Christoph Barmeyer

Konstruktives Interkulturelles Management


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Strömung multiple Kulturen–Erkennt Kultur als sozial konstruiert–Fokus auf Sinngebung und praktische Anwendbarkeit–Wertschätzung kultureller Unterschiedlichkeit und Ähnlichkeit–Wahrnehmung der Komplexität von persönlicher Identität und Paradoxien in Organisationen–Möglichkeit zur Synergieerzielung–Identifikation von Fähigkeiten, die für die Arbeit in multikulturellen Umgebungen benötigt werden–Methodenvielfalt

      Aktuell ist die Interkulturelle Managementforschung interdisziplinär angelegt (Chanlat/Pierre 2018). Dies musste sich allerdings erst in einem Konvergenzprozess der beteiligten Disziplinen entwickeln. Die disziplinären Wurzeln liegen in zwei Wissenschaftsgebieten, die nach und nach integriert wurden: den Sozial- und Kulturwissenschaften auf der einen Seite und den Wirtschaftswissenschaften auf der anderen Seite (Tab. 10). Die einzelnen Disziplinen beschäftigen sich auf unterschiedliche Weise und in unterschiedlicher Intensität mit dem Thema Kultur und Interkulturalität in Organisationen.

Sozial- und KulturwissenschaftenWirtschaftswissenschaften
Disziplinen–Kulturanthropologie/Ethnologie (Kluckhohn/Strodtbeck 1961; Hall 1959; Chanlat 1990; Chanlat/Pierre 2018; Moosmüller 2004; Roth 2004; Romani 2008; van Maanen 2011; Mahadevan 2017)–Soziologie (Parsons 1952; D’Iribarne 1989)–Sozialpsychologie (Thomas 2003c; Berry 1990; Triandis 1995; Thomas 2008)–Interkulturelle Philosophie (Demorgon 1989; 1998)–Interkulturelle Kommunikation (Rogers et al. 2002; Lüsebrink 2005; Müller-Jacquier 2004)–Internationales Management (Dülfer 2001; Usunier 1992; 1998; Perlitz 1993; Welge/Holtbrügge 1998; Urban/Mayrhofer 2011; Kutschker/Schmid 2011)–Kulturvergleichendes Management (Hofstede 1980; Keller 1982; Usunier 1992; Sorge 2004a)–Interkulturelles Management (Adler 1986; Bergemann/Sourisseaux 1992; Trompenaars 1993; Schneider/Barsoux 1997; Barmeyer 2000; Chevrier 2003a; Scholz/Stein 2013; Mayrhofer 2017; Holden et al. 2015a)
Erkenntnisinteresse–Historische Perspektive auf kulturelle Begegnungen–Individuelle und Gruppenreaktionen auf Verschiedenheit–Quellen interkultureller Missverständnisse–Internationalität wirtschaftlicher Organisationen und ihrer Aktivitäten–Kontrastierung kulturell geprägter Management- und Arbeitspraktiken–Erfolgsstrategien im globalisierten Wirtschaftssystem
Dominantes Paradigma–Interpretativ-verstehend–Qualitative Empirie–Objektiviert-gestaltend, funktionalistisch–Quantitative Empirie

      Die Integration verschiedener Disziplinen zur Interkulturellen Managementforschung konnte bewusster erfolgen, nachdem die Unterschiede zwischen verschiedenen disziplinären Ansätzen herausgearbeitet und benannt wurden. So unterscheidet Sorge (2004b) als die hauptsächlichen Ansätze der kulturvergleichenden Organisationsforschung Kulturalismus, Symbolischer Interaktionismus und Institutionalismus, dem sich eklektische Ansätze zugesellen (Tab. 11).

AnsatzAussageKulturAutoren
KulturalismusGeht davon aus, dass sich Gesellschaften »vor allem hinsichtlich ihrer grundlegenden Werte unterscheiden« (Sorge 2004b, 718)System von Werthaltungen einer GemeinschaftHofstede 1980, 2001
Symbolischer InteraktionismusFragt nach der »qualitativen Besonderheit von Handlungen und Strukturen aus dem gemeinten, inter-subjektiv geteilten und sozial auf andere Handelnde und Artefakte bezogenen Sinn« (Sorge 2004b, 719)Symboliken, Handlungspraktiken und Wissensbestände von GemeinschaftenBerger/Luckmann 1966; D’Iribarne 1989
InstitutionalismusUntersucht »die in Institutionen wurzelnden Wege der Koordination und Steuerung von Transaktionen in und zwischen Unternehmen« (Sorge 2004b, 719)Überdauernde Handlungspraktiken, die zur Legitimitätswahrung entwickelt, übernommen und modifiziert werdenWhitley 1999; Hall/Soskice 2001
Eklektische Ansätze, wie z. B. gesellschaftlicher Effekt»Auf einer hauptsächlich interaktionistischen Grundlage der Wechselwirkungen zwischen Handlungs- oder Sinnsystemen einerseits und der wechselseitigen Konstituierung von Akteuren (mit Wissen und Orientierungen) sowie inter-subjektiven Artefakten anderseits werden gesellschaftliche Verschiedenheiten in der Gestaltung von verschiedenartigen Gebilden und Handlungen erklärt« (Sorge 2004b, 720)Kultur als interaktionistische Wechselwirkungen zwischen Handlungs- und Sinnsystemen sowie den Akteuren selbstMaurice et al. 1982; Maurice/Sorge 2000

      Dass sich auf dem Weg der interdisziplinären Zusammenführung der Interkulturellen Managementforschung Friktionen in Bezug auf grundlegende Paradigmen, Forschungsannahmen und Methoden zeigen würden, war zu erwarten: Die jeweils disziplinären Sozialisationen üben eine hohe Prägekraft aus (Schmid/Oesterle 2009). Obwohl dieser interdisziplinäre Abgleich noch nicht abgeschlossen ist, ergibt sich gerade hieraus die Stärke der Interkulturellen Managementforschung: Sie macht Interkulturalität in Bezug auf Organisationen und Management in einer Weise verständlich, dass interpretative, sozial konstruierte Einsichten mit strategisch-ökonomischen Kalkülen abgestimmt werden können.

      Die interdisziplinäre Konvergenz zeigt sich besonders anschaulich an der Institutionalisierung der Interkulturellen Managementforschung. So werden Publikationen aus diesem Feld disziplinübergreifend wahrgenommen und auf internationalen Konferenzen zur Interkulturellen Managementforschung treffen sich inzwischen Sozial- und Kulturwissenschaftler mit Wirtschaftswissenschaftlern zu einem Diskurs, der nicht primär ihre Unterschiedlichkeit in den Vordergrund stellt. Als anerkannte Publikationsorgane dienen spezifische Zeitschriften wie etwa Cross-Cultural & Strategic Management, International Journal of Cross-Cultural Management, European Journal of Cross-Cultural Competence and Management, International Journal of Intercultural Relations und Journal of Intercultural Communication Research. Auch wissenschaftliche Vereinigungen wie IACCM (International Association of Cross-Cultural Competence and Management) und SIETAR (Society for Intercultural Education, Training and Research) sind wichtige Foren, die ausgehend von der Forschung teilweise immer stärker die Praxis interkulturellen Trainings und interkultureller Beratung durchdringen. An Hochschulen ist Interkulturelles Management inzwischen ein etabliertes Fach, für das attraktive Studiengänge bestehen.

      Das Objekt der Interkulturellen Managementforschung ist das Interkulturelle Management. Seine Definition ist nicht einheitlich, verweist aber durchgehend auf einen spezifischen Kontext, Akteure, ihr Verhalten und ihr Zielsystem (Tab. 12).

AutorDefinition
Adler 1986, 10–11»Cross-Cultural Management studies the behavior of people in organizations around the world and trains people to work in organizations with employees and client populations from several cultures. It describes organizational behavior within countries and cultures; compares organizational behavior across countries and cultures; and, perhaps most importantly, seeks to understand and improve the interaction of co-workers, clients, suppliers, and alliance partners from different countries and cultures.«
Bergmann 1993, 197»Es geht beim interkulturellem Management um das Gestalten der Zusammenarbeit von Personen, die auf Grund ihrer Zugehörigkeit zu verschiedenen Kulturen eine Situation: verschieden wahrnehmen (Perzeption), sie verschieden erleben (Fühlen) und, auf sie verschieden reagieren (Handeln), wobei wir, ohne Kultur definieren zu wollen, davon ausgehen, dass man in der Tat, sowohl das System gesellschaftlicher Verhaltensweisen, als auch das ihm zu Grunde liegende Wert- und Sinnsystem berücksichtigen muss.«
Kumar 1995, 684»Von interkulturellem Management spricht man dann, wenn Managementaufgaben in (interkultureller) Interaktion mit Menschen aus fremden Kulturen oder/und mit fremdkultureller Umwelt wahrgenommen werden. Dabei ist stets die Frage immanent – und insofern als (latenter) Bestandteil der Definition anzusehen –, ob die eigenen Lösungsmuster im Rahmen der interkulturellen Interaktion gültig sind oder angepasst werden