nach dessen Empfang wieder ausgepackt (dekodiert). Der Hörer gelangt somit in den Besitz der mit dem empfangenen Zeichen verbundenen Vorstellung. Die Bedeutung eines Zeichens ist also die mit ihm verbundene Vorstellung. So oder so ähnlich lautet die common-sense-Theorie der Bedeutung. „Die charakteristische traditionelle Zeichentheorie war eine Stellvertretertheorie: das Zeichen vertritt etwas, was auch ohne die VerwendungVerwendung dieses oder eines anderen Zeichens gegeben sein könnte – eben in der Vorstellung.“1 Eine solche Auffassung kann man generalisierend „VorstellungstheorieVorstellungstheorie“ nennen. Mit Hilfe einiger suggestiver Fragen und Bemerkungen möchte ich auf die Probleme aufmerksam machen, die mit einer solchen Theorie verbunden sind. Eine ausführliche Darstellung und Kritik der verschiedenen Varianten der Vorstellungstheorie gibt TugendhatTugendhat.2
1. Auch wenn wir unterstellen, dass es plausibel ist, anzunehmen, dass wir mit den Wörtern Kuh, Haus, trinken etc. Vorstellungen verbinden, so wäre immer noch zu zeigen, welche Vorstellung wir mit Ausdrücken wie nichts, ob, Dienstag, gut, Vetter, ähnlich oder unvorstellbar verbinden.
2. Unterstellen wir, dass die These „die Bedeutung eines Ausdrucks ist die mit ihm verbundene Vorstellung“ korrekt ist, welche Bedeutung hätte dieser Theorie gemäß der Ausdruck Vorstellung? Und welche Bedeutung hätte der Ausdruck die mit dem Ausdruck ‚Vorstellung‘ verbundene Vorstellung? Die Antwort lautet: „Die Vorstellung der mit dem Ausdruck Vorstellung verbundenen Vorstellung.“ Was bedeutet der Theorie gemäß diese Antwort?
3. Wie lehrt man andere (z.B. Kinder), bestimmte Vorstellungen zu haben, und wie kontrolliert man, ob es die richtigen sind? Wie vergleiche ich meine Vorstellung mit der eines anderen?
4. Nehmen wir an, es behaupte jemand, die Wörter fast und beinahe hätten die gleiche Bedeutung. Wie überprüft man, ob dies stimmt? Der Vorstellungstheorie gemäß sollte folgende Methode erfolgversprechend sein: Man schließe die Augen, vergegenwärtige sich zunächst die zu fast gehörige Vorstellung und dann die zu beinahe. Sodann vergleiche man die beiden Vorstellungen und überprüfe, ob es sich zweimal um die gleiche Vorstellung handelte.
5. Unterstellen wir, mein Gesprächspartner stelle sich, wenn ich zu ihm sage „Ich habe mir eine Kuh gekauft“, eine Kuh vor. Die korrekte Vorstellung zu haben, setzt doch offenbar voraus, dass er (unter anderem) den Ausdruck Kuh richtig verstanden hat. Folglich kann das Verständnis des Wortes Kuh nicht im Haben der entsprechenden Vorstellung liegen. Wenn eine Vorstellung ins Spiel kommt, kann sie nur eine Folge des Verstanden-habens sein.
6. Unterstellen wir, mein Gesprächspartner stelle sich, nachdem ich ihm sagte „Ich fahre morgen in Urlaub“, Sonne, Strand und Meer vor. Ich aber erhole mich drei Wochen in Ludwigshafen. Würden wir unter diesen Bedingungen sagen, er habe mich missverstanden? Wohl kaum; er hatte nur eine falsche Hypothese über das Reiseziel.
7. Der Begriff der Vorstellung bedürfte, um theoriefähig zu werden, einer analytischen Klärung und Explikation. Eine solche ist mir nicht bekannt; aber unterstellen wir, Vorstellungen seien so etwas wie geistige Bilder. (Wenn ich mir Hawaii vorstelle, erzeuge ich in mir eine Art geistigen Bildes.) Wenn so etwas mit dem Begriff der Vorstellung gemeint ist, wer hilft mir dann, meine geistigen Bilder zu verstehenverstehen? Und wer garantiert, dass ich sie richtig interpretiere?
Was diese sieben Suggestivfragen bzw. Bemerkungen andeuten sollen, ist folgendes:
ad 1: Die Vorstellungstheorie wird vollständig unplausibel, wenn sie auf Konjunktionen wie ob, relationale Ausdrücke wie Vetter, rein evaluative Ausdrücke wie gut oder nur strukturell definierbare Ausdrücke wie Dienstag angewendet wird.
ad 2: Die Anwendung der Vorstellungstheorie führt bei dem Versuch, sie auf den Ausdruck Vorstellung selbst anzuwenden, zu einem iterativen Regress.
ad 3: Wenn der kommunikative Gebrauch der Sprache im Austausch von Vorstellungen bestünde, müssten Vorstellungen nichtsprachlich kommunizierbar sein, um eine Sprache lehren zu können.
ad 4: Jeder, der mit einer Synonymiefrage konfrontiert wird, macht intuitiv Austauschtests, und keiner käme je auf die vorstellungstheoretische Idee, introspekive Vorstellungsvergleiche anstellen zu wollen.
ad 5: Vorstellungen sind allenfalls sekundäre Begleiterscheinungen des Kommunizierenkommunizierens, nicht aber substantieller Teil des Kommunizierens.
ad 6: Eine ÄußerungÄußerung richtig verstanden zu haben und die der Äußerungsintention des Sprechers adäquate Vorstellung zu haben, ist unabhängig voneinander. Die Aussage „Ich habe dich vollständig verstanden, kann mir aber nicht vorstellen, was du gesagt hast“ ist nicht selbstwidersprüchlich.
ad 7: Wenn Vorstellungen in irgendeiner Weise Bildcharakter haben, müssen sie selbst Gegenstand interpretativer Bemühungen sein, um verstanden zu werden. Diese Annahme führt ebenfalls in einen iterativen Regress.
Das Fazit ist: Selbst wenn wir zugestehen, dass wir beim Kommunizieren (bisweilen, stets oder bei einigen Sätzen oder Wörtern) Vorstellungen haben, so spielen sie für die Kommunikation nicht die Rolle, die ihnen die Vorstellungstheorie beimisst. Ob wir welche haben oder nicht, ist irrelevant für die Frage, was der Sprecher meint mit dem, was er sagt, und was der Hörer verstehtverstehen. Selbst wenn es systematische Vorstellungen gibt, die unser Kommunizieren begleiten, haben sie für das SpielSpiel des Kommunizierens nicht mehr Bedeutung als etwa die systematisch auftretende Freude oder Verärgerung, die einen Stich im Skatspiel begleiten mag. Sie sind nicht Bestandteil des Spiels.
Jede Theorie, die behauptet, dass Zeichen für etwas stehen, seien es Vorstellungen, Dinge oder sonst etwas, muss auf die Frage eine Antwort geben, wie dieses Repräsentationsverhältnis hergestellt und aufrechterhalten wird. Wie bringt man ein Zeichen dazu, für etwas zu stehen oder etwas zu symbolisieren oder eine Vorstellung zu repräsentieren? Soll das, wofür das Zeichen steht, Bedeutung genannt werden? Genau diese Position will ich nicht vertreten. Nicht, was kommuniziert ist, soll Bedeutung genannt werden, sondern was Kommunizieren ermöglicht. Erinnern wir uns: Wer über Zeichen, deren BeziehungBeziehung zur kognitiven Welt und zur Welt der Dinge reden will, der muss, wie dies spätestens seit AristotelesAristoteles üblich ist, drei Betrachtungsebenen vorsehen und unterscheiden: die linguistische Ebene der Zeichen, die epistemologische Ebene der Konzepte und die ontologische Ebene der Dinge und Sachverhalte. Man kann sich dann fragen, auf welcher Ebene man das ansiedeln möchte, was Bedeutung heißen soll. Teilweise ist das eine terminologische Entscheidung. FregeFrege siedelte, was er Bedeutung nannte, wie wir gesehen haben, auf der ontologischen Ebene an. Vorstellungstheoretiker siedeln sie offenbar auf der epistemischen Ebene an. Ich werde dafür plädieren, Bedeutung, dem späteren WittgensteinWittgenstein folgend, auf der linguistischen Ebene anzusiedeln. Wenn man diese Entscheidung nicht als rein terminologische Frage abtun will, muss man sich zunächst über eine andere Frage Klarheit verschaffen: Was soll der Bedeutungsbegriff leisten? Was soll mit ihm erklärt werden? Ohne eine solche Präzisierung lässt sich die Frage „Worin besteht die Bedeutung eines Zeichens?“ nicht sinnvoll beantworten. Meine Entscheidung ist die: Der Begriff der Bedeutung soll den Aspekt der InterpretierbarkeitInterpretierbarkeit des Zeichens erklären. Auch wenn man zugesteht, dass Zeichen für etwas stehen, etwas repräsentieren, etwas bezeichen und dergleichen, sei es einen Gegenstand, eine Vorstellung, ein Konzept, einen WahrheitswertWahrheitswert oder was auch immer, kommt man nicht umhin, sich die Frage zu stellen, welche Eigenschaft des Zeichens es ist, dank derer der Adressat herausfindet, wofür das Zeichen steht. Wenn wir mit Hilfe einer Sprache kommunizierenkommunizieren, vollziehen wir Äußerungen in der Absicht, den Adressaten zu einer bestimmten Interpretation zu bewegen. Eine ÄußerungÄußerung in einer solchen Absicht zu vollziehen heißt, mit dieser Äußerung etwas meinen. Wir können also auch sagen, der Bedeutungsbegriff soll der Erklärung dessen dienen, wie es dem Sprecher möglich ist, dem Adressaten erkennen zu geben, was er meint. Er soll dazu beitragen, PlatonPlatons Rätsel zu lösen: Wie gelingt es, „daß […], wenn ich dieses Wort ausspreche [und] jenes denke, […] du erkennst, daß ich jenes denke“?3 Um erläutern zu können, wie dies möglich ist, ist erheblicher begrifflicher Aufwand nötig. Ludwig