Группа авторов

Handbuch Jüdische Studien


Скачать книгу

nicht Bräuche“.11 Er löst also das Logikproblem, denn nun wird klar, dass das Juden-tum der Vorläufer der ohne Bindestrich geschriebenen Judaismen ist. Dazu gehört auch das Samaritertum, das dem Judentum mit Bindestrich näher ist als der späteren Definition von „Judentum“. Dasselbe gilt für das Christentum und den Islam.

      Wenn jedoch Ioudaismos nicht „Juden-tum“ bedeutet, wie Mason bereits festgestellt hat – von „Judaismus“ ganz zu schweigen – und wie nachfolgend ausführlich dargelegt werden soll, dann kann nach Davies’ eigenen methodologischen Schlussfolgerungen vor einem bestimmten Zeitpunkt in der Moderne nicht von einem „Judentum“ gesprochen werden (oder zumindest wären damit nicht die Juden gemeint!),12 denn erst dann „trat das Konzept des ‚Judaismus‘ ins Bewusstsein, also wurde erst konzeptualisiert“, und „der bewusste ‚-ismus‘ ist die Voraussetzung oder zumindest das Symptom des Auftauchens des ‚Judaismus‘ im historischen Bewusstsein“. Es kann somit kein Judentum geben, solange es nicht konzeptualisiert und benannt wurde. Damit bleibt uns nur noch der philologische Disput.

      Der Fall des 2. Buches der Makkabäer

      Vor einigen Jahren trug der Rabbiner und Religionsforscher Yehoshua Amir Quellenmaterial zum Begriff Ioudaismos zusammen, wie er von Juden benutzt wurde. Angesichts der insgesamt sieben belegten Erwähnungen, davon vier in ein und demselben Kontext, meint Amir: „Gestützt auf die erste Durchsicht des Materials kann behauptet werden, dass das Wort Iουδαϊσμός den Komplex von Verhaltensweisen repräsentiert, der sich durch die Tatsache des Jüdischseins ergibt, und dass dieses Verhalten einen Wert darstellt, für den es sich zu kämpfen und sogar zu sterben lohnt.“13 Amir beleuchtet die hinlänglich bekannte Tatsache, dass Nomen mit der Endung -ismos als von Verben mit der Endung -izō abgeleitete Verbalnomen recht häufig im Griechischen vorkommen. Die wichtige Frage wäre dann, was das Verb bedeutet, von dem das Nomen abgeleitet wurde. Es gibt zahlreiche izō-Verben, die von eigentlichen Substantiven abgeleitet sind und bei denen das Verb das Verhalten des Mitglieds einer Gruppe bezeichnet oder die Identifizierung mit einer Gruppe. So würde etwa mēdizō bedeuten, sich wie ein Medäer zu verhalten oder für die Medäer Partei zu ergreifen. Amir legt dar, dass damit in der Regel jemand gemeint ist, der selbst nicht Medäer ist, und dass es sich häufig um einen herabsetzenden Begriff handelt.14

      Hellenismos hingegen bezeichnet etwas, das die Griechen anstreben, nämlich die korrekte Verwendung der griechischen Schriftsprache, während mit barbarismos das Gegenteil gemeint war (eine Verwendung, die im Englischen noch geläufig ist, indem etwa ein Irrtum als „barbarism“ bezeichnet wird). Der jüdische Gebrauch dieses Terminus ist dagegen ein anderer: Im 2. Buch der Makkabäer bezeichnen Juden andere Juden, die sich wie Griechen verhielten und sich der griechischen Sache verschrieben hatten, als Hellenismos,ähnlich wie Griechen den Ausdruck Medismos verwenden. Amir zufolge ist die Entwicklung dieser Verwendung von Hellenismos darauf zurückzuführen, dass der jüdische Autor einen Ausdruck benötigte, der „sämtliche Merkmale der hellenistischen Kultur zu einem Ganzen verbindet“, da er Ioudaismos für die Judäer verwenden wollte und ein Wort brauchte, der das Gegenteil von Ioudaismos bezeichnet. Ioudaismos ist, laut Amir, ein singulärer Begriff dafür, dass ausschließlich die Judäer als einziges Volk im gesamten Mittelmeerraum es für notwendig hielten, einen Begriff für sämtliche Merkmale ihrer eigenen Kultur zu prägen. Mit anderen Worten stand also am Anfang das Bedürfnis nach einem Wort, das „Judaismus“ bedeutet und daher Hellenismos zum Gegenstück hatte.15

      Amirs Rekonstruktion wirft einige Zweifel auf. Zunächst einmal lehnt Steve Mason Amirs Behauptung ab, bei Iuodaismos handle es sich um einen Begriff mit singulärer Bedeutung. Iuodaismos unterscheide sich in seiner Bedeutung nicht von den andere Ethnien betreffenden-ismos-Verbalnomen. Amirs Behauptung, wonach Ioudaismos insofern allein dastehe, als es sich um das einzige Nomen in der gesamten Antike handle, das eine ganze Kultur oder Religion bezeichne, beanspruche etwas viel für ein Wort, das außer im 2. und 4. Buch der Makkabäer in keinem einzigen hellenistisch-judäischen Text vorkomme. Griechisch-römische Beobachter der Ioudaioi hätten den Begriff zudem nie benutzt, und selbst im Hebräischen und im Aramäischen der damaligen Zeit habe sich keine Parallele dazu gefunden. Eine bessere Erklärung für die Seltenheit des Begriffs besteht, angesichts der (oben erwähnten) Verwendung paralleler Formen, darin, dass die besonderen Umstände nur selten eintraten, die nach der Verwendung dieses stets zu negativen Konnotationen neigenden Wortes verlangten.16 Im Gegensatz zu Amir versteht Mason Ioudaismos als Rückbildung von Hellenismos. Seiner Interpretation zufolge bedeutet Ioudaismus schlicht, sich wie ein Judäer zu verhalten.

      In der vorchristlichen Antike taucht der Terminus Ioudaismos im Wesentlichen nur in einem literarischen Kontext auf, nämlich in den Berichten über den Widerstand der Makkabäer gegen den Hellenismos. Auf eine frühere These17 aufbauend, legt Mason dar, dass das Wort Ioudaismos nur in diesem spezifischen literarischen und historischen Kontext erscheint, weil es auch nur in diesen und keinen anderen Kontext der jüdischen Antike hineinpasst. Zudem passt es zu einem Paradigma anderer griechischer Ausdrücke, die sich auf dieselbe Weise als Verbalnomen von bestimmten Verben ableiten und nichts mit der Bezeichnung einer Religion zu tun haben.18 Ioudaizō würde dann entsprechend bedeuten, „sich wie ein Judäer zu verhalten“, und das daraus gebildete Verbalnomen Ioudaismos wäre dann schlicht die substantivierte Form dieses Verbs, also das „Sich-wie-ein-Judäer-Verhalten“, genau wie Hellenismos bedeutet, wie ein Grieche zu handeln, zu sprechen und zu schreiben. Um einen Eindruck davon zu bekommen, wie oft diese Wortkreation damals im Griechischen verwendet wurde, genügt das folgende humoristische Beispiel: Kenneth Dover erwähnt die Entstehung des Worts „euripidaristophanizein“ („wie Euripides und Aristophanes handeln“), das von einem Komödiendichter erdacht wurde, der sich über den intellektuellen Anspruch von Aristophanes lustig machte.19 Das hypothetische Verbalnomen wäre dann euripidaristophanismos, was wohl kaum eine Institution bezeichnet. Mason stützt sich also auf eine solide lexikalische komparative Grundlage, wenn er die Übertragung dieses höchst produktiven griechischen Paradigmas auf eine einzelne Form – Ioudaismos – ablehnt.

      Wie Seth Schwartz zutreffend bemerkt, trifft Masons Interpretation in Kontexten wie in 14,37 durchaus zu. Im folgenden Zitat sollte nur der von Schwarz verwendete Begriff „Judentum“ durch den fraglichen Begriff Ioudaismos ersetzt werden:

      Es ward aber dem Nikanor angezeigt einer aus den Ältesten zu Jerusalem, mit Namen Razis, dass er ein Mann wäre, der das väterliche Gesetz lieb und allenthalben ein gutes Lob und solche Gunst unter seinen Bürgern hätte, dass ihn jedermann der Juden Vater hieße. Auch war er vor dieser Zeit darum verklagt und verfolgt gewesen, und hatte Leib und Leben männlich gewagt für den Ioudaismos.20

      In diesem Ausschnitt ist deutlich zu erkennen, wie eine Entscheidung für den Ioudaismos einem Bekenntnis zur Lebensart der Judäer und deren Gemeinwesen, ja selbst zu einer Erneuerungsbewegung, die solche Gefühle bei den Abtrünnigen neu entfachen soll, gleichkommt. In 8,1 heißt es hingegen: „Aber Judas Makkabäus und seine Gesellen gingen heimlich hin und wieder in die Flecken, und riefen zuhauf ihre Freundschaft und was sonst bei der Juden Glauben geblieben war […].“

      Seth Schwartz warnt davor, den Begriff als Bekenntnis zur Erneuerungsbewegung zu interpretieren.21 Daraus sollte jedoch nicht geschlossen werden, dass Ioudaismos „etwas sehr stark wie Judentum“ bedeutet,22 denn das würde eine lexikalisch und grammatikalisch singuläre Entwicklung der Vokabel und des ihr zugrunde liegenden Paradigmas ausschließlich in diesem Kontext der gesamten griechischen Literatur voraussetzen. Wenn überhaupt, können sie in beiden Fällen schlicht als „der Lebensweise und der Sache der Juden treu ergeben“ übersetzt werden. Im ersten Fall riskiert Razis Leib und Leben für die jüdische Lebensweise. Im zweiten Fall sind mit Personen, die im Ioudaismos verblieben, diejenigen gemeint, die dem politischen und kulturellen Leben der Juden treu geblieben sind. Ioudaismos bedeutet also die Ausübung einer solchen Loyalität. Die korrekte Übersetzung wäre „sind beim Judaisieren geblieben“ oder vielleicht besser „beim Jüdischsein“. Das hat mit „Religion“ nicht mehr zu tun als etwa das „Attikaisieren“, also „sich zum Verhalten und zu den Bräuchen auf Attika“ zu bekennen. Einmal mehr sei hier betont, dass es sich nicht um ein abstraktes, eine Institution bezeichnendes Nomen