z.B. Fritzen, Wolfgang, Von Gott verlassen? Das Markusevangelium als Kommunikationsangebot an bedrängte Christen. Stuttgart 2008, 204.
Miskotte, 1966, 179 u.ö.
Vgl. Kliemann, 2009.
Vgl. Husmann/Hülsmann, 2012.
Schöpfung
Martin Rothgangel
Schöpfung stellt einen zentralen Bestandteil in verschiedenen Religionen dar.[1] Das Christentum verdankt den Schöpfungsglauben seiner Verwurzelung im Judentum, wobei die Schöpfungsaussagen des Judentums wiederum im Kontext einer Vielfalt altorientalischer Schöpfungsvorstellungen stehen.[2] Chance und Problem einer religionspädagogischen Reflexion der Schöpfungsthematik besteht darin, dass der Begriff ‚Schöpfung‘ alltagssprachlich verwendet wird. Er wird dabei oftmals auf den Gedanken der Welt- und Lebensentstehung reduziert, was im Jugendalter zu einer Infragestellung des Gottesglaubens führen kann. Des Weiteren kann der Schöpfungsbegriff mehr oder weniger synonym mit Natur gebraucht werden, was sich v.a. in Redeweisen wie ‚Bewahrung der Schöpfung‘ dokumentiert.[3]
Der Schöpfungsgedanke wird jedoch erst dann adäquat verstanden, wenn das Ganze der Wirklichkeit in seiner Unterscheidung und Beziehung zum Schöpfergott in den Blick genommen wird. Dementsprechend reflektiert Schöpfungstheologie das Verhältnis zwischen Gottes freier schöpferischer Wirksamkeit zu Beginn, Gegenwart und Zukunft und der von ihm unterschiedenen |119|Weltwirklichkeit, wobei auch der Zusammenhang mit Gottes Heilshandeln wesentlich ist. In diesem Sinne werden z.B. von H.-M. Barth auch Vorsehung, Wunder und Theodizee im Kontext des Schöpfungsartikels verhandelt.
Didaktische Relevanz und Reduktion
Da die Schöpfungsthematik diverse wesentliche Themen religiöser Bildung berührt, ist es umso wichtiger, ihre Gegenwarts- und Zukunftsbedeutung zu reflektieren. Mit guten Gründen treten dabei jene beiden Themen hervor, deren einseitige Behandlung in den einleitenden Ausführungen kritisiert wurde: Zum einen das Verhältnis der Schöpfungsthematik zur Welt- und Lebensentstehung, zum anderen die ‚Bewahrung der Schöpfung‘. Kinder verknüpfen aufgrund ihrer anthropomorphen und artifizialistischen Denkweise die biblischen Schöpfungserzählungen mit der Welt- und Lebensentstehung. Bei vielen Jugendlichen führt dies schließlich vor dem Hintergrund der ‚beweisbaren‘ Naturwissenschaften zu einem Konflikt, der zum Zweifel oder gar zum Verlust des Gottesglaubens führen kann. Allein aus diesen Gründen ist das Verhältnis zwischen den biblischen Schöpfungserzählungen und den naturwissenschaftlichen Welt- und Lebensentstehungstheorien zu reflektieren. Gleichfalls bedarf es aufgrund der bedrängenden ökologischen Herausforderungen des 21. Jh.s wie der Erderwärmung keiner weiteren Begründung, warum die Thematik ‚Bewahrung der Schöpfung‘ eine herausragende Gegenwarts- und Zukunftsrelevanz besitzt. Problematisch ist es jedoch, wenn diese beiden Themen auf eine Weise behandelt werden, dass Schöpfung auf diese naturwissenschaftliche oder ethische Ebene gewissermaßen ‚gepresst‘ wird, ohne sich den theologischen Gedanken der Unterschiedenheit zwischen Schöpfer und Geschaffenem und die damit verbundene Verdanktheit und Kontingenz menschlicher Existenz und Umwelt angemessen vor Augen zu führen. Im letztgenannten Sinne kann die Schöpfungsthematik als exemplarisch dafür angesehen werden, dass theologische Themen (hier: Schöpfung) auf der einen Seite eine eigene Perspektive auf die Wirklichkeit darstellen, die sprachlich z.B. durch Schöpfungserzählungen und -psalmen zum Ausdruck gebracht wird. Auf der anderen Seite ist diese genuin theologische Perspektive – will sich Theologie nicht in ein Ghetto-Dasein begeben – auf den Dialog mit anderen Perspektiven (wie z.B. der naturwissenschaftlichen, ökologischen) angewiesen.
Die vorliegenden Überlegungen zur didaktischen Relevanz legen unter einer ganz bestimmten Voraussetzung eine Fokussierung auf die beiden Themen „Verhältnis der biblischen Schöpfungserzählungen zur Welt- und Lebensentstehung“ sowie „Bewahrung der Schöpfung“ nahe. Entscheidend ist nämlich, dass gerade im Verhältnis zu naturwissenschaftlichen Theorien und ökologischen Überlegungen die genuin theologische Perspektive herausgearbeitet wird.
|120|Thematische Strukturen
Die verbreitete Redeweise vom biblischen ‚Schöpfungsbericht‘ weist auf ein grundlegendes Problem mit verschiedenen Facetten hin. So kann erstens unbedacht und ungewollt der Eindruck vermittelt werden, dass es sich in Gen 1,1–2,4aGen 1,10096>2,4a (im Folgenden: Gen 1) um einen Tatsachenbericht von der Entstehung der Welt und des Lebens handelt. Um dieses Missverständnis zu vermeiden, ist deshalb auf einen bewussten Sprachgebrauch zu achten, der Gen 1 als ‚Schöpfungserzählung‘ oder ‚Schöpfungspoesie‘ kennzeichnet: Hymnische Züge von Gen 1 werden u.a. dadurch deutlich, dass sich immer wiederkehrende Formulierungen finden (z.B. die Billigungsformel ‚und Gott sah, dass es gut war‘) sowie sogenannte Merismen, d.h. die Unterteilung einer Gesamtheit mit zwei oft entgegengesetzten Begriffen (z.B. Licht und Finsternis; Himmel und Erde; Tag und Nacht). Insbesondere kennzeichnet Gen 1 in formaler Hinsicht, dass acht Werke in sechs Tagen geschaffen werden (unterscheidbar anhand der Billigungsformel), wobei am zweiten (Himmelsfeste) und dritten Tag (Meer und Land; Pflanzen) die Lebensräume geschaffen werden, die von den am fünften (Wassertiere und Vögel) und sechsten Tag (Landtiere; Menschen) geschaffenen Lebewesen besiedelt werden.[4] Den Zusammenhängen zwischen dem zweiten und fünften sowie dritten und sechsten Tag entspricht wiederum die Korrespondenz zwischen dem ersten (Trennung von Licht und Finsternis) und vierten Schöpfungstag (Himmelskörper), wobei hier die zeitlichen Ordnungen im Vordergrund stehen: Wird mit dem ersten Werk die Tagesstruktur und damit die Abfolge der Zeit geschaffen, wird am vierten Schöpfungstag die Zeit selbst anhand der Himmelskörper strukturiert, „die ‚Zeichen sein sollen für Festzeiten, für Tage und Jahre (1,14Gen 1,14)“.[5] Dieser Textabschnitt in Gen 1,1–2,4a gehört zur sogenannten Priesterschrift, die im Kontext des babylonischen Exils entstanden ist. Kennzeichnend für die kritische Auseinandersetzung mit der Umwelt ist nicht nur die Depotenzierung der Gestirne zu bloßen „Reflektoren“[6] von Licht, sondern die konsequente Unterscheidung von Schöpfer und Schöpfung und damit von Gott und Welt, welches nicht zuletzt daran deutlich wird, dass das göttliche Schaffen mit dem Wort bāra’ gekennzeichnet wird, welches niemals für das menschliche Schaffen verwendet wird.
Schon in den Anfängen historisch-kritischer Bibelforschung wurde erkannt, dass mit Gen 2,4b–3,24Gen 2,4b–3,24 eine zweite, von Gen 1 unabhängige Schöpfungserzählung vorliegt, welche herkömmlich dem sogenannten jahwistischen Geschichtswerk zugerechnet wird. Dabei wird Gen 2f. im Vergleich zu Gen 1 keineswegs mehr als erheblich älter eingestuft, vielmehr ist sogar eine nachpriesterliche Entstehung in Betracht zu ziehen. Im Unterschied zu Gen 1 erscheint die Distanz zwischen Gott und Welt dahingehend relativiert, als Gott auf anthropomorphe |121|Weise gezeichnet wird und im Garten Eden spazieren geht. Auch fehlt die Auseinandersetzung mit babylonischer Kosmologie und steht die Erschaffung des Menschen im Mittelpunkt. Das Menschenbild in Gen 2f. ist ebenso deutlich von anderen Akzentuierungen geprägt wie die in Gen 1 konstatierte Gottebenbildlichkeit: „Menschliche Erkenntnisfähigkeit beruht auf einem Raub und führt nachgerade zwingend in die für menschliche Lebenserfahrung konstitutive Distanz zu Gott“.[7] Beiden Texten ist jedoch gemeinsam, dass die Erde von Menschen nicht auszubeuten, sondern verantwortlich mit ihr umzugehen ist (Gen 1,28Gen 1,28; 2,15Gen 2,15; → Art. Adam und Eva).
Zur Schöpfungsthematik verdienen weitere biblische Texte Beachtung, die gleichermaßen unterstreichen, dass mit Schöpfung keineswegs ein Tatsachenbericht von der Welt- und Lebensentstehung vorliegt: So liegt ein wesentlicher Akzent der Schöpfungspsalmen (z.B. Ps 8;Ps 8 19Ps 19; 104Ps 104) darauf, dass die Herrlichkeit Gottes gepriesen wird, und bei Deutero- wie Tritojesaja (Jes 40–66Jes 400096>66) wird Gottes Handeln in der Geschichte als sein Schöpfungshandeln qualifiziert.[8] Schließlich ist im Ijobbuch die Beziehung