J. Butcher [Illustration]/Walther Esther [Übersetzung], Bibelgeschichten, Zwei Bände, Asslar 1992 [US-amerikan. Original: Michigan 1969]. Mary Hollingsworth/ Stephanie Mc. Fetridge Britt [Illustration]/Sieglinde Denzel/Susanne Naumann [Übersetzung], Die kleine Bibel für mich…, Stuttgart-Neuhausen 1993 [US-amerikan. Original: Irving 1991]. V[ictor] Gilbert Beers/Carole Boerke [Illustration]/Wolfgang Neumeister [Übertragung], Bibel für Kleinkinder, Sprockhövel 2005 [US-amerikan. Original: The Toddler’s Bible, Colorado 1992]. Sally Lloyd-Jones/Jago [Illustration]. Die Gott hat dich lieb Bibel, Asslar 2009 [US-amerikan. Original: The Jesus Storybook Bible, Michigan 2007).
Anregungen dazu finden sich u.a. bei Jeremy Punt, The Other in South African Children’s Bibles: Politics and (Biblical) Systems of Otherness, in: Caroline Vander Stichele/Hugh S. Pyper (ed.), Text, image, and otherness in children’s Bibles. What is in the picture?, Atlanta 2012, 73–97.
Dazu ausführlich David Käbisch, Religionspädagogik und Translation Studies. Zur Bedeutung des Übersetzens für die Theorie und Praxis religiöser Bildung, in: Andrea Schulte (Hg.), Sprache – Kommunikation – Religionsunterricht. Gegenwärtige Herausforderungen religiöser Sprachbildung und Kommunikation über Religion im Religionsunterricht, Leipzig (erscheint 2018).
|101|2. Im Fokus: Inhalte (Texte und Themen)
|103|Der Kanon im Kanon
Sabine Pemsel-Maier
Wer mit der Bibel arbeitet, steht vor einem Grunddilemma: „Die Bibel vermittelt ein Gefühl permanenter Überforderung: Sie ist zu dick, zu disparat, in vielem fremd (Sprache, Bilder, Konzepte) – einfach zu groß! Sie zwingt zu bedenklichen Strategien, mit diesem Problem (…) fertig zu werden: Eine ‚Lösung‘ ist der Verzicht auf die Bibel zugunsten eines kleinen Sets von biblischen Texten, die problemlos ‚funktionieren‘ (…)“.[1] Die faktische Reduzierung des großen biblischen auf einen begrenzten „religionspädagogisch funktionierenden“ Kanon, in dem der sozialkritisch-eingängig erscheinende Amos den Vorzug vor Hosea, Evangelientexte vor dem Corpus Paulinum, die Synoptiker vor Johannes erhalten, erscheint auf den ersten Blick als einfacher Ausweg. Auf den zweiten Blick ist sie in höchstem Maße begründungspflichtig: Was wird aus welchen Gründen aufgenommen, was aussortiert?
Der Kanon der Lehr- und Bildungspläne
Nachweisen lässt sich ein Kanon im Kanon für die aktuell gültigen evangelischen und katholischen Lehr- und Bildungspläne.[2] Inhaltliche Unterschiede zwischen den Konfessionen sind trotz unterschiedlichem Kanonumfang marginal; auf evangelischer Seite erscheinen die biblischen Themen etwas stärker akzentuiert. Es gibt einen durchgehenden alt- und neutestamentlichen Grundbestand – Schöpfung und Exodus, Abraham und Mose, Auszüge aus Väter- und Prophetenerzählungen, Geburt Jesu, Gleichnisse, Wunder, Passion, Auferstehung – mit altersspezifischer Zuordnung: Auszüge aus den Paulusbriefen oder dem Johannesevangelium bleiben dem Gymnasium und besonders der Oberstufe vorbehalten, während die Primarstufe Erzählungen aus dem AT und dem Leben |104|Jesu bevorzugt;[3] umgekehrt bedeutet dies, dass das theologische Potenzial des Buches Jona oder der Josefserzählung nicht voll ausgeschöpft wird. Die in der Sek I gebräuchlichen Texte unterscheiden sich in den verschiedenen Schularten kaum. Insgesamt besteht für die Weisheitsliteratur fast durchgehend Fehlanzeige; kleine Ganzschriften wie Tobit begegnen selten; der Schatz der Psalmen wird oft reduziert auf Ps 23 und Ps 104. Quer zu diesen Tendenzen stehen länder- und kulturspezifische Besonderheiten, wie das Buch Ruth im interreligiösen Hamburger Kontext, sowie lehrplanspezifische Merkmale – Thüringen etwa listet minutiös eine Vielzahl von Psalmen auf. Wo kompetenzorientierte Bildungspläne mit ihrer Zurückhaltung gegenüber zu zahlreichen Vorgaben die inhaltsorientierten Lehrpläne abgelöst haben und den Lehrkräften die Auswahl der Texte entsprechend der jeweiligen Unterrichtssituation überlassen, lässt sich das Vorkommen respektive Fehlen bestimmter Texte ohnehin nicht mehr eindeutig bestimmen – wenn in Bremen Mt 5–7 nicht explizit aufgeführt wird, heißt dies nicht, dass die Botschaft der Bergpredigt zwangsläufig ignoriert wird.
Kanonbildung in Kinder-, Jugend- und Schulbibeln
Einen eigenen Textkanon bieten notwendigerweise auch Kinder-, Jugend- und Schulbibeln. Bei den herkömmlichen Kinderbibeln sind „fast durchgängige Lücke (…) Propheten, Psalmen, Briefe des Paulus. Manche Stoffe erscheinen übergewichtig, etwa die Erzählung vom zwölfjährigen Jesus im Tempel“.[4] Andererseits hat sich in den letzten Jahren ein größerer Reichtum an Textsorten durchgesetzt: „Es gibt nun vermehrt Psalmen, Prophetentexte (neben dem klassischen Jona), Gebete und Hymnen, Weisheitssprüche …; und im NT ist zunehmend mehr Platz für die Apostelgeschichte, sogar vereinzelt für Briefe, und es überraschen (sehr) kurze Fassungen der Johannes-Apokalypse“.[5] Die wenigen existierenden Jugendbibeln[6] verfolgen ähnliche Tendenzen; u.a. achten sie, wie etliche der neueren Kinderbibeln auch, auf eine angemessene Präsenz von Frauen und Mädchen. Eine Untersuchung zu den verschiedenen zugelassenen Schulbibeln fehlt.
|105|Der subjektive Kanon
Eine nicht zu gering zu veranschlagende Rolle spielt schließlich der subjektive Kanon: Texte, die Lehrpersonen oder Pfarrerinnen und Pfarrer aus verschiedenen Gründen besonders wertschätzen, dominieren gegenüber solchen, die ihnen unzugänglich und fremd bleiben, sei es aufgrund ihrer lebensgeschichtlichen Situation, sei es aufgrund mangelnder Fähigkeit, die betreffenden Texte zu erschließen. Die subjektive Auswahl kann unbewusst und unreflektiert, aber auch gezielt nach ungeschriebenen Kriterien geschehen. Die Vorgaben der Lehr- und Bildungspläne und der tatsächliche Unterricht können darum in der Praxis weit auseinanderklaffen.
Ausblendung von wenig bekannten und besonders von „schwierigen“ Texten
Neben weniger bekannten Texten, die leicht übersehen werden – dazu zählt beispielsweise auch das Hohelied – werden häufig solche Texte ausgeblendet, die als „schwierig“[7] gelten: weil sie kognitiv schwer verständlich sind (wie Joh 1,1–18Joh 1,1–18), sexuell anrüchig (wie die Tamarerzählung in Gen 38Gen 38), der eigenen Lebenssituation fremd (wie Abraham und Sara), keine Identifikationsmöglichkeit bieten (weil nur Männer vorkommen), zu naturwissenschaftlichen Erkenntnissen (wie Gen 1Gen 1), modernen Werten und gesellschaftlichen Normen im Widerspruch stehen (wie Gen 6–9Gen 6–9 oder Gen 22,1–9Gen 22,1–9), unglaubwürdig erscheinen (wie die Brotvermehrung in Mk 6,30–44parMk 6,30–44par..) oder schwierige theologische Fragen aufwerfen (wie das Buch Ijob mit der Theodizee). Aus theologischen Gründen ausgespart werden Texte, darunter etliche Gleichnisse, die Gott zurückweisend (wie Lk 14,1–24Lk 14,1–24) oder zornig (wie Mt 10,34f.) oder gewaltbereit (wie Lk 12,46f.) erscheinen lassen, die von der Hölle (wie Mt 25,40–46Mt 25,40–46) oder vom Gericht handeln (wie Mk 9,43–45Mk 9,43–45; 12,1–12parMk 12,1–12par..; Mt 10,15Mt 10,15; 11,20–23Mt 11,20–23; 25,1–13; Lk 16,19–31). Wo das Gleichnis von den Talenten oder die Gerichtsrede in Mt 25,31–46Mt 25,31–46 vorgesehen ist, wird die Drohrede am Ende konsequent ausgespart.
Es gibt gute Gründe, solche Texte nicht zu thematisieren. Andererseits sind aber die hier versprachlichten Erfahrungen Kindern und Jugendlichen keineswegs fremd. Die „Botschaft“ dieser Erfahrungen holen sie vielfach anderweitig ein: über säkulare Literatur, Filme und andere Medien, ggf. auch über die kirchliche Verkündigung. Eben weil dem christlichen Glauben auch eine „dunkle“ und anstößige Seite zu eigen ist, weil sich der christliche Gott immer wieder auch als „fremd“ erweist, ist es keine Lösung, die Bibel durch die Begrenzung auf einen „unproblematischen“ Kanon im Kanon zu domestizieren.
|106|Notwendigkeit, Gefahr und Chance der Auswahl
Jeder