1. Berechnung der Gesamtzahl der Stimmrechte
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Bei der Berechnung der Gesamtzahl der Stimmrechte sind sämtliche stimmberechtigten Aktien zu berücksichtigen. Hierzu gehören primär Stammaktien. Vorzugsaktien sind üblicherweise stimmrechtslos und damit für die Berechnung der Gesamtzahl der Stimmrechte nicht zu berücksichtigen. Nur wenn und solange die Stimmrechte in Folge ihres Auflebens nach § 140 Abs. 2 S. 1 AktG bestehen, sind sie in die Gesamtzahl der Stimmrechte einzurechnen.[353]
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Bei bedingtem Kapital kommt es mit Ausgabe der stimmberechtigten Aktien gem. § 200 AktG zu einer Erhöhung des Gesamtbestands der Stimmrechte; die Umtausch- und Bezugsrechte auf diese Aktien sind unbeachtlich.[354] Die Ausgabe von Bezugsaktien aus bedingtem Kapital und die damit verbundene Erhöhung des Grundkapitals gilt grundsätzlich erst mit Einbuchen im Depot des Bezugsberechtigten als erfolgt. Da dem Emittenten in der Regel das genaue Datum nicht bekannt ist, der Abrechnungszyklus üblicherweise aber zwei Börsentage beträgt, darf der Emittent aus Praktikabilitätsgründen bereits mit der Anweisung an sein beauftragtes Institut, die Bezugsaktien beim Berechtigtem einzubuchen, von der Erhöhung des Grundkapitals ausgehen.[355]
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Die Gesamtzahl der Stimmrechte wird abstrakt berechnet. Ausübungsbeschränkungen einzelner Aktionäre sind nicht zu beachten. Auch ist die Nichtausübung von Stimmrechten durch Aktionäre unbeachtlich. Gleiches gilt für Ausübungssperren bei eigenen Aktien gem. § 71b, 71d S. 4 AktG.[356] Auch Verbote der Stimmrechtsausübung nach § 136 AktG sowie Stimmrechtsverlust nach § 44 WpHG oder § 59 WpÜG sind unmaßgeblich für die Berechnung der Gesamtstimmrechtszahl.[357]
2. Veröffentlichung nach § 40 WpHG
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Im Falle von Stimmrechtsänderungen hat der Emittent die Gesamtzahl der Stimmrechte in der in § 40 Abs. 1 S. 1 WpHG, auch i.V.m. der WpAIV, vorgesehenen Weise zu veröffentlichen.[358] Gleichzeitig ist der BaFin entsprechend § 40 Abs. 2 WpHG i.V.m. der WpAIV die Veröffentlichung mitzuteilen.[359] Gem. § 41 S. 3 WpHG hat der Emittent die Information außerdem unverzüglich, jedoch nicht vor ihrer Veröffentlichung dem Unternehmensregister i.S.v. § 8b HGB zur Speicherung zu übermitteln.[360]
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Für die Veröffentlichung kann das Standardformular der BaFin genutzt werden.[361] Die Veröffentlichung hat neben den Angaben zum Emittenten folgende Angaben zu enthalten:
– | Art der Kapitalmaßnahme (Ausgabe von Bezugsaktien oder sonstige Kapitalmaßnahme), |
– | Stand zum /Datum der Wirksamkeit und |
– | Höhe der Gesamtzahl der Stimmrechte. |
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Das Datum des Wirksamwerdens der Veränderung ist zwingend anzugeben. Dabei ist darauf zu achten, dass sich das Datum des Wirksamwerdens der Änderung nach den aktienrechtlichen Vorschriften richtet.[362] Das Datum der Wirksamkeit ist auch ausschlaggebend für die Frist der Veröffentlichung: Diese muss gem. § 40 Abs. 1 S. 1 WpHG unverzüglich, spätestens innerhalb von zwei Handelstagen nach der Änderung, erfolgen.[363] Ein Abwarten auf die Bekanntmachung im Handelsregister oder Benachrichtigung durch das Handelsregister über die Eintragung ist nicht zulässig.[364] Eine konstitutive Eintragung im Handelsregister ist aber selbstverständlich abzuwarten.[365]
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Die unverzügliche Veröffentlichungspflicht gilt gem. § 41 Abs. 2 WpHG nicht für die Ausgabe von Bezugsaktien, bei denen es im Laufe eines Kalendermonats zu einer Vielzahl von Änderungen der Gesamtzahl kommen kann. In diesem Fall hat die Veröffentlichung jeweils am Ende derjenigen Kalendermonate zu erfolgen, in denen sich die Gesamtzahl der Stimmrechte verändert. Als Ende des Kalendermonats ist grundsätzlich der letzte Kalendertag des Monats anzusehen. Eine Veröffentlichung erst am 1. oder 2. des folgenden Monats hält die BaFin daher für nicht mehr rechtzeitig.[366] Fällt der letzte Kalendertag des Monats auf einen Samstag, Sonntag oder bundeseinheitlichen gesetzlichen Feiertag, so lässt die BaFin eine Veröffentlichung am vorherigen letzten Handelstag i.S.v. § 47 WpHG für die Erfüllung der Veröffentlichungspflicht genügen.[367] Erfolgt im selben Monat eine Veröffentlichung nach § 41 Abs. 1 WpHG sind bis zu diesem Zeitpunkt ausgegebene Bezugsaktien zu berücksichtigen. In diesem Fall sind also ausgegebene Bezugsaktien bereits vor Ende des Kalendermonats zu veröffentlichen, und etwaige weitere nach der Veröffentlichung ausgegebene Bezugsaktien sind ggf. wieder am Ende des Monats zu veröffentlichen.[368] Im Fall der Veröffentlichung der Änderung der Gesamtstimmrechte durch Ausgabe von Bezugsaktien sind nicht die einzelnen Wirksamkeitsdaten, also die Angabe der einzelnen Ausgabetage, aufzunehmen, sondern es ist die Gesamtsumme mit „Stand zum“ am Ende des Monats mitzuteilen.
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Eine Veröffentlichungspflicht nach § 41 WpHG zum Ende des Monats der erstmaligen Zulassung der Aktien des Emittenten zum Handel besteht nicht. Der erstmaligen Zulassung von Aktien eines Emittenten an einem organisierten Markt (IPO) geht i.d.R. eine Kapitalerhöhung voraus. Üblicherweise findet die Änderung der Gesamtzahl der Stimmrechte in solchen Fällen vor der erstmaligen Zulassung der Aktien statt und damit vor dem Zeitpunkt, zu dem die Pflichten der §§ 33 ff. WpHG entstehen.[369]
3. Befreiung von der Veröffentlichungspflicht
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Gem. § 46 Abs. 1 WpHG kann die BaFin Inlandsemittenten mit Sitz in einem Drittstaat (§ 2 Abs. 13 S. 1 Nr. 1b WpHG) von den Pflichten nach § 41 WpHG befreien, soweit diese Emittenten gleichwertigen Regeln eines Drittstaates unterliegen oder sich solchen Regeln unterwerfen. Auf diese Weise soll eine Doppelbelastung dieser Emittenten durch zwei gleichartige Regelwerke vermieden werden.[370] Die Anforderungen an die Gleichwertigkeit von Drittstaatenregeln werden in der TranspRLDV konkretisiert, und zwar in
– | § 5 TranspRLDV hinsichtlich der Gleichwertigkeit der Regeln eines Drittstaats zu den Anforderungen an die Fristen für die Veröffentlichungspflichten, |
– | § 6 TranspRLDV im Hinblick auf die Gleichwertigkeit der Regeln hinsichtlich der Anforderungen an die Veröffentlichungspflichten des Emittenten in Bezug auf eigene Aktien, |
– | § 7 TranspRLDV hinsichtlich der Gleichwertigkeit der Regeln der Anforderungen an die Veröffentlichungspflichten des Emittenten in Bezug auf die Gesamtzahl der Stimmrechte. |
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Gleichwertigkeit ist gem. § 5 S. 1 TranspRLDV gegeben, wenn die Regeln des Drittstaats vorschreiben, dass die Frist, innerhalb derer der Emittent über Veränderung des Stimmrechtsanteils zu informieren ist und innerhalb derer er diese Veränderungen zu veröffentlichen hat, höchstens sieben Handelstage beträgt. Hinsichtlich der Anforderungen des § 41 WpHG gilt § 7 TranspRLDV, wonach der Emittent die Gesamtzahl der Stimmrechte innerhalb von 30 Kalendertagen nach einer Veränderung zu veröffentlichen hat. Unberührt bleibt nach § 46 Abs. 1 S. 3 WpHG hingegen die Pflicht zur Veröffentlichung von Mitteilungen nach § 39 WpHG.
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Nach § 46 Abs. 2 WpHG müssen Emittenten, denen eine entsprechende Befreiung erteilt wurde, gleichwohl für eine Unterrichtung der Öffentlichkeit in der EU und im EWR über die in § 41 WpHG genannten Umstände sorgen.
IV. Veröffentlichungspflicht nach § 43 Abs. 2 WpHG
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Ein