Herbert Luthiger

Kompetenzförderung mit Aufgabensets


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dass sie nebst neuen eben auch alte mentale Elemente (Begriffe, Operationen, Vorstellungen, modalitätsspezifische Muster) auf ein hohes Aktivitätsniveau setzen und so Elaborationen ermöglichen bzw. auslösen. (Steiner, 2010, S. 71)

      Somit bedeutet Lernen immer auch ein Konzeptwechsel (= Umlernen), das heißt, Lernende erkennen schrittweise die Sinnhaftigkeit neuer sachlicher Vorstellungen. Aufgaben unterscheiden sich nun dadurch, wie mit Schülervorstellungen gearbeitet wird. Dies führt in Anlehnung an die Schulbuchforschung von Beerenwinkel, Parchmann und Gräsel (2007) zu folgenden vier Ausprägungen:

ohne:kein oder zufälliger Umgang mit (Prä-)Konzepten der Lernenden
implizit:implizites Anknüpfen an den (Prä-)Konzepten der Lernenden
explizit:explizites Anknüpfen an den (Prä-)Konzepten der Lernenden
reflektierend:Evaluation des Prozesses der Wissensveränderung (Prä-/Post-Konzept)

      •Wissensart (vgl. Blömeke et al., 2006, S. 337; Maier et al., 2013, S. 28–31): Dieses Merkmal beschreibt die Grundelemente, über die die Schülerinnen und Schüler verfügen müssen, damit sie eine Aufgabe lösen können. Mit Maier et al. (2013, S. 29–30) können folgende vier Arten des Wissens unterschieden werden:

Fakten:explizit verbalisierbare Kenntnisse isolierter oder komplexer Fakten und terminologisches Wissen
Fertigkeiten:implizites und nicht verbalisierbares Handlungswissen – von basalen Verhaltensweisen bis zu komplexen Handlungsmustern
Konzepte:vielfach vernetztes Begriffswissen, Klassifikationen, Erklärungen, domänenspezifische Methoden und Strategien
Metakognition:Wissen über eigenes Wissen und über eigene Problemlösestrategien

      •Kognitiver Prozess (vgl. Anderson & Krathwohl, 2001; Astleitner, 2006, S. 36; Maier et al., 2013, S. 31): Dieses Merkmal bezieht sich auf die kognitive Leistung, die eine Aufgabenbearbeitung von den Lernenden einfordert. Mit Maier et al. (2013) werden im LUKAS-Kategoriensystem vier Prozessstufen unterschieden, wobei grundsätzlich zwischen Reproduktionsleistungen und Transferleistungen (naher, weiter, kreativer) differenziert wird (ebd., S. 31):

Reproduktion:Abruf des Wissens oder der Erinnerungen
naher Transfer:Anwendung des Wissens in einer bekannten Lernsituation
weiter Transfer:Anwendung des Wissens in einer neuen, unbekannten Situation
kreativer Transfer:Neustrukturierung des Wissens in einer unbekannten Situation

      1.4.3 Komplexität

      Die Forschungsergebnisse zur Aufgabenqualität legen nahe, dass diese in Beziehung zu den in der Aufgabe zur Verfügung gestellten Informationen steht. Die Aufgabenkomplexität kann dadurch gesteuert werden, dass mehr oder weniger viele Informationen, stärker oder weniger stark strukturierte Informationen und mehr oder weniger anspruchsvolle Repräsentationsformen (z. B. in Text und Bild) in der Aufgabenstellung vorgegeben werden. Von Bedeutung ist, inwiefern der Aufbau des Aufgabentextes mit dem geforderten Bearbeitungsprozess strukturgleich ist und welche Repräsentationsformen die Aufgabenstellung vorgibt. Zudem erhöhen komplexe Satzgefüge und Formulierungen die Anforderungen hinsichtlich der Aufgabenbearbeitung, wohingegen Strukturierungshilfen die Aufgabenkomplexität reduzieren (vgl. Kleinknecht et al., 2013; Maier et al., 2010, S. 36). Diese Überlegungen führen zu den beiden Merkmalen Struktur und Repräsentationsformen mit je drei Merkmalsausprägungen.

      •Struktur (vgl. Kleinknecht et al., 2013; Maier et al., 2010): Die Fragestellung einer Aufgabe besteht in der Regel aus einem oder verschiedenen Texten.

vorstrukturiert:prägnant formulierte Aufgabenstruktur mit klaren Vorgaben für die Bearbeitungsstruktur
teilstrukturiert:Satzfolge entspricht nicht immer der Reihenfolge der Bearbeitungsstruktur
unstrukturiert:Satzfolge entspricht nicht der Reihenfolge der Aufgabenbearbeitung; komplexe Satzgefüge

      •Repräsentationsformen: Um die komplexitätssteigernde Wirkung der Repräsentationsformen in einer Aufgabe zu erfassen, schlagen Maier et al. vor, zunächst zu analysieren, in welcher Form die für die Aufgabenbearbeitung notwendigen Informationen präsentiert werden. Daraufhin ist zu fragen, in welcher Repräsentationsform die Lösung verlangt wird. Folgt man Maier et al. (2013, S. 39), sind folgende drei Ausprägungen zu differenzieren:

singulär:Die Repräsentationsform der Aufgabenstellung entspricht der Repräsentationsform ihrer Bearbeitung.
integrierend:Die vorgegebenen Repräsentationsformen (z. B. Text, Bild, Grafik) erfordern die Verknüpfung der gegebenen Repräsentationsformen.
transformierend:Die gegebenen Repräsentationsformen erfordern eine Umformung.

      1.4.4 Differenzierung

      Schülerinnen und Schüler gemäß ihren soziokulturellen Rahmenbedingungen, körperlichen, geistigen und seelischen Voraussetzungen und Fähigkeiten sowie Interessen zu fördern, ist die pädagogische Antwort auf die Individualität der Schülerinnen und Schüler. Dies erfordert einen differenzierenden Unterricht. Hinsichtlich des Bildungsauftrags der Schule bedeutet das, die Lernenden mit Anforderungssituationen – Aufgaben – zu konfrontieren, die sie für ihre individuelle Kompetenzentwicklung sinnvoll und nutzbringend bewältigen können. Es geht also um die Frage, inwiefern und inwieweit die im Unterricht gegebenen Aufgaben das Potenzial zur Förderung jeder und jedes Einzelnen angesichts der im Lehrplan klar formulierten Zielkompetenzen ausschöpfen. Die pädagogische Antwort darauf heißt Aufgabendifferenzierung.

      Für den Bereich »Differenzierung« sind drei Merkmale zentral: Offenheit, Lernunterstützung und Vielfalt der Lernwege. Offenheit hat insofern eine Differenzierung zur Folge, als sie individuelle, frei wählbare Lösungswege ermöglicht. Dieses Merkmal findet sich sowohl bei Blömeke et al. (2006) als auch bei Maier et al. (2013, 2010). Damit offene Aufgaben erfolgreich bearbeitet werden können, brauchen einige Schülerinnen und Schüler mehr Hilfe als andere. Aus diesem Grund werden bei der Auswahl von Aufgaben für den Unterricht nach Möglichkeit »Stolpersteine« antizipiert, um den Lernenden geeignete Hilfestellungen anbieten zu können. Dieses Merkmal findet sich bei Astleitner (2006). Zusätzlich spielt in der Diskussion um Lernaufgaben das Prinzip der vielfältigen Lernwege eine wichtige Rolle.

      •Offenheit (vgl. Maier et al., 2013, S. 34–36): Aufgaben lassen sich im Hinblick darauf einordnen, ob Informationen über die Ausgangssituation (Start), das Lösungsverfahren (Weg) und über das Ergebnis (Ziel) jeweils eindeutig oder mehrdeutig sind. Damit ergeben sich rein kombinatorisch acht Aufgabentypen. Maier et al. (ebd., S. 35) greifen auf eine einfachere Unterscheidung zurück und differenzieren lediglich zwischen dem Ausgangszustand und dem Zielzustand. Damit werden für dieses Merkmal folgende vier Ausprägungen unterschieden:

erklärt und geschlossen:eindeutiger Arbeitsauftrag mit einer möglichen Lösung
frei und geschlossen:Arbeitsauftrag mit Varianten des Vorgehens, die zu einer Lösung führen
erklärt und offen:eindeutiger Arbeitsauftrag mit mehreren möglichen Lösungen
frei und offen:Problemsituation, die mehrere Fragestellungen mit mehreren möglichen Lösungen impliziert

      •Lernunterstützung (vgl. Astleitner, 2006, S. 37): Damit individuelle Lernwege bei der Bearbeitung von Aufgaben möglich sind, können an bestimmten Stellen Hilfestellungen (Scaffolds) angeboten werden, welche die Schülerinnen und Schüler bei Bedarf in Anspruch nehmen können. Es kann sich dabei um sprachliche (z. B. Erklärung von Fremdwörtern; Hinweise, wie im Fremdsprachenunterricht Fragen gebildet werden), strategische (z. B. Anleitung zum Vorgehen; Hinweise auf nützliche Arbeitstechniken) oder inhaltliche Lernhilfen (z. B. Hinweise zur Überbrückung von Kenntnislücken) handeln. Folgende Ausprägungen können unterschieden werden:

keine:Aufgabe ohne Lernunterstützung
integriert:Aufgabe mit Hilfestellungen
rückmeldend:Aufgabe mit Feedback-