – dürfte eine derart restriktive Beurteilung nicht sachgerecht sein. Die praktisch gegebenen Vorfinanzierungsnotwendigkeiten im Krankenhausbereich (über einen Zeitraum von einem Monat deutlich hinaus) lassen es geboten, wenn nicht sogar notwendig, erscheinen, eine Betriebsmittelrücklage in Höhe eines Mittelbedarfes von drei Monaten im Krankenhausbereich zu bilden.
Ist zunächst (zulässigerweise) eine Rücklage i. S. d. § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO gebildet worden, der Grund für die Rücklagenbildung aber im Nachhinein weggefallen oder hat die Körperschaft ihr ursprüngliches Vorhaben aufgegeben, muss sie gemäß § 62 Abs. 2 Satz 2 AO die Rücklage unverzüglich auflösen, d. h. die frei werdenden Mittel unverzüglich für satzungsmäßige Zwecke verwenden oder eine (zulässige) neue Rücklage (für ein neues Vorhaben) i. S. d. § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO bilden. Ansonsten droht der Verlust der Gemeinnützigkeit.
Zweckgebundene Rücklagen i. S. d. § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO dürfen im Übrigen auch dann gebildet werden, wenn eine steuerbegünstigte Körperschaft über für eine konkrete Investition ausreichend hohe sog. »freie Rücklagen« i. S. d. § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO verfügen sollte.510
Die Betriebsmittelrücklage ist nach h. M. als Rücklage i. S. d. § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO511 als solche auszuweisen bzw. zu dokumentieren.
Im Rahmen der Mittelverwendungsrechnung wird in der Praxis die Betriebsmittelrücklage gelegentlich als » Sammelbecken« für solche nicht zeitnah verwendeten Mittel genutzt, die auch im nächsten Jahr nicht zur Verausgabung anstehen. Diese Vorgehensweise ist so lange unschädlich, als die Mittel, die auf diese Weise letztlich dem Gebot der zeitnahen Mittelverwendung jedenfalls zunächst entzogen werden, einen Mittelbedarf abdecken, der die im Anwendungserlass zur Abgabenordnung angesprochene »angemessene Zeitperiode« nicht überschreitet.
Mit Hilfe der Betriebsmittelrücklage ist es den meisten steuerbegünstigten Körperschaften möglich, im Rahmen der Mittelverwendungsrechnung zu dokumentieren, dass keine Verstöße gegen das Gebot der zeitnahen Mittelverwendung vorliegen.
Reicht die Betriebsmittelrücklage im Einzelfall ausnahmsweise nicht aus, um eine zeitnahe Mittelverwendung (buchmäßig) sicherzustellen, ist eine alsbaldige (unverzügliche) Verwendung zu satzungsmäßigen Zwecken erforderlich. Dies kann eine aus betriebswirtschaftlichen Gründen unsinnige Verausgabung von Mitteln zur Folge haben.
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