§ 36 Abs. 2 WpHG Stimmrechte aus Aktien, die zu zulässigen Stabilisierungszwecken erworben werden. Die Einzelheiten zulässiger Kursstabilisierungsmaßnahmen sind in der Verordnung der EU-Kommission Nr. 2273/2003 geregelt. Im engen Zusammenhang mit der Kursstabilisierung stehen die Instrumente der Mehrzuteilung und der sog. Greenshoe-Option, mit deren Hilfe sich Emissionsbanken den nötigen wirtschaftlichen Spielraum für Kursstabilisierungsmaßnahmen verschaffen. Wenn der Inhaber von Aktien sicherstellt, dass die Stimmrechte aus den betreffenden Aktien, die für Stabilisierungszwecke erworben werden, nicht ausgeübt und nicht anderweitig genutzt werden, um auf die Geschäftsführung des Emittenten Einfluss zu nehmen, bleiben diese bei der Berechnung des Stimmrechtsanteils nach § 36 Abs. 2 WpHG unberücksichtigt. Die Greenshoe-Option nach Art. 2 Nr. 14 der EU-VO Nr. 2273/2003 stellt nach Auffassung der Stimmrechtsreferate der BaFin eine Abwicklungsmodalität im Rahmen einer Mehrzuteilung dar.[276] Die Einräumung einer sog. Greenshoe-Option löst für das Emissionsunternehmen nach §§ 36 Abs. 2, 38 Abs. 1 S. 2 WpHG keine Mitteilungspflicht nach § 38 WpHG aus.[277] Dagegen kann sich der Altaktionär, der dem Emissionsunternehmen für die Mehrzuteilungsoption Altaktien zur Verfügung stellt, nicht auf die Ausnahme des § 36 Abs. 2 WpHG berufen.[278] Der Altaktionär hat einen Rücklieferungsanspruch auf seine zugunsten einer Emissionsbank eingeräumte Wertpapierleihe und ist deshalb bei Schwellenberührungen nach § 38 Abs. 1 Nr. 2 WpHG mitteilungspflichtig.
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§ 36 Abs. 3 Nr. 1 WpHG sieht eine Befreiung für Aktionäre vor, die die Aktien ausschließlich für den Zweck der Abrechnung und Abwicklung von Geschäften für höchstens drei Handelstage halten, selbst wenn die Aktien auch außerhalb eines organisierten Marktes gehalten werden. Diese Frist kann daher im Fall von Kapitalmarkttransaktionen für die Phase zwischen Abrechnung (Clearing) und Abwicklung (Settlement) genutzt werden.[279] Die Zeitspanne kann gem. § 36 Abs. 7 Nr. 1 WpHG durch Rechtsverordnung des Bundesfinanzministeriums verkürzt werden.
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Die Befreiung für Clearing- und Settlement-Geschäfte gilt nunmehr auch für den Erwerb von Aktien im Rahmen von Platzierungen, etwa bei der Durchführung von Kapitalerhöhungen durch eine Emissionsbank.[280] Bei Zeichnung neuer Aktien durch ein Emissionsunternehmen oder Emissionskonsortium werden keine Mitteilungspflichten ausgelöst, sofern die weiteren Voraussetzungen von § 36 Abs. 3 Nr. 1 WpHG erfüllt sind. Fälle der Zeichnung neuer Aktien durch ein Emissionsunternehmen oder Emissionskonsortium (§§ 185, 186 Abs. 5 AktG) sieht die BaFin als ein Halten von Aktien ausschließlich für Zwecke der Abrechnung und Abwicklung an.[281]
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Gleichermaßen befreit werden Verwahrer, die die Stimmrechte aus den verwahrten Aktien nur aufgrund von Weisungen, die schriftlich oder über elektronische Hilfsmittel erteilt wurden, ausüben dürfen. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift des § 36 Abs. 3 Nr. 2 WpHG wird nur diejenige Verwahrstelle als Verwahrer angesehen, der gegenüber der Inhaber von Aktien Weisungen für die Stimmrechtsausübung erteilen kann. Dazu zählen in- und ausländische Kreditinstitute i.S.v. §§ 1, 2 KWG, die das Depotgeschäft i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KWG betreiben.[282] Praktischer Hauptanwendungsfall sind Verwahrstellen von Fondsgesellschaften (Depositaries) im Ausland, die Eigentum an den verwahrten Aktien erlangen können.[283]
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Ebenfalls von der Mitteilungspflicht der §§ 33, 34 WpHG befreit sind gem. § 36 Abs. 4 WpHG Stimmrechte aus Aktien, die die Mitglieder des europäischen Systems der Zentralbanken bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben als Währungsbehörden zur Verfügung gestellt bekommen oder die sie bereitstellen, soweit es sich bei den Transaktionen um kurzfristige Geschäfte handelt und die Stimmrechte aus den betreffenden Aktien nicht ausgeübt werden. Dies gilt insbesondere für Stimmrechte aus Aktien, die zur Sicherheit übertragen werden oder die als Pfand oder im Rahmen eines Pensionsgeschäfts oder einer ähnlichen Vereinbarung gegen Liquidität für geldpolitische Zwecke oder innerhalb eines Zahlungssystems zur Verfügung gestellt oder bereitgestellt werden. Kurzfristig sind Geschäfte, wenn sie im Rahmen der Offenmarktpolitik der Europäischen Zentralbank erfolgen, insbesondere mit den EZB-Leitlinien im Einklang stehen.[284]
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Market Maker sind gem. § 36 Abs. 5 WpHG ebenfalls eingeschränkt von den Mitteilungspflichten befreit, wenn sie aufgrund Zulassung nach § 32 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 4 KWG in ihrer Eigenschaft als Market Maker handeln, sie nicht in die Geschäftsführung des Emittenten eingreifen und kein Einfluss auf ihn dahingehend ausüben, die betreffend Aktien zu kaufen oder den Preis der Aktien zu stützen. Die Befreiung gilt in diesen Fällen für die Schwellen von 3 % und 5 %. Im Hinblick auf die nächste Schwelle sind Market-Maker-Bestände damit bis zu 10 % minus eine Stimme befreit. Ab 10 % Stimmrechte aus Aktien sind die Stimmrechte vollumfänglich zu berücksichtigen.[285] Für diese Zwecke der Berechnung der freien Bestände nach § 36 Abs. 1 und 5 WpHG sind die Beteiligungen nach §§ 33, 34 und 38 WpHG zusammenzurechnen, also Stimmrechte und sämtliche Instrumente zu aggregieren (sog. horizontale Aggregation); innerhalb von Konzernen, wobei dies sämtliche Mutter-Tochter-Verhältnisse mit Ausnahme der Fälle des § 35 Abs. 2–6 WpHG umfasst, erfolgt die Berechnung analog § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WpHG, also von „unten“ nach „oben“ (sog. vertikale Aggregation).[286] Beim Handelsbestand ist zusätzlich Art. 6 der Delegierten VO (EU) 2015/761 der Kommission zu berücksichtigen, wonach Geschäfte im Zusammenhang mit Kundenaufträgen (sog. client serving transactions) dem Handelsbestand zuzuordnen sind. Nach Ansicht der BaFin sind diese Art von Geschäften nicht dem Anlagebestand zuzuordnen.[287]
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Allerdings muss der Market Maker der BaFin unverzüglich, spätestens innerhalb von vier Handelstagen mitteilen, dass er hinsichtlich der betreffenden Aktien als Market Maker tätig ist. Für den Beginn der Frist gilt § 33 Abs. 1 S. 3 und 4 WpHG entsprechend. Institute, die als Market Maker tätig sind und zugleich Wertpapiere im Handelsbestand halten, können die Befreiungen des § 36 Abs. 1 und Abs. 5 WpHG nebeneinander in Anspruch nehmen.[288]
2. Stimmrechtsausübungsverbot
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Soweit Stimmrechte nach § 36 Abs. 1–5 WpHG bei der Berechnung des Stimmrechtsanteils unberücksichtigt bleiben, können sie gem. § 36 Abs. 6 WpHG nicht ausgeübt werden. Einzige Ausnahme ist die Befreiung nach § 36 Abs. 3 Nr. 2 WpHG für Verwahrer, die aufgrund von schriftlichen oder elektronischen Weisungen die Stimmrechte ausüben. Nach wohl h.M. erfasst das Ausübungsverbot sämtliche Stimmrechte und nicht nur diejenigen, die über die maßgebliche Schwelle hinausgehen.[289]
3. Nichtberücksichtigung von Stimmrechten bei Instrumenten i.S.v. § 38 WpHG
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Die Regeln zur Nichtberücksichtigung von Stimmrechten nach § 36 WpHG gelten gem. § 38 Abs. 1 S. 2 WpHG entsprechend für Instrumente, und zwar unabhängig davon, ob es sich dabei um ein einseitiges Erwerbsrecht oder ein Instrument mit wirtschaftlich vergleichbarer Wirkung handelt. Bei der Berechnung der maßgeblichen Schwellen ist zu beachten, dass auch hier eine Aggregation von Stimmrechten aus Instrumenten und Stimmrechten aus Aktien im Handels- bzw. Market-Maker-Bestand zu erfolgen hat.
1. Nachweispflichten
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Wer eine Mitteilung nach § 33 Abs. 1, Abs. 2, § 38 Abs. 1 oder § 39 Abs. 1 WpHG abgegeben hat, muss gem. § 42 WpHG auf Verlangen der BaFin oder des Emittenten, für den die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist, das Bestehen der mitgeteilten Beteiligung nachweisen. Diese Regelung dient der Richtigkeitskontrolle der abgegebenen Stimmrechtsmitteilungen.[290]
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Die Nachweispflicht setzt nach dem Wortlaut von § 42 WpHG die vorangegangene Abgabe einer Stimmrechtsmitteilung voraus. Eine Nachweisverpflichtung wird dementsprechend verneint, wenn die BaFin oder der Emittent auf sonstige