Martín Camenisch

" Hoch Geachter Her Verhörrichter …"


Скачать книгу

sind, die tatsächlich mit dem von der Polizeileitung vertretenen Bestimmungsfeld übereinstimmten. Denn obwohl beispielsweise Alkoholkonsum durchaus eine Ausgabekategorie war, gehörte er nicht zum offiziell erklärten Grundbedarf eines Polizeibeamten.

      Einnahmekategorien

      Im Unterkapitel zum Thema Freizeit wurde darauf hingewiesen, dass es sich beim neu geschaffenen Landjägerberuf um eine typische modern-staatliche Beamtenstelle handelte, die nach Prinzipien der Erwerbsarbeit ausgerichtet war.357 Dieses Bekenntnis schien die erste Landjägerinstruktion gleich von Beginn weg unterstreichen zu wollen: «Sie erhalten täglich vom Kleinen Rath als Löhnung die 7 Gemeinen 48 Kr[euzer], der Unteroffizier 56 Kr[euzer].»358 Dieser erstmalig definierte Lohnsatz wurde trotz Teuerung, zwischenzeitlichen Nahrungsengpässen und volatiler Wirtschaftslage bis zur Jahrhundertmitte nur marginal angepasst: Gemäss Instruktion von 1813 sollten die Landjäger 54 Kreuzer, der Unteroffizier «verhältnismäßig mehr» erhalten.359 Die Instruktion von 1828 führte als Neuerung einzig den Lohn des Wachtmeisters und des Korporals im seit 1817 existierenden Sennhof auf, wobei deren Gehalt mit 1 Gulden und 8 Kreuzern beziehungsweise 56 Kreuzern leicht höher als dasjenige des einfachen Landjägers war.360 Die Instruktion von 1840 schliesslich behielt die bestehenden Soldbeträge bei.361

      Hochgerechnet entsprachen die 54 Kreuzer, die ein gewöhnlicher Landjäger erhielt, einem Monatslohn von 27 Gulden beziehungsweise einem exakten Jahreslohn von 328 Gulden und 30 Kreuzern. Dabei gilt zu erwähnen, dass der genaue monatliche Soldbetrag in den Quellen fast nie in Zahlen angegeben wurde. Der Beweis für die Auszahlung von sämtlichen Monatstagen liefert aber beispielsweise eine Rechnungsbegleichung zwischen dem Verhörrichter und dem in Rothenbrunnen stationierten Landjäger Sixtus Seeli, gemäss welcher er für den Monat Dezember einen Soldbetrag von 27 Gulden 54 Kreuzern (was 31 Tagessätzen entsprach) erhalten habe.362 Damit war die Jahressumme von 328 Gulden und 30 Kreuzern geringfügig höher als der Durchschnittslohn eines Schamser Schreiners, Zimmermanns oder Maurers, welche zu Beginn des Jahrhunderts gemäss einer Angabe des «Neue[n] Sammler[s]» etwa 300 Bündner Gulden verdienten.363 Zur gleichen Zeit verdiente ein Soldat in französischen Diensten laut den Berechnungen Jennys ungefähr 260 Gulden, während ein Waldarbeiter oder Drescher im Kanton Graubünden rund 240 Gulden erhielt.364 Die Höhe des Landjägersolds befand sich insofern weit entfernt derjenigen einer oberen Staatsstelle wie derjenigen des Verhörrichters (1000 Gulden365) und unterschied sich nicht wesentlich von typischen Berufen derjenigen Gesellschaftsschicht, aus der die Polizeibeamten mehrheitlich stammten. Da der Lohn der Landjäger hingegen an eine staatliche Beamtenstelle gekoppelt war, war er im Vergleich zu den privatwirtschaftlichen Handwerksberufen weitaus besser abgesichert. Dies ist auch der Hauptgrund, weshalb die Nachfrage nach freien Landjägerstellen vergleichsweise gross war und beim Verhörrichteramt im Fall einer Vakanz viele Bewerbungs- und Referenzschreiben eingingen.366 Der Sold jedenfalls war über weite Strecken die alleinige Einnahmequelle der Landjäger. Einkünfte, welche als Folge von Transport- und Übernachtungsspesen resultierten, waren allein schon deshalb relativen Charakters, weil Rückvergütungen die vormaligen Auslagen kaum überstiegen. Dabei gilt zu unterstreichen, dass die Landjäger nur für diejenigen Auslagen entschädigt wurden, die von den transportierten Personen herrührten und die durch eine vom Dienstleister unterzeichnete Quittung verifiziert werden konnten. Anhand eines Belegs konnten die Landjäger ferner auch entstandene Arztkosten rückvergüten lassen. Dies galt jedoch nur, wenn die Arztbehandlung durch explizite Erklärung des behandelnden Arztes auf einen dienstbezogenen Vorfall oder allenfalls auf eine mit dem Dienst in Zusammenhang stehende Beschwerde zurückgeführt werden konnte. Als letzte Einnahmekategorie schliesslich, die gleichwohl zu den Spesen gezählt werden kann, ist der jährliche Betrag für Ausrüstungsteile zu erwähnen. Bei all diesen Spesenrestitutionen indes gilt es zu erwähnen, dass sie zwar zum Bereich der Einnahmekategorien gehörten, jedoch keinen Gewinn beziehungsweise Mehreinnahmen bedeuteten. Dies umso mehr im Fall eines finanzschwachen Kantons wie Graubünden, welcher die ursprünglichen Gesamtauslagen der Landjäger eher mit Mühe begleichen konnte. Oftmals entsteht gar der Eindruck, als sei der Kanton auch nicht immer zur Rückvergütung gewillt gewesen, denn so manche Auslage blieb unter vorgeschobenen Argumenten unentschädigt. Spesen blieben deshalb ihrer Wortbedeutung treu, und es resultierte nach der (partiellen) Rückvergütung oftmals nicht eine Null, sondern sie blieben Teilbestand der Ausgabekategorie.

      Als grösste Nebenkategorie blieben lediglich die ausserordentlichen oder prozentualen Bonuszahlungen übrig: Zur ersten Gruppe zählten beispielsweise Entlöhnungen für ausserordentliche Aufgebote367 oder Gratifikationen für spezielle Verdienste. In diesbezüglichen Fällen berichtete der Verhörrichter dem Kleinen Rat von den erbrachten Leistungen und beantragte, wie dies am Beispiel des Landjägers Christian Alig ersichtlich wird, eine adäquate Bonifikation:

      «Landjäger Alig fieng den schon 2 mal in Roveredo dann wieder den 5ten Mai aus den hiesigen Gefängnißen mit Gewalt entsprungenen Johann Moretti auf, der dann auch anher geliefert wurde. Bei dieser Gelegenheit soll nach dem Zeugniß mehrerer Personen /: man ersucht diesfalls bei Herrn Landammann à Marca, Herrn Landammann Toscani Nachfrage zu halten:/ besondere Entschloßenheit und Muth am Tag gelegt haben, indem wenn man nicht irrt, Moretti sich bei Verfolgung auf einen Felsen geflüchtet und mit Steinen bewaffnet hatte. [/] Zur Belohnung für diesen ungewöhnlichen Diensteifer und zur Aufmunterung für andere trägt man […] bei Alig an, ihm ein Geschenk von [Gulden] 2 bis 3 zu schöpfen.»368

      Eine im Zusammenhang mit der Berichterstattung über Alig vom Verhörrichter vorgeschlagene Normierung der Bonifikationen wurde vom Kleinen Rat explizit abgelehnt. Vielmehr seien diese je nach Kontext punktuell anzuwenden, so die Regierung in ihrer Argumentation. Alig wurde in diesem Fall von der Kantonsregierung tatsächlich mit zwei Gulden beschenkt, wobei aber seine Unkosten nicht vergütet wurden.369 Solche Sondergratifikationen für ausserordentliche Dienste jedenfalls waren äusserst selten. Dasselbe gilt auch für das Honorar, welches den Landjägern für die Festnahme von durch Signalement ausgeschriebenen Verbrechern versprochen wurde.370 Die Chance eines Landjägers, eine schweizweit gesuchte Person gefangen zu nehmen, war verhältnismässig klein. Dementsprechend sind diesbezügliche Hinweise in den Quellen sehr selten anzutreffen. Im Mai 1830 beispielsweise behauptete der in Rodels stationierte Landjäger Jonas Sandriser, er habe die signalisierte Anna Mayer aus Zürich verhaftet, weshalb er auf einen Teil der ausgeschriebenen Summe hoffte.371 Dem Rapport beziehungsweise Dossier wurden jedoch keine weiteren Notizen oder Berichte angehängt, sodass über die allfällige Realisierung der Gratifikation keine konkreten Angaben vorliegen. Konkrete Zahlen über Verhaftungen von ausgeschriebenen Personen tauchen nur sehr sporadisch auf. Im Amtsbericht 1822/23 etwa hiess es, die Landjäger seien im Verlauf der letzten zwölf Monate sieben ausgeschriebene Personen habhaft geworden, wobei nicht erwähnt wird, ob die Signalemente mit den darin gesuchten Personen von Bündner Gerichten oder von ausländischen beziehungsweise ausserkantonalen Behörden ausgeschrieben worden waren.372 Zuweilen nämlich zahlten auch die zur Dingfestmachung aufrufenden Obrigkeiten Honorare aus. Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass ausserordentliche Bonuszahlungen eher selten vorkamen. Eine Einnahmequelle konnten eher noch die prozentualen Bonuszahlungen bilden, welche jedoch nur auf einen Teil des Korps zutrafen. Zuerst ist hier auf die Landjäger am Grenzzoll zu verweisen, welchen die spezielle Gunst gewährt wurde, einen Teil des Holzausfuhrzolls einzustreichen. Diese Bestimmung jedoch war nicht ganz transparent und wurde deshalb auch mehrfach infrage gestellt: Gemäss Verhörrichter jedenfalls würden diese Bonuszahlungen jährlich bis zu 200 Gulden und somit rund zwei Drittel des Jahressolds betragen. Die Landjäger am Grenzzoll würden, so der Verhörrichter in seinem 1837 an den Kleinen Rat gerichteten Schreiben weiter,

      «dem Vernehmen nach seit einiger Zeit gewiße Procente von dem für ausgeführt werdendes Holz zu zahlenden Zoll beziehen und dadurch wenigstens einzelne davon, bis 200 [Gulden] erhalten, geschweige noch, daß sie die beste Gelegenheit haben Kontreband aufzudecken und auch mit diesem Nahmhaftes zu gewinnen, welches bei einiger Thätigkeit nicht fehlt, und man sich zum Beweise auf die Landjäger [Johann Luzi] Sutter auf der Steig, und [Christian] Grass [d. J.] in Splügen beruft [Namensergänzungen, M. C.]».373

      Mit diesem