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An der Front und Hinter der Front - Au front et à l'arrière


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verhielten sich die Behörden jedoch vorsichtig. Die unruhige indigene Bevölkerung sollte nicht im Dienst an der Waffe geschult werden. Aber die katastrophalen Verluste der russischen Armee bewirkten ein Umdenken. Im Sommer 1916 sollte auch in Zentralasien die Wehrpflicht eingeführt werden. Allerdings sollten die Rekruten vor allem in der Etappe schuften. Die Einführung der Wehrpflicht kam also der Rekrutierung zur militärischen Zwangsarbeit gleich. Dies brachte das Fass zum Überlaufen. Die indigene Bevölkerung, zum grossen Teil Nomaden, wurde seit Jahren unterdrückt, ausgebeutet und durch russische Siedler verdrängt. Die korrupten Beamten versuchten zudem, die Nomaden durch Zwangsmassnahmen sesshaft zu machen. Nun kam es zum Aufstand. Mehr als 3000 russische Siedler und Beamte wurden ermordet. Die Behörden schlugen mit extremer Gewalt zurück. Über 100. 000 Einheimische wurden getötet und die gleiche Anzahl nach Sibirien deportiert. Etwa 300 000 Menschen flohen ins benachbarte China. Der Aufstand von 1916 und seine schrecklichen Folgen sind noch heute tief im Bewusstsein der zentralasiatischen Bevölkerung präsent und belasten die Beziehungen zu Russland.26

      Der Aufstand in Zentralasien trug zum Untergang des Zarenreiches bei. Aber er war die einzige grossflächige Rebellion gegen die Mobilisierungsmassnahmen der Imperien. Anderswo waren die Loyalitäten zu stark und die Hoffnung auf Milderung der Kolonialherrschaft durch den Krieg zu gross. Zudem arbeiteten die Repressionsapparate zu effizient, um den vorhandenen Widerstand ausufern zu lassen. Auch wenn die Imperien durch den Krieg geschwächt wurden und einige von ihnen sogar untergingen, so überlebte die europäische Dominanz in weiten Teilen der Welt; aber ihre Wurzeln begannen zu faulen.

      Aussereuropäische Mächte greifen ein

      Die Mobilisierung aussereuropäischer Ressourcen war ein Aspekt des Weltkriegs. Mindestens ebenso wichtig war aber das Eingreifen von Mächten ausserhalb Europas. Da war zunächst einmal das Japanische Kaiserreich. Am 23. August 1914 erklärte die japanische Regierung dem Deutschen Reich den Krieg. Seit dem Jahr 1902 war man mit Grossbritannien verbündet. Doch der japanischen Regierung ging es weniger darum, den Bündnisverpflichtungen nachzukommen, als vielmehr den Krieg in Europa zu weiterer Expansion in Ostasien zu nutzen. Erstes Angriffsziel war die deutsche Kolonie in China, Tsingtau. Am 2. September 1914 griffen japanische Truppen mit britischer Unterstützung an. Die deutschen Verteidiger wehrten sich heftig, was ihnen die Achtung ihrer Gegner einbrachte. Doch abgeschnitten von jeglichem Nachschub, mussten die Deutschen am 7. November kapitulieren. Unterdessen besetzten japanische Soldaten kampflos einen grossen Teil der deutschen Pazifikinseln. Darunter waren auch die Karolinen und das dort gelegene Atoll Truk, welches im Zweiten Weltkrieg eine der wichtigsten Basen der japanischen Flotte im Pazifischen Ozean wurde.

      Zum Jahresende 1914 waren die Kämpfe für die Japaner bereits vorbei. Die Verluste betrugen nur 2000 Mann. Doch die expansionistische Politik wurde nun gegen China fortgesetzt. Im Januar 1915 präsentierten Premierminister Okuma und Aussenminister Kato der chinesischen Regierung die berüchtigten «Einundzwanzig Forderungen», welche darauf hinausliefen, China zu einer Art japanischem Protektorat zu degradieren. Die japanische Regierung spekulierte darauf, dass die anderen Grossmächte wegen des Kriegs in Europa diesen Coup hinnehmen würden, was sich aber als Irrtum erwies. Die britische und vor allem die US-amerikanische Regierung intervenierten und erzwangen ein Einlenken der japanischen Regierung. Nach dem Scheitern ihrer Pläne mussten Okuma und Kato zurücktreten. Dies war der Beginn jener Spannungen zwischen Japan und den angelsächsischen Grossmächten, die später in den Zweiten Weltkrieg münden sollten.

      Japan war zwar nur am Rand am Ersten Weltkrieg beteiligt, doch waren die wirtschaftlichen Auswirkungen gravierend. Das traditionell eher arme Land erlebte durch den Krieg einen regelrechten Boom. Japanische Exporte eroberten die von Europäern verlassenen Märkte und versorgten die Verbündeten. Die Industrialisierung Japans schritt nun schneller voran. Nicht nur die grossen Familien profitierten, sondern auch die Mittelschicht wuchs. Aber der Boom schlug bald in Spekulation, Korruption und Inflation um. Die Reallöhne der Arbeiter sanken. Bis zum Sommer 1918 verdoppelte sich der Preis für Reis. Es kam zu schweren Unruhen, die vom Militär brutal niedergeschlagen wurden. Das Beispiel Japans zeigt, welche enormen Konsequenzen der Weltkrieg auch für relativ periphere Staaten besass.27

      Das Osmanische Reich war im Ersten Weltkrieg alles andere als peripher. Es war sogar eine besonders wichtige Macht in diesem Krieg. Die Gründe, welche Kriegsminister Enver Pascha und den inneren Zirkel der Jungtürken zum Kriegseintritt an der Seite der Mittelmächte bewegten, waren komplex. Vor allem aber fürchteten sie, dass das Reich unter den Siegermächten aufgeteilt werden würde, wenn man neutral blieb. Die Arroganz und Kurzsichtigkeit der britischen, französischen und russischen Politik taten ein Übriges. Militärisch verlief der Krieg für die Osmanen zunächst miserabel. Im Winter 1915 endete eine Offensive im Kaukasus in einer Katastrophe. Als russische Truppen bei ihrer Gegenoffensive von Armeniern besiedeltes osmanisches Territorium betraten, wurden sie zum Teil begeistert als Befreier empfangen. Aus der Sicht der Jungtürken war dies der endgültige Beweis für die Illoyalität der christlichen Armenier. So wurde die «Evakuierung» der armenischen Bevölkerung in die syrische Wüste befohlen. Über eine Million Menschen wurden dabei ermordet, verhungerten oder starben auf Todesmärschen. Es handelte sich um den einzigen systematischen Völkermord des Ersten Weltkriegs.28

      Der Völkermord an den Armeniern stand wie vorher schon der Massenmord an den Herero und Nama am Beginn eines Jahrhunderts der Genozide. Aber er war auch ein Rückgriff auf die osmanische Tradition der Massaker an unbotmässigen Völkerschaften. Auch deswegen sprach man in Europa schon lange vom «kranken Mann am Bosporus». Gleichwohl war es erstaunlich, dass dieses angeblich zerfallende Staatswesen fast vier Jahre eines beinahe totalen Kriegs durchhielt. Natürlich erhielten die Osmanen finanzielle, logistische, waffentechnologische, personelle und militärische Hilfe seitens der Mittelmächte. Doch dieser Umstand reicht nicht aus, um die Zähigkeit des Osmanischen Reiches in seinem letzten Krieg zu erklären. Auch die Forschung hat hierfür bislang kaum überzeugende Erklärungen gefunden.

      Zweimal griffen osmanische Truppen den Suezkanal an, wenn auch erfolglos. Bei Gallipoli verteidigten osmanische Truppen mit Bravour die Meerengen gegen britische, australische und neuseeländische Truppen, die schliesslich unter hohen Verlusten abziehen mussten. Bei Kut-al-Amara in Mesopotamien besiegten die Osmanen im Frühjahr 1916 sogar eine britisch-indische Armee. Die Gefangenen wurden auf einen Todesmarsch geschickt. Inzwischen standen 800 000 osmanische Soldaten unter Waffen. Aber die Bevölkerung litt entsetzlich unter Hunger und Seuchen, die Desertionsraten in der Armee waren hoch. Nun wendete sich auch das militärische Blatt. Ab 1917 eroberten britische Truppen Palästina, Syrien und Mesopotamien. Die arabische Revolte tat ein Übriges, um die Osmanen endgültig aus diesem Teil des Nahen Ostens zu vertreiben. Das Osmanische Reich zerbrach, woran auch die Besetzung Bakus im Jahr 1918 nichts mehr ändern konnte. Doch wenigstens konnte der Held von Gallipoli, General Mustafa Kemal, später bekannt als Atatürk, die Einheit der Türkei vor den imperialistischen Aufteilungsplänen der Siegermächte retten.29

      Der ganze Nahe Osten bis hinein nach Persien hatte in Flammen gestanden. Mindestens zwei Millionen Menschen fanden in dieser eher dünn besiedelten Region den Tod. Britische Repräsentanten vor Ort machten arabischen Nationalisten alle möglichen Versprechungen, während die Regierungen in Paris und London die Aufteilung des Nahen Ostens unter den Siegern planten. Obendrein versprach der britische Aussenminister Balfour im November 1917 den Zionisten eine Heimstätte in Palästina. Mit dem Ersten Weltkrieg begannen die Probleme des Nahen Ostens, die bis in die Gegenwart hinein weiterwirken.30

      Der Kriegseintritt der USA am 4. April 1917, einem Karfreitag, brachte die entscheidende Wende im Ersten Weltkrieg. Die deutsche Oberste Heeresleitung hatte die Kriegserklärung der USA durch die Wiederaufnahme des unbeschränkten U-Boot-Kriegs in der irrigen Annahme provoziert, die USA würden auf dem europäischen Kriegsschauplatz militärisch keine ernsthafte Rolle spielen können. Das dummdreiste Zimmermann-Telegramm, welches Mexiko ein Bündnisangebot machen sollte und deutsche Hilfe bei der Rückeroberung der an die USA verlorenen Gebiete versprach, brachte das Fass endgültig zum Überlaufen. In einer Hinsicht waren die Einschätzungen der Obersten Heeresleitung jedoch richtig: Die USA waren schon längst nicht mehr wirklich neutral. Aufgrund der britischen Seeblockade war der deutsch-amerikanische Handelsaustausch auf 1 % des