Rolle:
Ästhetische Schönheit: Jugendliche werden bei ihrer (ersten?) Begegnung mit einer Bibel auch auf äußere Signale achten. In der Schule werden schmuddelige Bücher oft abgelehnt, sie bleiben beim Austeilen übrig. Wenn Seiten fehlen oder zerrissen sind, oder wenn jemand bei Benutzer „Jesus“ eingetragen hat, überlagert das allzu schnell die Lust, einmal reinzuschauen in das Buch der Bücher. Der meist unbewusste Schluss vom Äußeren auf den Wert des Inhalts scheint unvermeidlich.
Gut also, dass viele Bibelausgaben in der letzten Zeit ein ‚Facelifting‘ erhalten haben. Sie kommen jetzt wesentlich farbiger daher: Die neue, kompakte Luther-Schulbibel in fein marmoriertem orange-rot, die Neue Genfer im preisgekrönten Outfit eines Notizbüchleins, die Gute Nachricht in aquamarin oder mit einem Einband gänzlich zum Selbstgestalten. Die BasisBibel hat sich in ihrer Druckversion auf ein weißes Kreuz auf trendfarbigem Grund in fünf Versionen festgelegt, die revidierte, ebenfalls auf Wunsch kompakte Einheitsübersetzung auf einen Lebensbaum. Dagegen erscheint die Zürcher nicht nur sprachlich „gediegen“.
Druckbild: Wünschenswert ist ein übersichtlicher, nach textimmanenten Gesichtspunkten gegliederter Text, von dem sich alle begleitenden Materialien klar unterscheiden, in einer angemessenen Schriftgröße. Die Gute Nachricht z.B. bietet „Psalmen und poetische Texte im Gedichtsatz“. Die Basis Bibel druckt darüber hinaus im gesamten Text jeweils nur eine Sinneinheit pro Zeile.
Vollständigkeit: Eine für den Religionsunterricht geeignete Bibelübersetzung sollte wirklich die „Heilige Schrift Alten und Neuen Testaments“ enthalten, so dass die atl. Texte, auf die sich ntl. oft beziehen, problemlos mit zur Hand sind. Ausgaben mit Apokryphen erschweren dagegen die Orientierung im biblischen Kanon.[4]
Darstellungsweise/Begleitende Materialien im Buch: Zwischenüberschriften, die Angabe von Parallelstellen und Hervorhebungen im Text geben den Text als Übersetzung zu erkennen und sind für ein Bibelstudium im Religionsunterricht in Maßen hilfreich, inhaltliche und Sacherklärungen sind unentbehrlich. Sie erhalten im Übergang in die Neuen Medien den Charakter von Hyperlinks.[5]
|78|Zwischenüberschriften mögen helfen, einen gesuchten Abschnitt beim Blättern schneller zu finden, stellen aber zugleich oft eine Verengung der Perspektive dar, noch bevor der Text gelesen ist.[6]Jes 11,10096>5 Hier erscheint eine möglichst neutrale Formulierung angemessen. Eine Version der Gute Nachricht Bibel möchte „mit farbig markierten Kernstellen“ „sofort zum Wesentlichen leiten“. Das entbindet den Leser – für die Arbeit im RU m.E. kontraproduktiv – davon, seine Kernstellen selbst zu bestimmen.
Die BasisBibel bietet Zusatzinformationen bei der Stelle, auf die sie sich beziehen, separat am Rand, sodass sie sofort zur Hand und dennoch deutlich vom Originaltext unterschieden sind. Das kommt dem durch elektronische Medien geprägten Leseverhalten Jugendlicher entgegen. In der elektronischen Fassung sind sie als Hypertext angelegt.[7] Die neue Lutherbibel, die auch als (kostenfreie) App angeboten wird, bietet eine hilfreiche Konkordanzfunktion und kurze Erläuterungen. S. Scholz schreibt[8]:
„Angesichts der fortgeschrittenen Verbreitung der Neuen Medien geht es m.E. nicht (mehr) um die Frage, ob sich die Bibeldidaktik … den Neuen Medien annähern soll oder nicht. Viel entscheidender ist die Einsicht, dass die Neuen Medien bereits die Lebenswelt potentieller und realer BibelleserInnen mitgestalten … erheblich in ihrem Empfinden, Denken, Organisieren etc. prägt. Bibeldidaktik kann kulturelle Veränderungen, wie sie durch die Neuen Medien bewirkt werden, nicht ignorieren, ohne ein billiges Scheitern in Kauf zu nehmen“.[9]
Wo Bibelübersetzungen sich dieser Tatsache stellen, sind sie für den Religionsunterricht besonders geeignet.
Methoden der Arbeit mit Übersetzungen im Religionsunterricht
Es kann eine wichtige, inspirierende und erhellende Erfahrung für eine Lerngruppe sein – etwa zu Beginn der Beschäftigung mit der Bibel – gemeinsam einen Text in möglichst vielen unterschiedlichen Übersetzungen zu studieren. Spätestens dann wird man die zugegeben teils unglücklichen, aber bestechend eindeutigen Stellenangaben mit Buch, Kapitel und Vers schätzen lernen und das
|79|Scheitern der Seitenzahlen erleben. Welche Worte und Wendungen sind ganz fremd, fast unverständlich, was bieten andere Übersetzungen, was stand da im Ausgangstext und in welche Welt gehörte der? Was klingt würdig? Wie viel davon ist auch heute noch sinnvoll und erwünscht? Wie würden wir das heute angemessen ausdrücken? Welche Informationen braucht man, um solche Fragen beantworten zu können?
Schülerinnen und Schüler könnten sich selbst als „Brückenbauer“ erleben und erproben, indem sie eine eigene Übersetzung eines Bibeltextes aus einer Sprache herstellen, die sie als Fremdsprache gelernt haben (z.B. „And Mary said, My soul doth magnify the Lord …“[10]Lk 1,46Lk 1,46). Die Arbeit mit Wörterbüchern und die Erschließung des historischen Kontextes könnten dabei die Komplexität der Übersetzungsarbeit verständlicher machen.
Zum Beispiel:
Übersetzungen des Magnificat der Maria (Lk 1,46–56Lk 1,460096>56)
Als Testfall für die Verständlichkeit und das Maß, sich den Verstehensmöglichkeiten der Adressaten anzupassen, dient hier das „Magnificat der Maria“ Lk 1,46–56. Dieser theologisch interessante, in sich geschlossene Hymnus[11] enthält einige prägnante Begriffe, von deren Übersetzung das Textverständnis mit abhängt. S. Alkier hat die Unmöglichkeit beschrieben, für ein Wort in einer Ausgangssprache ein genau entsprechendes in einer anderen zu finden und betont, dass jeder Übersetzer von der „Komplexität verschiedener Sprachsysteme überfordert“ ist und die „Differenz der Sprachen nicht überwinden“ kann.[12]
Dennoch möchte ich versuchen, von der Übersetzung einiger dieser Begriffe Hinweise auf die Verständlichkeit einer Bibelübersetzung im Religionsunterricht abzuleiten.
Die Elberfelder 32011 (El) vertritt dabei die „urtextnahen“ Übersetzungen. Einen Mittelweg repräsentiert die 2016 überarbeitet erschienene Einheitsübersetzung (E). Die Gute Nachricht Bibel (GN) ist (als einzig verbliebene ökumenische) als „kommunikative“ Übersetzung berücksichtigt. Die neue Lutherbibel (L) geht als Bestseller mit der größten historischen Bedeutung ins Rennen und die „crossmediale“ BasisBibel (BaBi) als die, die die Verbindung mit den Neuen Medien am weitesten vorangetrieben hat.
Als Vergleich herangezogen werden hin und wieder die Bibel in gerechter Sprache (BigS), die Volxbibel (V) als freie Übertragung und Neues Leben (NL), weil sie traditionelle theologische Schlüsselbegriffe programmatisch beibehält |80|(zu den verschiedenen Bibelausgaben vgl. → Art. Bibelausgaben damals und heute).
Das Ich[13] der Maria ist im Parallelismus der Glieder in V.46 durch psychē und pneuma umschrieben. Die Übersetzung sollte das erhalten und so gleichzeitig den poetischen Charakter des Stücks übernehmen. L, E und El übersetzen „Seele“ und „Geist“. BaBi bildet den Parallelismus aus „Ich“ und „Alles in mir“, was angemessen erscheint, während V psychē m.E. missverständlich in „mit allem, was ich hab“ überträgt. NL zerstört den Parallelismus, obwohl die Überschrift ein „Loblied“ verspricht.
„Retter“, ein in unseren Tagen durchaus gebräuchlicher und verständlicher Begriff, wird von allen hier betrachteten Ausgaben Luthers „Heiland“ für sotēr zu Recht vorgezogen.[14] Tapeinōsis tēs doulēs autou: L, E und El übersetzen mit „Niedrigkeit seiner Magd“, einem Begriff, der eher in feudalen Zeiten seinen Platz hatte. GN formuliert „geringe“, BaBi „unbedeutende Dienerin“, was in unserer Welt wohl am besten passt.[15]
Was makariousin mou bedeutet – L und E übersetzen „seligpreisen“ –, erschließt sich heutigen Leserinnen und Lesern ohne Hilfe kaum. „Glücklich“ (GN) bzw. „glückselig preisen“ (BaBi) erhält den Charakter eines