Christoph Barmeyer

Konstruktives Interkulturelles Management


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      Diese Sicht kultureller Unterschiedlichkeit als negativ und als Problem lässt sich vielfach begründen (Barmeyer/Davoine 2016) – beispielsweise dadurch, dass

      –Wissenschaftler eher auf negative Phänomene mit stärkerem oder zumindest sichtbarerem Einfluss auf soziale Systeme und Interaktionen reagieren als auf positive (Cameron 2008, 2017),

      –das Praxisinteresse an negativen Erfahrungen in der Managementpraxis größer ist als an Positiverfahrungen (Margolis/Walsh 2003)

      –es in der Natur der westlich geprägten Dialektik liegt, Kontraste und Polaritäten (gut versus schlecht) zu betonen (Fang 2012).

      Stahl et al. (2017) empfehlen, dass die Interkulturelle Managementforschung zunehmend den Blick auf positive Effekte kultureller Unterschiedlichkeit lenkt, um konstruktive Interkulturalität zu fördern. Das wird sie insofern auch müssen, als sich in Zukunft die Interkulturelle Managementforschung verstärkt mit Themen wie dem Management in Schwellenländern oder Integration kulturell diverser Personen in Organisationen und Gesellschaften befassen muss – was unter dem Blickwinkel des Negativen sicherlich nicht lösbar sein wird.

      Durch die zahlreichen gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen und technologischen Umbrüche und Entwicklungen hat sich der Kontext, in dem Organisationen agieren, dramatisch geändert. Somit müssen auf die komplexen neuen Herausforderungen auch entsprechende differenzierte Antworten gefunden werden, wie es Phillips und Sackmann (2015, 16) betonen: »If the discipline is to be helpful and flourish, scholars will need to investigate adequately the multifaced nature of culture in organizational settings, to share this well-grounded knowledge with practitioners, and to provide them with more differentiated framework and language.« Hierzu gehören etwa die stärkere Berücksichtigung der Kontextgebundenheit von Situationen und die Anwendung pluralistischer Forschungsmethoden (Barmeyer 2004a).

      Es ist an der Zeit, Interkulturelle Managementforschung neu zu denken: Interkulturelle Herausforderungen von Organisationen lassen sich weder mit simplifizierenden und dekontextualisierten Handlungsanleitungen in Form von dos und don’ts noch mit deterministischen starren Kulturverständnissen meistern, sondern mit Bewusstsein und Wissen über die Bedeutung von Interkulturalität, multiplen Kulturen und dynamischer Interkultur. Somit versteht sich die zukünftige Interkulturelle Managementforschung als strategischer Ansatz zur Gestaltung konstruktiver Interkulturalität.

      Interkulturelles Management geht davon aus, dass Kultur für Organisationen und Arbeitsverhalten bedeutsam ist. Dabei steht der Einfluss von Kultur auf Akteursund Organisationspraktiken im Vordergrund, d. h. die Wirkung von Kultur auf Strategien, Strukturen und Prozesse in Organisationen, sowie resultierende Muster und Effekte. Ein Wissen über Logik und Funktionsweisen von Kultur ist insofern zentraler Bestandteil und gleichzeitig Grundlage Konstruktiven Interkulturellen Managements.

      Kultur als Konzept ist seit vielen Jahrzehnten zentraler Diskussionspunkt sozialwissenschaftlicher und kulturwissenschaftlicher Forschung (Busch 2014; Treichel/Mayer 2011). Ausgelöst durch gesellschaftliche Entwicklungen wie Internationalisierung, Migration und Diversität findet ein Paradigmenwechsel bezüglich des Kulturbegriffs statt: In der neueren Forschung wird der sogenannte hermetische Kulturbegriff, der soziale Systeme als »geschlossene Container« (Läpple 1991, 194; Beck 1997, 115) betrachtet und von einer bestimmten Determiniertheit menschlichen Verhaltens ausgeht, zunehmend von einem pluralistischen Kulturbegriff überlagert, der multiple Kulturen und Identitäten explizit untersucht (Fang 2006; Nathan 2015). Heutzutage stehen sich verschiedene Positionen bezüglich der Konstrukte Kultur und Interkulturalität und ihrer Einflussnahme auf (Arbeits-)Verhalten und Organisationen gegenüber:

      1. Kultur-Negation: Bis heute wird von vielen Praktikern und Wissenschaftlern der Einfluss von Kultur auf Organisationen nicht wahrgenommen oder unterschätzt. Diese ethnozentrische Haltung findet sich umso stärker bei Akteuren, die sich in übergeordneten Positionen befinden, die also in wirtschaftlich einflussreichen Ländern oder in Großunternehmen agieren. In ähnlicher Weise ist auch die Wissenschaft betroffen, etwa hinsichtlich der Dominanz des angloamerikanischen Wissenschaftssystems, das zunehmend andere Wissenschaftssysteme und deren Traditionen, Denkschulen und Sprachen verdrängt (Locke 1989; Tietze/Dick 2013; Chanlat 2014).

      2. Kultur-Akzeptanz: Zunehmend hat sich durch interkulturelle Forschung und Praxis seit den 1960er Jahren eine ethnorelativistische Position verbreitet, die Kultur und Interkulturalität einen besonderen, teilweise herausragenden, Stellenwert einräumt (Barmeyer 2000). Vertreter der Kultur-Akzeptanz nehmen Kultur als Einflussvariable wahr und nutzen diese zur Gestaltung von Gesellschaften und Organisationen.

      3. Kultur-Dekonstruktion: Diese Position entstand als Reaktion auf die Überbewertung von (national-)kulturellen Einflüssen und Interkulturalität von Vertretern der Kultur-Akzeptanz. Die Dekonstruktion von Kultur entledigt sich in gewisser Weise ihrem Objekt, und räumt ihm im Vergleich zu anderen kontextuellen, persönlichen oder situativen Variablen nur einen geringen Stellenwert ein.

      Dieses Buch legt den Schwerpunkt auf die Kultur-Akzeptanz, da davon ausgegangen wird, dass Kultur und Interkulturalität Einfluss auf Arbeitsverhalten und Organisationen nehmen. Es ist ein Anliegen, diesen Einfluss zu verstehen und stärker ins Bewusstsein zu rücken, um die vielfältigen komplexen interkulturellen Arbeitsund Führungssituationen in Organisationen – deren Bewältigung die beteiligten Akteure oft viel Energie und Zeit kostet – konstruktiv zu gestalten.

      Kulturkonzepte spielten in den Anfängen der US-amerikanischen Managementforschung, die vor allem seit Mitte des 20. Jahrhundert eine Pionierrolle in den angewandten Sozialwissenschaften einnahm, keine Rolle (Adler 1983). Mit fortschreitender Internationalisierung jedoch wurde deutlich, dass Managementansätze einer Gesellschaft nicht einfach auf andere Kontexte übertragen werden konnten, wie es US-amerikanische Ansätze zeigten (Javidan et al. 2006). Das Interesse an kultureller Forschung stieg insbesondere mit Hofstedes Werk Culture’s Consequences: International Differences in Work-Related Values aus dem Jahr 1980 (Nakata 2009). Seither beschäftigen sich verschiedene Ansätze und Wissenschaftsdisziplinen mit dem Einfluss von Kultur auf Management und Organisationen.

      Je nach Wissenschaftstradition und -disziplin haben sich zahlreiche Kulturdefinitionen herausgebildet (Kroeber/Kluckhohn 1954). Jedoch können sich die verschiedenen Fachvertreter – entsprechend der Vielfalt der Wissenschaftsdisziplinen – auf keinen einheitlichen Kulturbegriff einigen (van Maanen 2011). Dies ist kaum zu kritisieren, da der Kulturbegriff a) als abstraktes Konzept, wie viele sozial- und geisteswissenschaftliche Begriffe, schwer greifbar ist und sein Inhalt je nach Kontext variieren kann, b) in den unterschiedlichen Disziplinen einen anderen Stellenwert einnimmt und c) unterschiedlich genutzt wird (Geertz 1973). Zu bemängeln ist jedoch vielmehr, dass die jeweiligen Fachvertreter im Sinne einer interdisziplinären Verständigung entweder ihren Kulturbegriff nicht genug deutlich machen (Caprar et al. 2015) oder aber den der anderen Fachvertreter nicht kennen oder nicht akzeptieren. Entsprechend der konstruktiven Ausrichtung dieses Buches werden die divergierenden Begriffe jedoch nicht als konträr, sondern vielmehr als komplementär aufgefasst.

      Kultur wird verstanden als »erlerntes Orientierungs- und Referenzsystem von Werten und Praktiken, das von Angehörigen einer bestimmten Gruppe oder Gesellschaft kollektiv gelebt und tradiert wird.« (Barmeyer 2011b, 13–14). Dabei ermöglicht jede Kultur ihren Mitgliedern, gemeinsames und individuelles Handeln zu gestalten. Wichtig ist, dass sich diese Definition nicht nur auf nationale Kontexte und Gemeinschaften beschränkt, sondern auf alle Formen sozialer Systeme wie Regionalkulturen, Organisationskulturen, Bereichskulturen, Berufskulturen oder »Geschlechterkulturen« Anwendung finden kann.

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