Rudi Keller

Zeichentheorie


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Zeichenkonzeption vertritt, hat Aristoteles eine repräsentationistische. Die Frage, die Platon zum Teil in unangemessener Weise beantwortet, wird von Aristoteles gar nicht gestellt.

      Hat Aristoteles eine psychologistische Bedeutungstheoriepsychologistische Bedeutungstheorie vorgelegt? Im allgemeinen wird diese Frage bejaht:13Ax „There can be no doubt that Aristotle has generally been understood as representing the psychologistic theory of meaningmeaning: meanings are just those mental concepts and judgements which are expressed by words and sentences (more precisely: by strings of sounds identifiable as word-forms and sentence forms).“14Itkonen Eine solche Annahme setzt jedoch zweierlei voraus: erstens, dass das, was ein Laut symbolisiert, als seine Bedeutung angesehen wird, und zweitens, dass VorstellungVorstellungen (pathemata) psychologische Einheiten sind. Die erste Annahme mag so selbstverständlich erscheinen, dass eine Alternative gar nicht in den Sinn kommt. Zu gegebener Zeit werde ich die These vertreten, dass es nicht sinnvoll ist, das als Bedeutung anzusehen, wofür Laute „stehen“, sondern das, was sie zu Zeichen macht. Die zweite Annahme ist schwieriger zu beurteilen. Denn eine Psychologie im heutigen Sinne gab es zu Aristoteles’ Zeiten freilich nicht. Zumindest aus heutiger Sicht bietet sich eine platte psychologistische Interpretation nicht an. Die pathemata, von denen bei Aristoteles die Rede ist, sind erstens überindividuell („bei allen Menschen dieselben“), und zweitens sind sie zeitlos. Beides trifft auf Vorstellungen im psychologischen Sinne nicht zu. Aristoteles’ pathemata sind objektive Abbilder der Dinge; Vorstellungen im psychologischen Sinne haben stets ein subjektives Moment.15 Pathemata sind Resultate der Erkenntnis der Dinge; die Lehre der Erkenntnis ist nicht die Psychologie. Hans ArensArens sagt es deutlich: „He does not say: ‚all human beings form the same notions in their minds‘.“16 Aber er benötigt aufwendige Argumentationskonstruktionen, um Aristoteles’ These, dass die pathemata bei allen Menschen dieselben seien, als sinnvoll zu retten. Ich möchte die Frage, ob Aristoteles eine psychologistische Bedeutungstheorie vorgelegt hat, den Aristoteles-Kennern überlassen und hier lediglich darauf hinweisen, dass aus der Tatsache, dass er den Ausdruck pathemata verwendet, dies meines Erachtens nicht ohne zusätzliche Begründung gefolgert werden kann.

      Die beiden genannten Sprach- bzw. Zeichenauffassungen, die instrumentalistische und die repräsentationistische, stehen sich in der Sprachwissenschaft und der Sprachphilosophie auch heute noch gegenüber. Als prototypischen und vielleicht einflussreichsten Theoretiker einer repräsentationistischen Sprachkonzeption möchte ich Gottlob FregeFrege mit seiner Theorie über SinnSinn und Bedeutung darstellen. Der prominenteste Vertreter einer instrumentalistischen Auffassung ist Ludwig WittgensteinWittgenstein mit seiner in seinem Spätwerk vorgelegten GebrauchstheorieGebrauchstheorie der Bedeutung. Beide werden die Grundlage unserer weiteren Überlegungen sein.

      5 Freges repräsentationistische Zeichenauffassung1

      Frege hat seine Zeichentheorie in einer Reihe von Aufsätzen2Fabian dargelegt, deren wichtigster den Titel „Über Sinn und Bedeutung“ trägt. Ich werde die Grundgedanken der Fregeschen Zeichentheorie anhand dieses Aufsatzes darstellen und die übrigen Schriften da, wo es mir nötig erscheint, zur Erläuterung heranziehen.

      Frege war in erster Linie Mathematiker und Logiker und erst in zweiter Linie Sprachphilosoph. Seine sprachphilosophischen Überlegungen sind im Wesentlichen motiviert von dem Bestreben, die Grundlagen der Mathematik und der Logik auf klare und stringente Weise zu formulieren. So war es offenbar unter Mathematikern seiner Zeit nicht selbstverständlich, „Form“ und „InhaltInhalt“3 klar zu unterscheiden; deutlich zu machen, ob von dem Zeichen für die Zahl (der Ziffer) oder von der Bedeutung des Zeichens (der Zahl) die Rede ist. Man sei dazu verleitet, schreibt Frege, „die Zahlzeichen selbst für die Zahlen, für die eigentlichen Gegenstände der Betrachtung zu halten, und dann wären ja freilich 7 und 2+5 verschieden. Aber eine solche Auffassung ist nicht zu halten, weil man gar nicht von irgendwelchen arithmetischen Eigenschaften der Zahlen sprechen kann, ohne auf die Bedeutung der Zahlzeichen zurückzugehen.“4 Mit anderen Worten, es ist unbedingt notwendig, „der Verwechslung von Form und Inhalt, von Zeichen und Bezeichnetem“5 entgegenzutreten. Allein, die Unterscheidung von Form und Inhalt reicht vielfach nicht aus, um einen Satz angemessen interpretiereninterpretieren zu können. Frege macht dies am Beispiel einer Identitätsaussage der Form a=b deutlich: „Ist sie [die Gleichheit] eine BeziehungBeziehung? eine Beziehung zwischen Gegenständen? oder zwischen Namen oder Zeichen für Gegenstände?“6 Wenn wir Form und Inhalt ordnungsgemäß unterscheiden, ergibt sich folgendes Dilemma: Nehmen wir an, die Aussage a=b sage etwas über die Zeichen aus, so ist sie evidentermaßen falsch. Denn das Zeichen a ist ja nicht identisch mit dem Zeichen b. Nehmen wir aber an, die Aussage sage etwas über die bezeichnetenbezeichnen Gegenstände aus, so besagt a=b per definitionem dasselbe wie die Aussage a=a. Denn wenn b identisch ist mit a, sollte man b durch a ersetzen können. Nun sind aber a=a und a=b „offenbar Sätze von verschiedenem Erkenntniswert“7 Eine Aussage der Form a=b, z.B. die Aussage Der Morgenstern ist identisch mit dem Abendstern, kann zu einer wertvollen Erweiterung unserer Erkenntnis führen, während a=a, also etwa die Behauptung Der Morgenstern ist identisch mit dem Morgenstern, uns nur sagt, was wir schon immer wussten, dass ein Ding mit sich selbst identisch ist. Was also will man mit einem Satz der Form a=b sagen? Dies ist das Problem, das Frege zu lösen sich vornimmt. Wie sieht nun seine Lösung aus?

      Erinnern wir uns an das zu Beginn des vorigen Kapitels Gesagte: Wenn wir über Zeichen reden, so müssen wir drei Ebenen der Betrachtung vorsehen, die linguistische Ebene, die epistemologische Ebeneepistemologische Ebene und die ontologische Ebene; oder anders ausgedrückt, die Ebene der Sprache, die der Erkenntnis und die der Dinge. Das Fregesche Dilemma macht deutlich, dass es nicht ausreicht, die linguistische und die ontologische Ebene zu unterscheiden, um den Witz einer Aussage der Form a=b zu verstehen. Eine Aussage der Form a=b ist weder eine Aussage über die Sprache noch eine Aussage über die Welt; sie ist vielmehr eine Aussage über die Beziehung der Sprache zur Welt. Sie besagt weder ‚Das Zeichen a ist identisch mit dem Zeichen b’, noch ‚Das Ding ist identisch mit sich selbst‘, sondern sie besagt ‚Das Ding, das mit dem Zeichen a bezeichnet wird, ist identisch mit dem Ding, das mit dem Zeichen b bezeichnet wird‘. Die Art und Weise, wie ein Ding sprachlich repräsentiert ist, nennt Frege „die Art des Gegebenseins“.8 Der unterschiedliche Erkenntniswert von a=a und a=b „kann nur dadurch zustande kommen, dass der Unterschied des Zeichens einem Unterschied in der Art des GegebenseinsArt des Gegebenseins des Bezeichneten entspricht“.9 Das heißt, mit einem Satz der Form a=b sagen wir, dass die Zeichen a und b unterschiedliche „Arten“ sind, ein und denselben Gegenstand zu „geben“. Frege führt nun eine aus heutiger Sicht etwas gewöhnungsbedürftige Terminologie ein, indem er sagt: „Es liegt nun nahe, mit einem Zeichen (Namen, Wortverbindung, Schriftzeichen) außer dem Bezeichneten, was die Bedeutung des Zeichens heißen möge, noch das verbunden zu denken, was ich den Sinn des Zeichens nennen möchte, worin die Art des Gegebenseins enthalten ist.“10 Frege unterscheidet somit auf der sprachlichen Ebene die Zeichen, im wesentlichen Namen, Prädikate und Sätze, auf der begrifflichen Ebene den Sinn und auf der ontologischen Ebene die Bedeutung. In bezug auf die Fregesche Unterscheidung zwischen Sinn und Bedeutung haben zwei Thesen Verbreitung gefunden. Die erste These lautet: Was Frege „Sinn und Bedeutung“ nennt, ist das, was gemeinhin „Intension und Extension“ genannt wird. Die zweite These ist: Was Frege „Sinn“ nennt, ist das, was gemeinhin „Bedeutung“ genannt wird.11LyonsBrekle Beide Thesen sind inkorrekt. Wir wollen uns nun diese Kategorien und Unterscheidungen genauer ansehen.

      Zunächst ist eine Bemerkung erforderlich zum Verständnis des Gebrauchs der Ausdrücke Namen, PrädikatPrädikat und Satz. Namen sind nach Frege all diejenigen Bezeichnungen, „deren BedeutungBedeutung also ein bestimmter Gegenstand ist (dies Wort im weitesten Umfange genommen)“,12 also sowohl echte Eigennamen wie AristotelesAristoteles als auch andere referierende Ausdrücke und Kennzeichnungen wie der gegenwärtige Präsident der USA. Prädikate sind all diejenigen Ausdrücke, die eine Leerstelle mit sich führen, d.h. Ausdrücke, die ungesättigt sind, also etwa der Ausdruck ( ) schläft oder ( ) eroberte Gallien. (Die Leerstelle habe ich der Deutlichkeit halber durch eine leere Klammer