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Ethik in den Kulturen - Kulturen in der Ethik


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(1997). Der unmögliche Konsens: Ethik und Politisches. In: Riha, Rado (Hrsg.) Politik der Wahrheit. Wien: Turia + Kant, 230–249.

      Tanke, Joseph J. (2011). Jacques Rancière: An introduction. London: Continuum.

      Taureck, Bernhard H.F. (1992). Ethikkrise – Krisenethik. Analysen, Texte, Modelle. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.

      Waldenfels, Bernhard (1991). Der Stachel des Fremden. 2. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

      Wetzel, Dietmar J. (2003). Diskurse des Politischen. Zwischen Re- und Dekonstruktion. München: Wilhelm Fink.

      Wetzel, Dietmar J. (2004). Vom Anderen des Politischen. Über ‚postmoderne Ethik‘ und ihre Grenzen. In: Kollmann, Susanne/Schödel, Kathrin (Hrsg.) PostModerne De/Konstruktionen. Münster: LIT-Verlag, 29–44.

      Wetzel, Dietmar J. (Hrsg.) (2012). Perspektiven der Aufklärung. Zwischen Mythos und Realität. München: Wilhelm Fink.

      Wetzel, Dietmar J./Claviez, Thomas (2016). Zur Aktualität von Jacques Rancière. Wiesbaden: Springer VS.

      Žižek, Slavoj (2005). Die politische Suspension des Ethischen. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

      Gesinnung oder Verantwortung. Zu einer irreführenden Alternative in der Migrationsethik

      Christof Mandry

      Max Webers Unterscheidung zwischen Gesinnungs- und Verantwortungsethik erhält in den gegenwärtigen öffentlichen und mehr noch in den mit akademischen Mitteln ausgetragenen Auseinandersetzungen über den richtigen Umgang mit den vielen nach Deutschland und Europa kommenden Menschen, so scheint es, eine neue Aktualität. Konrad Ott (2016) baut beispielsweise sein Buch zur Zuwanderungsethik als Streit zwischen gesinnungs- und verantwortungsethischen Argumentationen auf, Ulrich Körtner (2016) kritisiert kirchliche Stellungnahmen wegen ihrer unausgewogenen Überbetonung gesinnungsethischer Forderungen, die nicht verantwortungsethisch abgewogen seien, und auch Reiner Anselm bezieht sich auf Webers Unterscheidung, wenn er das Einhalten der „grundsätzlichen Differenz“ zwischen einer „auf den Bereich des Politischen und einer auf den Bereich der Weltanschauung bezogenen Herangehensweise“ (Anselm 2016: 166) einklagt. Auch wenn Gesinnungs- und Verantwortungsethik keine einander ausschließenden Einstellungen darstellen, werden sie doch, so Weber, von zwei „unaustragbar gegensätzlichen Maximen“ (1992:70) bestimmt. Dieser Gegensatz steht auch im Mittelpunkt der Charakterisierung, den die genannten Ethiker von der Debatte geben. Gesinnungsethiker orientieren sich an der Reinheit moralischer Forderungen, deren Unbedingheit sie unbeirrt von faktischen Widerständen und unüberschaubaren Konsequenzen hochhalten, während Verantwortungsethiker sich wesentlich an die vorausschaubaren Folgen möglichen Handelns halten und Entscheidungen suchen, die an die realen Möglichkeiten der gegebenen Situationen angepasst sind. Gesinnungsethik erkennt Ott bei linksstehenden Politikern und Intellektuellen, bei Kirchenvertretern und zivilgesellschaftlichen Akteuren (vgl. Ott 2016: 18), die von den individuellen Menschenrechten der migrierenden und flüchtenden Menschen ausgehen und daraus weitreichende Aufnahme- und Schutzpflichten der westlichen Staaten folgern. Da diese moralischen Rechte in gesinnungsethischer Perspektive nur durch höherrangige moralische Gesichtspunkte eingeschränkt werden können und zudem demokratietheoretische Argumente es als unzulässig erscheinen lassen, dass Migrantenschicksale durch demokratische Gesetze bestimmt werden, an denen die Betroffenen selbst nicht mitgewirkt haben, führt die gesinnungsethische Position zur Forderung nach „offenen Grenzen“ und zu einer schrankenlosen Aufnahmepflicht der Zielländer (vgl. Ott 2016: 44). Dass eine solche Politik eine enorme Sogwirkung auf alle schlechter gestellten Menschen auf dieser Erde haben muss, stört Gesinnungsethiker nicht, da die Folgenabwägung kein Bestandteil ihres ethischen Räsonnements ist. Diese „Willkommenskultur“ greift aber nicht nur zu kurz, sie ist schlicht unverantwortlich, wenn nicht geradezu absurd (vgl. Ott 2016: 71), denn sie blendet, so Körtner, „mögliche Folgen für die Gesamtgesellschaft, das politische Gemeinwesen – und damit womöglich auch für die Flüchtlinge selbst“ (2016: 67) aus. Gesinnungsethiker denken auch deshalb zu kurz, weil sie nicht berücksichtigen, dass die völkerrechtlichen und ethischen Schutzforderungen gegenüber Flüchtlingen einen funktionierenden Staat und eine aufnahmebereite offene Gesellschaft voraussetzen, deren Funktionieren nur gewährleistet ist, wenn Schutz- und Aufnahmeleistungen definierte Leistungsgrenzen einhalten (vgl. ebd.). Dies hat gerade die verantwortungsethische Perspektive im Blick, die – ohne prinzipienlos zu sein – „stärker konsequentialistisch (also auf die Ergebnisse des Handelns bedacht), prudentiell (also klug und umsichtig) und pragmatisch“ (Ott 2016: 52) vorgeht. Verantwortungsethiker, die sich „in der Regel“ als „Verfassungspatrioten“ verstehen (ebd.), machen sich keine Illusionen über die Motive und Interessen von Menschen – weder bei den Bewohnern der Zielländer noch bei den Zuwandernden – und machen sich Sorgen um die öffentliche Ordnung, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die globale wie regionale politische Stabilität. Daher kommen sie zu eher restriktiven Interpretationen der staatlichen Aufnahmepflichten gegenüber Schutzsuchenden und betonen die Souveränität des Staates gegenüber Wirtschaftsmigranten. Ott formuliert daher als verantwortungsethische Maxime „wirksame Abreize gegen Migration in den Grenzen der Menschenwürde zu setzen und Fluchtgründe im Rahmen des Völkerrechts zu reduzieren“ (2016: 74). Unter „Abreizen“ versteht er politische Maßnahmen, die die „Kosten“ für Migration erhöhen und es so unattraktiver machen, das Heimatland auf der Suche nach einem besseren Leben zu verlassen. Dies mündet bei ihm in eine 10-Punkte-Liste an Regulierungsvorschlägen, die der Migrations- und Asylpolitik schärfere verantwortungsethische Konturen verschaffen sollen und solche Dinge wie Einschränkung der Duldungspraxis, Überdenken der Leistungsstandards für Asylbewerber, Einschränkungen beim Familiennachzug etc. umfassen, aber auch die Forderung einschließen, gesinnungsethische Milieus in besonderer Weise an den Kosten zu beteiligen (ebd.: 80). Und Körtner hält es für verantwortungsethisch geboten, die Folgen des brain drains für die Herkunftsländer zu bedenken oder die stabilisierende Wirkung der massenhaften Abwanderung für die dortigen politischen Regime, während es bei Zielländern einen „idealen Einwanderungsquotienten“1 gebe, dessen Über- wie Unterschreiten negative Folgen für die jeweilige Gesellschaft habe (Körtner 2016: 71). Einwanderung müsse daher gesteuert und folglich auch begrenzt werden, denn eine „liberale und migrationsfreundliche Kultur, welche die Rechte von Minderheiten und Notleidenden achtet, ist fragil und bedarf ihrerseits des Schutzes“ (Körtner 2016: 76). Die bisherige Willkommenskultur, so gibt er zu verstehen, hat dies nicht hinreichend beachtet und war darin unverantwortlich, und die deutliche öffentliche Unterstützung seitens der Kirchen für die Flüchtlingspolitik der Regierung Merkel war „rechtspolitisch bedenklich“ und darüber hinaus auch „theologisch problematisch“ (ebd.: 73f.).

      Die migrationsethische Diskussion ist, dieser Eindruck stellt sich ein, ziemlich festgefahren zwischen Gesinnungs- und Verantwortungsethikern, und dazu tragen nicht nur die unterschiedlichen Argumente bei, sondern auch die Tatsache, dass die Debatte nicht nur als ethische, sondern als moralische Auseinandersetzung geführt wird. Gesinnungsethiker werfen Verantwortungsethikern Prinzipienlosigkeit, und Verantwortungsethiker werfen Gesinnungsethikern Verantwortungslosigkeit vor. Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Aufteilung des Diskurses in eben diese beiden Lager daran nicht unschuldig ist. Dieser Verdacht wird dadurch erhärtet, dass Webers Unterscheidung nur von jenen verwendet wird, die eine migrationsskeptische und restriktive Haltung einnehmen – sie sehen sich als verantwortlich, die anderen als weltfremde Idealisten (Weber selbst spricht von „Heiligen“. Kein „Gesinnungsethiker“ bezeichnet sich selbst so. Im Gegenteil, diese erkennen ihre Verantwortung gerade darin, den menschenrechtlichen Anforderungen gerecht zu werden, die wohlhabende westliche Staaten und Gesellschaften gegenüber Menschen haben, die sich veranlasst sehen, ihre Heimat wegen Krieg, Verfolgung und wegen der ökonomischen und politischen Misere zu verlassen – zumal die Ursachen dieser Notlagen häufig zumindest mittelbar mit der europäischen Kolonialgeschichte oder den globalen Weltwirtschaftsverhältnissen zusammenhängen. Gesinnungsethiker würden wohl einwenden, dass sie sehr wohl verantwortungsethisch argumentieren, nämlich in Verantwortung gegenüber moralischen Standards, wie sie etwa in den Menschenrechten formuliert sind. Webers Unterscheidung hat also zunächst eine rhetorische Funktion, nämlich eine ethische Stellungnahme im Migrationsdiskurs zu positionieren und gegenüber