das NT steht die Schöpfungsthematik zwar nicht im Zentrum, dennoch wird diese geradezu selbstverständlich vorausgesetzt (vgl. z.B. Mt 6,25–34Mt 6,25–34; Röm 1,19f.). Wie der hebräische Begriff bāra’ wird auch das griechische ktizo allein für das Schöpferhandeln Gottes verwendet. Eine besondere Pointe neutestamentlicher Aussagen liegt in der Schöpfungsmittlerschaft Christi (Kol 1,15–20Kol 1,150096>20; Joh 1,1–3Joh 1,10096>3; Hebr 1,2f.), wobei dieses Bekenntnis eine „Folge der Erkenntnis des Auferstandenen“ ist.[10] Der Zusammenhang von Schöpfung und Erlösung kann u.a. mit Bezugnahmen auf Deutero- und Tritojesaja an verschiedenen Stellen hervorgehoben werden, wobei der Gedanke der neuen Schöpfung (2 Kor 5,16–212 Kor 5,160096>21; Röm 4,17f.; 8,19–23Röm 8,190096>23; Gal 6,15Gal 6,15) wie einer kosmologischen Neuschöpfung (Offb 21,1–4Offb 21,10096>4) vorfindlich ist. Hier wird besonders deutlich, dass Schöpfung keineswegs nur ein anfängliches, sondern auch ein gegenwärtiges und zukünftiges Geschehen bedeutet.
Wichtige Kontexte
Im Folgenden wird weniger die Fülle theologischer Bezüge der Schöpfungsthematik reflektiert (z.B. Christologie, Eschatologie, Soteriologie, Theodizee, Schriftlehre), vielmehr wird auf zwei wesentliche lebensweltliche Kontexte |122|eingegangen, die gegenwärtig aus didaktischen Gründen von großer Relevanz sind: Kreationismus einerseits und Szientismus andererseits.
Kreationistisches Denken hat in den letzten Jahren auch im deutschen Kontext eine nicht absehbare Aktualität erhalten.[11] Kreationisten verstehen Gen 1 als biblischen Konkurrenzbericht zu naturwissenschaftlichen Welt- und Lebensentstehungstheorien und versuchen diesen pseudonaturwissenschaftlich zu beweisen. Der (natur-)wissenschaftliche Anspruch des Kreationismus wird u.a. durch das „Institute for Creation Research“ (ICR) in der Nähe von San Diego herausgestellt. Im Grunde genommen liegt hier ein doppelter Kategorienfehler vor. Theologisch unzureichend wird Gen 1 als Tatsachenbericht von der Welt- und Lebensentstehung verstanden, naturwissenschaftlich unzureichend steht das Ergebnis aller wissenschaftlichen Untersuchungen von vornherein fest: Es kann nur wahr sein, was in Übereinstimmung mit dem biblischen ‚Schöpfungsbericht‘ als Gottes Wort steht.
Im Kontext einer von Naturwissenschaft und Technik geprägten Lebenswelt finden des Weiteren szientistisch orientierte Sachbücher wie R. Dawkins’ ‚Der Gotteswahn‘[12] eine breite Leserschaft. Der szientistische Charakter dieses Bestsellers tritt dadurch hervor, dass die Kultur evolutionstheoretisch durch natürliche Selektion der Meme erklärt wird, ohne dass eine differenzierte Auseinandersetzung mit Kulturtheorien als notwendig erachtet wird.
Erfahrungen der Lernenden und Kompetenzen
Grundsätzlich ist aus entwicklungspsychologischer Perspektive zu bedenken, dass J. Fowler das zweite Stadium der Glaubensentwicklung als ‚mythisch-wörtlichen‘ Glauben bezeichnet.[13] Dies bedeutet, dass Kinder Gen 1 wortwörtlich als Welt- und Lebensentstehungsberichte auffassen – und dies nicht einfach als defizitäres und möglichst rasch zu überwindendes Glaubensstadium zu beurteilen ist. Das kindliche Denken und Gen 1 entsprechen einander, weil Kinder ein artifizialistisches Schöpfungsverständnis besitzen, in dem „alles auf personal-lebendige Wirkmächte“[14] zurückgeführt wird. Der Schöpfergott wird von Kindern als ein überelterliches, anthropomorphes Wesen verstanden, der alles herstellt, was Menschen nicht selbst machen können.
Unterbleiben gezielte Impulse zur Weiterentwicklung dieser kindlichen Schöpfungsvorstellungen, dann grenzen sich Jugendliche schließlich vom biblischen ‚Schöpfungsbericht‘ als kindlich und als von der Naturwissenschaft |123|widerlegt ab. So verdrängt das über den sozialen Kontext aufgenommene naturwissenschaftliche Denken nach und nach artifizialistische und anthropomorphe Schöpfungsvorstellungen. Mit dem im Jugendalter sich etablierenden mittelreflektierten Denken, also der Reflexion über die Mittel des Denkens selbst, setzt ein tiefgreifender Transformationsprozess ein, in dem das kindliche Weltbild grundlegend umgestaltet wird und schließlich der artifizialistische und anthropomorphe Kinderglaube als eine obsolete Stufe erscheint. Am Ende dieses Prozesses gelten insbesondere die naturwissenschaftliche Urknall- und Evolutionstheorie „als die rationale und unanfechtbare Basis der Welterklärung überhaupt (…). Gottesglaube und Welterklärung trennen sich“.[15]
Mit guten Gründen haben vor dem Hintergrund dieser Problematik die entwicklungspsychologischen Studien von F. Oser und K.H. Reich zum Denken in Komplementarität[16] eine vielfältige Beachtung im religionspädagogischen Diskurs gefunden. Verstehensprobleme von Jugendlichen hinsichtlich des Verhältnisses von biblischem Schöpfungsverständnis und naturwissenschaftlichen Theorien lösen sich nämlich erst, wenn das vierte Niveau der ‚reflektierten Komplementarität‘ erreicht wird, auf dem die Theorien A und B bewusst als komplementär aufgefasst werden und ihr gegenseitiges Verhältnis reflektiert wird.
Inhaltlich betrachtet besitzt im Blick auf das kritische Bewusstsein Jugendlicher die historisch-kritische Methode ein besonderes Potenzial. Mit allem Nachdruck sind aus diesem Grund die zwei biblischen Schöpfungserzählungen historisch-kritisch auszulegen. Hier zeigt sich zum einen, dass die biblischen Schöpfungsgeschichten ‚naturwissenschaftliche‘ Weltbilder früherer Zeiten enthalten. Auf diesem Hintergrund wird zum Ausdruck gebracht, dass Gott der Schöpfer des Himmels und der Erde ist. Für Jugendliche ist es nachvollziehbar, dass das Bekenntnis von Gott als Schöpfer vor ca. 2500 Jahren nicht mit der Urknall- bzw. Evolutionstheorie erläutert werden konnte. Zum anderen ist zu betonen, dass die biblischen Schöpfungserzählungen im Kontext der Heilsgeschichte zu verstehen sind. Des Weiteren ist die kritische Haltung Jugendlicher auch im Blick auf die Grenzen und Tragweite naturwissenschaftlicher Theorien zu schärfen. Für Jugendliche am Ende der Sekundarstufe I legen sich somit folgende schöpfungstheologischen Kompetenzen nahe:
(1) Die jeweilige Eigenart der Schöpfungserzählungen nach Gen 1,1–2,4aGen 1,10096>2,4a und Gen 2,4b–3,24Gen 2,4b0096>3,24 form- und traditionsgeschichtlich darlegen können, ihre Unterschiedenheit von einem historischen Tatsachenbericht verstehen und ihre Bezugnahme auf naturkundliches Wissen der damaligen Zeit sowie ihre Auseinandersetzung mit fremdreligiösen Vorstellungen (‚Sterne als Reflektoren‘) erkennen;
|124|(2) die Unterschiedenheit der Weltzugänge von Naturwissenschaft und Theologie verstehen und auf diesem Hintergrund sowohl kreationistische wie szientistische Einstellungen kritisieren können;
(3) „Schöpfungspsalmen als Ausdrucksmöglichkeiten des Staunens und der Freude an Gottes Schöpfung erkennen“[17] und gestalten;
(4) „die Folgen von Geschöpflichkeit für Lebensverständnis und Lebensgestaltung erkunden und bedenken (Mann und Frau; Schöpfungsauftrag; Ebenbild Gottes)“;[18]
(5) die Gefährdung der Schöpfung wahrnehmen und „ein Projekt zur ‚Bewahrung‘ der Schöpfung vorbereiten und durchführen“[19] können.
Leseempfehlungen
Höger, Christian, Abschied vom Schöpfergott? Welterklärungen von Abiturientinnen und Abiturienten in qualitativ-empirisch religionspädagogischer Analyse. Empirische Theologie 18. Berlin 2008.
Hunze, Guido, Die Entdeckung der Welt als Schöpfung. Religiöses Lernen in naturwissenschaftlich geprägten Lebenswelten. Stuttgart 2007.
Janowski, Bernd et al. (Hg.), Schöpfungsglaube vor der Herausforderung des Kreationismus. Neukirchen-Vluyn 2010.
Ritter, Werner H., Schöpfung/Leben. In: Lachmann, Rainer et al. (Hg.), Theologische Schlüsselbegriffe. Biblisch – systematisch – didaktisch. TLL 1. Göttingen 1999, 320–336.
Rothgangel, Martin, Naturwissenschaft und Theologie. Wissenschaftstheoretische Gesichtspunkte im Horizont religionspädagogischer Überlegungen. ARP 15. Göttingen 1999.
Schmid, Konrad (Hg.), Schöpfung. ThTh 4. Tübingen 2012.
Themenheft „Evolutionstheorie und Bildung. Beiträge zum ‚Darwin-Jahr‘“. ZPT (4/2009).
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