und p enthalten „eine nützliche Eigenschaft zu Nachahmung des Bindenden, Dauernden, so wie bei Pech und Teer“, und da beim l „die Zunge am behendesten schlüpft“, eignet es sich besonders „um das Lose, Lockere und Schlüpfrige selbst und das Leckere und Leimige und viel anderes dergleichen zu benennen“. (427 b) Dies ist natürlich Unsinn, und Sokrates weiß das auch: „Was ich nun von den ursprünglichen Wörtern gemerkt habe, dünkt mich gar wild und lächerlich“, (426 b) gesteht er ein. Er sieht jedoch keine andere Lösung: „Aber es muß doch so sein; denn wir haben nichts besseres als dieses, worauf wir uns wegen der Richtigkeit der ursprünglichen Wörter beziehen könnten.“ (425 d) Sokrates hat nicht nur bemerkt, dass seine Bildtheorie gar wild und lächerlich ist; er hat schließlich auch erkennen müssen, dass es massenhaft Gegenbeispiele gibt: etwa Wörter mit r, die keine Bewegung ausdrücken, sondern vielmehr Ruhe, und dergleichen mehr. (432 d–e) Dies zwingt ihn schließlich zum Rückzug, bei dem er sich nun doch der Konventionalitätsthese des Hermogenes annähert.
Sokrates vergewissert sich nochmals bei Hermogenes, was dieser denn unter ‚GewohnheitGewohnheit‘ verstehe: „Und wenn du Gewohnheit sagst, glaubst du etwas anderes zu sagen als VerabredungVerabredung? Oder meinst du unter ‚Gewohnheit‘ etwas anderes, als daß ich, wenn ich dieses Wort ausspreche, jenes denke, und daß du erkennst, daß ich jenes denke?“ (434 e) Da wir offensichtlich in der Lage sind, dem andern erkennen zu geben, was wir denken, mittels Wörtern, die keinerlei ÄhnlichkeitÄhnlichkeit mit dem Benannten aufweisen, muss es wohl so sein, dass die Gewohnheit darzustellen in der Lage ist, und zwar „durch Ähnliches wie durch Unähnliches“. (435 b) Dies scheint mir eine wichtige Einsicht zu sein. Denn diese Feststellung besagt doch wohl, dass die Alternative gar nicht darin besteht, entweder durch Gewohnheit oder durch Ähnlichkeit darzustellen. Auch wenn bei einem Wort Ähnlichkeit mit dem Referenten gegeben ist, bedarf es dennoch der Gewohnheit, den Referenten durch Ähnlichkeit zu bezeichnenbezeichnen. Der Aspekt der Ähnlichkeit allein ist „gar zu dürftig" (435 c); „Verabredung und Gewohnheit“ müssen „notwendig […] etwas beitragen zur Kundwerdung der Gedanken, indem wir sprechen“. (435 b) Die Gewohnheit sei das „Gemeinere“. (435 c) Mit anderen Worten: OnomatopoesieOnomatopoesie allein macht einen Laut noch nicht zu einem sprachlichen Zeichen; es bedarf zusätzlich der KonventionKonvention, den onomatopoetischen Ausdruck zur „Kundwerdung der Gedanken“ zu verwenden. So ist es beispielsweise eine unserer Konventionen, dass wir zu Bezeichnung des Kuckucks das onomatopoetische Wort Kuckuck verwenden.
Fassen wir zum Abschluss den Verlauf der Diskussion und deren Ergebnisse nochmals kurz zusammen. Sokrates führt gegen die Arbitraritätsthese zunächst im Wesentlichen drei Argumente ins Feld:
1 Radikale BeliebigkeitBeliebigkeit gibt es nicht.
2 Wenn es wahre und falsche Sätze gibt, muss es auch wahre und falsche Wörter geben.
3 Wenn Wörter Werkzeuge sind, müssen sie ihren spezifischen Zwecken gemäß gefertigt sein.
Das erste Argument ist gültig, aber es bekämpft eine These, die aus der Arbitraritätsthese nicht folgt. Die beiden anderen Argumente sind, wie ich zu zeigen versucht habe, ungültig.
Die These der Nichtarbitrarität versucht Sokrates mit Hilfe etymologischer Ableitungen und einer onomatopoetischen Bildtheorie zu belegen. Die Erkenntnis der Schwäche seiner Bildtheorie zwingt ihn schließlich zu dem Zugeständnis, dass „die Darstellung […] in der GewohnheitGewohnheit [liegt …], denn diese, wie mir scheint, stellt dar, durch Ähnliches wie durch Unähnliches“. (435 b)
Das Ergebnis der Diskussion zwischen Sokrates und Hermogenes lässt sich in folgende Thesen fassen: Mittels Konventionen sind wir in der Lage, Dinge zu bezeichnenbezeichnen, dadurch dass wir dem andern zu erkennen geben, woran wir denken, ganz gleich, ob ÄhnlichkeitÄhnlichkeit gegeben ist oder nicht. Allerdings, so fügt Sokrates hinzu, sind Wörter „auf das bestmögliche“ (435 c) gebildet, wenn Ähnlichkeit vorhanden ist. Diese Thesen sind vollständig korrekt. Auf beide werden wir zurückkommen.
Vier Gedanken sind es, die auch heute noch Gültigkeit haben:
1 die relative ArbitraritätArbitrarität der Zeichen,
2 der Handlungscharakter des Redens,
3 der WerkzeugWerkzeugcharakter der Sprache,
4 die Funktionsbestimmung der Sprache: KommunikationKommunikation, Klassifikation und RepräsentationRepräsentation.
Sie werden uns im Weiteren beschäftigen.
4 Aristoteles’ repräsentationistische Zeichenauffassung
Wer über Zeichen, deren BeziehungBeziehung zur kognitiven Welt und zur Welt der Dinge reden will, der muss drei Ebenen der Betrachtung klar und deutlich auseinanderhalten:
1 die linguistische Ebene der Zeichen (Wörter, Sätze),
2 die epistemologische Ebeneepistemologische Ebene der kognitiven Korrelate (Begriffe, Propositionen) und
3 die ontologische Ebene der Dinge, Wahrheitswerte1 und Sachverhalte.
Dazu ist es notwendig, eine Schreibkonvention zu übernehmen. Man kann von Elefanten reden, von ‚Elefant‘ und von Elefant. Im ersten Fall redet man von bestimmten Tieren, im zweiten Fall von einem BegriffBegriff und im dritten Fall von einem deutschen Substantiv. Vorsichtshalber sei betont, dass diese Unterscheidungen weder zu der Annahme verpflichten, dass jedem sprachlichen Zeichen ein begriffliches Korrelat entspricht, noch zu der Annahme, dass die BedeutungBedeutung eines Zeichens auf der epistemischen Ebene anzusiedeln ist. Beide Annahmen werden wir eingehend zu diskutieren haben.
PlatonPlaton unterscheidet im „Kratylos“ diese drei Ebenen der Betrachtung: die der Wörter, die der Gedanken und die der Dinge.2 Aber er trifft diese Unterscheidung eher versteckt. Die KonventionKonvention, so sagt er, diene dazu, „daß du erkennst, daß ich jenes denke“. (434 e) Wörter dienen somit dem Sprecher dazu, dem Adressaten seine Gedanken „kundzumachen“. (435 a) So ist die Frage konsequent, vermöge welcher Eigenschaften der Wörter der Hörer erkennen kann, was der Sprecher denkt. Platons Antwort lautet: Es ist die BildhaftigkeitBildhaftigkeit und/oder Konventionalität des Wortes. Das Wort ist jedoch kein Bild des Gedankens, sondern ein Bild des Gegenstandes, an den der Sprecher denkt. Das Modell der Bildhaftigkeit ist, vereinfacht gesagt, folgendes: Das Wort, das ich verwende, ähnelt dem Wesen des Dings, an das ich denke, und so kannst du erkennen, an welches Ding ich denke. Dies ist, wie wir noch sehen werden, ein Modell des Kommunizierens mit ikonischen Zeichen. Wer versteht, dass das Schildchen mit dem durchgestrichenen Schwein auf dem Essteller, das die Lufthansa auf ihren „no pork flights“ verwendet, besagen soll, dass die Speisen auf dem Teller den Speisegeboten des Korans entsprechen, erkennt „die Gedanken des Sprechers“ dank einer ÄhnlichkeitÄhnlichkeit des verwendeten Zeichens mit den Speisen.
Die Unterscheidung der drei Betrachtungsebenen wurde zum ersten Mal in voller Deutlichkeit von AristotelesAristoteles getroffen, und zwar in der bereits erwähnten Schrift, deren deutsche Übersetzung den Titel „Peri Hermenias oder Lehre vom Satz“ trägt. Aristoteles’ primäres Interesse galt der Theorie des Syllogismus und der Logik. Seine zeichentheoretischen Bemerkungen auf den ersten drei Seiten dieser Schrift haben eher den Charakter von Vorbemerkungen im Dienste einer Theorie des Satzes, die wiederum im Dienste einer Theorie des Syllogismus steht.3ItkonenCoseriu Aber so spärlich seine Ausführungen zur Theorie der Zeichen auch sind, so einflussreich sind sie auf das europäische sprachphilosophische Denken geworden.4Arens
Die zentralen zeichentheoretischen Aussagen lauten:
Es sind also die Laute [phonai], zu denen die Stimme gebildet wird, Zeichen [symbola] der in der Seele hervorgerufenen Vorstellungen [pathemata], und die Schrift ist wieder ein Zeichen der Laute. Und wie nicht Alle dieselbe Schrift haben, so sind auch die Laute nicht bei Allen dieselben. Was aber durch beide an erster Stelle angezeigt wird, die einfachen seelischen Vorstellungen, sind bei allen Menschen dieselben, und ebenso sind es die Dinge [pragmata], deren AbbildAbbilder die Vorstellungen sind. […] Das Nomen also ist ein Laut, der konventionell etwas bedeutet, ohne eine Zeit einzuschließen, und