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Handbuch Bibeldidaktik


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Haltung mancher Juden bei z.B. im Blick auf die Palästinenserfrage, jedenfalls dann, wenn man die Auserwählung auch auf das Land bezieht. Leicht kann in der Wahrnehmung dieser Situation die Erwählung eher als theologisches Problem wahrgenommen werden.

      Die Erwählung der Kirche und der Christen

      Ist die Rede von der Auserwählung denn nur eine alttestamentliche Erkenntnis und nur gültig für das Volk Israel? Nein, denn auch im NT vollzieht sich die gleiche Struktur: Jesus erwählt seine Jünger (und man hat nicht den Eindruck, sie hätten wirklich eine Wahl gehabt, ohne dass von einem Zwang die Rede wäre). Im 1. Korintherbrief formuliert Paulus: „Schaut doch auf eure Berufung, liebe Brüder und Schwestern: Da sind in den Augen der Welt nicht viele Weise, nicht viele Mächtige, nicht viele Vornehme. Im Gegenteil: Das Törichte dieser Welt hat Gott erwählt, um die Weisen zu beschämen, und das Schwache dieser Welt hat Gott erwählt, um das Starke zu beschämen, und das Geringe dieser Welt und das Verachtete hat Gott erwählt, das, was nichts gilt, um zunichte zu machen, was etwas gilt, damit kein Mensch sich rühme vor Gott“ (1 Kor 1,26–291 Kor 1,26–29; Zürcher Bibel). Die Kirche wird im NT zunächst Leib Christi, später dann immer deutlicher „Ekklesia“ genannt (griech. ekklēsia bedeutet „die Herausgerufene“). Die Kirche macht sich nicht selber zu dem, was sie ist. Die Erwählung ist nun kein Gedanke, der sich allein auf die Gemeinschaft bezieht, denn auch der Glaube ist keine freie Wahl des Menschen, sondern Folge des göttlichen Erwählens. Aus dieser grundlegenden biblischen Erkenntnis hat die Reformation den problematischen Gedanken der doppelten Prädestination entwickelt (am stärksten bei Calvin; aber der Gedanke findet sich auch bei Luther): Die einen erwählt Gott, die anderen verwirft er. Diese Vorstellung aber macht aus Gott einen Willkürgott – so argumentiert die Bibel nicht. Gott erwählt – zum Leben in der Gemeinschaft mit ihm. Und das heißt sowohl für die Kirche als auch für die einzelnen Glaubenden: Sie sind von Gott erwählt, um in ihrem Leben der Erwählung Gottes zu entsprechen.

      Der ungleiche und ewig gültige Bund zwischen Gott und den Menschen

      Im AT (vor allem im deuteronomistischen Geschichtswerk) wird diese Erwählung nicht selten mit dem Begriff des Bundes (hebr. berῑt) ausgedrückt. Gott schließt mit Noach (Gen 6,18Gen 6,18; 9,8–17Gen 9,8–17), Abraham (Gen 15,18Gen 15,18), am Sinai (Ex 19,5.Ex 19,524) und mit David (2 Sam 7,142 Sam 7,14) einen Bund. „Bund“ drückt vor allem zweierlei |130|aus: Die Bundesverpflichtung Israels und die Treue Gottes. Beide Vertragspartner haben sich an den zwischen beiden geschlossenen Bund zu halten. Im Buch Hosea wird deutlich, dass die Besonderheit dieses Bundes darin besteht, dass Gott den Bund hält, auch wenn Israel ihn bricht – der Bund ist die Selbstverpflichtung Gottes zur Treue gegenüber Israel. Auch im NT ist der Begriff des Bundes (griech. diathēke), vor allem bei Paulus und im Hebräerbrief, theologisch relevant. Der im Sühnetod Jesu Christi zu erkennende „Neue Bund“ überbietet den „Alten Bund“ mit Israel: Ewige Gottesgemeinschaft ist den Christen verheißen (so im Gal und im Hebr). Das Abendmahl wird „der neue Bund in meinem Blut“ (Lk 22,20Lk 22,20) genannt und ist die Feier der Gottesgemeinschaft schon hier auf Erden. Aber was ist dann mit dem Volk des „Alten Bundes“? Paulus ringt, v.a. in Röm 9–11Röm 9–11, um diese Frage: Ist der „Neue Bund“ als Ablösung des „Alten Bundes“ zu verstehen – und ist dann das nicht an Jesus Christus glaubende Israel verworfen? Grundlegend ist für Paulus, dass Gott seine Verheißung nicht aufgibt – Israel bleibt also Gottes erwähltes Volk. Und auch wenn Paulus zwei Bundesschlüsse einander gegenüberstellt, so handelt es sich doch um den einen Bund Gottes – und am Ende werden letztlich die Menschen trotz ihres Ungehorsams gerettet werden: „Denn Gott hat alle in den Ungehorsam eingeschlossen, um allen seine Barmherzigkeit zu erweisen“ (Röm 11,32Röm 11,32).

      Erwählung – ein Thema für den Religionsunterricht?

      |131|Leseempfehlungen

      Ben-Chorin, Schalom, Die Erwählung Israels. Ein theologisch-politischer Traktat. München/Zürich 1993.

      Grünwaldt, Klaus, Gott und sein Volk. Die Theologie der Bibel. Darmstadt 2006.

      Koch, Christoph, Vertrag, Treueid und Bund. Studien zur Rezeption des altorientalischen Vertragsrechts im Deuteronomium und zur Ausbildung der Bundestheologie im Alten Testament. BZAW 383. Berlin 2008.

      Krahe, Susanne, Die Letzten werden die Ersten sein. Das Umkehrungsprinzip in der Bibel. Würzburg 1997.

      Religionsunterricht in Israels Gegenwart. Kriterien und Reflexionen, hg. vom Religionspädagogischen Zentrum Heilsbronn und von der Gymnasialpädagogischen Materialstelle Erlangen (www.rpz-heilsbronn.de/fileadmin/user_upload/daten/ service/ru_in_israels_gegenwart.pdf; Zugriff am 16.10.2012).

      Wilk, Florian/Wagner, J. Ross (Hg., unter Mitarbeit von Frank Schleritt), Between Gospel and Election. Explorations in the Interpretation of Romans 9–11. WUNT 257. Tübingen 2010.

      Willems, Lydia, Die Berufung des Levi und das Mahl mit den Sündern. Werkstatt RU 6. Trier 1998.

      Zeindler, Matthias, Erwählung – Gottes Weg in der Welt. Zürich 1998.

      Fußnoten

       1

      Ben-Chorin, Schalom, Die Erwählung Israels. Ein theologisch-politischer Traktat. München/Zürich 1993, 13.

       2

      Ebd.

       3

      Heidelberger Katechismus, Frage 64.

      Der Dekalog

      Bernd Schröder

      Der „Dekalog“ (so die Eindeutschung des griechischen Begriffs deka logoi Dtn 10,4 LXX), die „Zehn Worte“ (‘aśæræt ha-dibrōt, so die hebräisch-jüdische Tradition) bzw. die „Zehn Gebote“ (so nach Luthers Bibelübersetzung) finden sich an zwei Stellen des Pentateuch (Tora, Fünf Bücher Mose): Ex 20,2–17Ex 20,20096>17 und Dtn 5,6–21Dtn 5,60096>21. Von