Martin Schaub

Das Rütli - ein Denkmal für eine Nation?


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Historiografische Texte, Schulische Lesebücher, Geschichtslehrmittel, Massenmedien, Reiseführer, andere touristische Texte, Bezeichnungen im öffentlichen Raum Quantifizierende und qualitative Inhaltsanalyse Mythos und Denkmal als Bild: Beschreibung und Interpretation bildlicher Darstellungen Ikonische Abbildungen, Postkarten, weitere touristische Abbildungen, Wertträger und Poststempel, Fernsehen, Rütliführer, Inserat Quantifizierende und qualitative Bildinterpretation Praxis I: Gedenkfeiern (Jubiläumsfeiern, Bundesfeiern, Rütlischiessen) Div. Quellen, Massenmedien, Kurzinterviews, Experteninterviews Quellenkritische Analyse, qualitative Inhaltsanalyse Praxis II: Gruppenbesuche (Akteure und Frequenz) Div. Quellen, Experteninterviews Quellenkritische Analyse Praxis III: Schulreisen (Anzahl und Herkunft) Schulberichte, div. Quellen, Experteninterviews Quantitativ-deskriptive Statistik, quellenkritische Analyse Bereich 3/Kapitel 5: Gebrauchsanalyse individuell – Vorstellung und Wahrnehmung Mythos: individuelle Vorstellungen Kurzinterviews, Kurzfragebogen Qualitative Inhaltsanalyse, quantitativ-deskriptive Statistik Denkmal: Wahrnehmung und Deutung (fotografisch, verbalisiert) Flickr-Fotoalben und andere Fotosequenzen; Kurzinterviews, Kurzfragebogen Quantifizierende und qualitative Bildinterpretation, qualitative Inhaltsanalyse Bereich 4/Kapitel 6: Gebrauchsanalyse – kollektive und individuelle Interaktion Praxis I: Anzahl und Soziodemografie der Individualbesuchenden Kurzfragebogen, Schifffahrtsfrequenzen, div. Quellen Quantitativ-deskriptive Statistik Praxis II und III: Interaktion Besucherinnen, Besucher – Ort (diachron und synchron) Kurzinterviews, Beobachtung, Experteninterviews, div. Quellen Qualitative Inhaltsanalyse, quantitativ-deskriptive Statistik Praxis IV: Motive und Emotionen von Individualbesuchenden Rütlibücher, Kurzinterviews Qualitative Inhaltsanalyse

      Darstellung 5

2.1 Quellenkritische Hermeneutik schriftlicher und audiovisueller Medien

      Den grundlegenden Quellenbestand zum Rütli stellt das Archiv der Verwalterin des Denkmals, der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG), dar.[183] Vor allem für die ersten Jahrzehnte nach dem Rütli-Kauf 1859 ergänzen nur wenige und zudem unsystematisch erhaltene Materialien die lückenlos erhaltenen Jahresberichte. Die Überlieferung der Protokolle der Rütlikommission setzt in den 1930er-Jahren ein. Sie ermöglichen einen detaillierten Einblick in die Tätigkeit des Gremiums, welche das Denkmal massgeblich prägte. Diese Überlieferungssituation hat zur Folge, dass textliche und bildliche Dokumente zu Einrichtung, Ausbau und Unterhalt der Anlage zwar vorliegen, wünschbar wären jedoch mehr Angaben zu Überlegungen, Absichten und Motivationen der Kommission. Als noch grössere Herausforderung erwies sich, die alltägliche, individuelle Rütlinutzung auf dieser archivalischen Grundlage zu rekonstruieren. Direkte schriftliche Spuren des Rütlibesuchs, Erfahrungsberichte, Briefe oder Ähnliches fanden sich nur sporadisch. Immerhin enthält das Archiv Dokumente, die im Hinblick auf den Besuch von Gruppen oder das Verhalten der Besuchenden beigezogen und ausgewertet werden konnten, insbesondere in Form der seit der Jahrtausendwende systematisch erfassten Bewilligungen für Gruppenbesuche, die gemäss Benutzungsreglement der SGG einzuholen sind. Weitere, für die Fragestellungen relevante und konsultierte Archivbestände befinden sich im Schweizerischen Bundesarchiv (Quellen zu Bundesfeiern) sowie in denjenigen Archiven, die in Kapitel 2.3.2 angeführt werden.

      Vor allem im Archiv der SGG, aber auch im Bundesarchiv liegen die schriftlichen Fassungen einiger Reden, die anlässlich der Bundesfeier auf dem Rütli gehalten worden waren. Deren systematische, inhaltliche Analyse wäre denkbar gewesen. Dennoch wurde darauf verzichtet. Denn erstens sind nur wenige Reden aus chronologisch ungleich verteilten Jahren greifbar, ein analytischer und serieller Längsschnitt wäre kaum möglich gewesen. Zweitens machte ein kursorischer Durchgang deutlich, dass die Inhalte und die Mythendeutung – erwartungsgemäss – stark zeitgebunden sind. In diesem Projekt soll jedoch eine jeweils gegenwartsbezogene Sicht und Deutung des Rütlis auf der Grundlage anderer Quellenbestände erfolgen, wie beispielsweise anhand der Einträge in den Rütlibüchern. Die Bundesfeier hingegen ist bildlich zwar nicht lückenlos, aber dennoch regelmässig dokumentiert dank reichhaltigem Fotomaterial, das in Kapitel 2.2.8 erläutert wird.

      2.1.2 Schulberichte

      Teil der Gebrauchsanalyse bildet natürlich die Frage, ob tatsächlich jedes Schweizer Schulkind, entsprechend der landläufigen Meinung, im Rahmen einer Schulreise das Rütli besuchte. So einfach die Frage, so anspruchsvoll erwies sich deren Beantwortung. Die konsultierten Archivalien umfassten Akten, Protokolle und vor allem Jahresberichte verschiedener Schulstufen (Primarschule, Sekundarstufe I und II) in der Deutsch- und Westschweiz (Staats- und Stadtarchiv Zürich, Staatsarchiv Bern, Archives cantonales vaudoises, Archives de l’Etat de Fribourg).[184] Die Quellenlage erwies sich als problematisch, da die entsprechenden Unterlagen die Schulreise-Ziele entweder nicht systematisch ausweisen oder die Unterlagen an sich nicht systematisch archiviert wurden. Diesbezüglich hebt sich vor allem die Bildungsverwaltung der Stadt Zürich ab. Aufgrund der umfassend erhaltenen Angaben gelang es, längere, gesicherte Datenreihen zu den Schulreise-Zielen der Primar- und Sekundarschulen zu generieren. Die quantifizierende Auswertung in Form deskriptiver Statistik kann auf dieser Datengrundlage zwar keinen Anspruch auf Repräsentativität erheben, aber zumindest Entwicklungstendenzen aufzeigen.

      2.1.3 Geschichtslehrmittel

      Die Geschichtslehrmittel, oft als die Leitmedien des Geschichtsunterrichts aufgefasst,[185] stellen geschichtskulturelle Medien dar, deren Intentionalitäten teilweise, dessen Wirkungsweisen hingegen kaum fassbar sind im historischen Rückblick.[186] Diese Medien drücken mit ihren Zielsetzungen und Inhalten jene geschichtlichen Vorstellungen aus, jenes «Geschichtsbewusstsein, das Kollektive oder ganze Gesellschaften an die nachwachsende Generation weitergeben wollten».[187] In der diachronen Rückschau ermöglichen Lehrmittel daher nicht, auf individuelle, sondern höchstens auf kollektiv und intendierte geschichtliche Vorstellungen zu schliessen. In Bezug auf die heutigen Lehrmittel steht sogar dieser Zusammenhang zur Disposition, muss doch davon ausgegangen werden, dass Lehrbuchinhalte längst nicht immer mit den Unterrichtszielen resp. dem praktischen Gebrauch der Schulbücher übereinstimmen.[188]

      In seinem gross angelegten Schulbuchvergleich untersucht Markus Furrer die Geschichtsbilder zur Schweizer Geschichte, wie sie in Geschichtslehrmitteln enthalten sind.[189] Unter Bildern versteht er narrative Konstrukte, die die Vergangenheit nicht einfach abbilden, sondern organisieren – aus einer gegenwartsbezogenen Perspektive. Der im Untertitel seiner Studie verwendete Begriff der «Leitbilder» weist darauf hin, dass die Geschichte der Schweiz als Abfolge von