ausgewirkt.[69] In einigen Staaten wurden daraus bereits Konsequenzen gezogen.[70]
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4. Europarecht im engeren Sinne (Recht der Europäischen Union)
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Obwohl das Hochschulrecht an sich nicht in die – gemäß dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 I, II EUV) einer vertraglichen Grundlage bedürftigen – Kompetenz der Europäischen Union fällt, hat das Recht der Europäischen Union erhebliche Auswirkungen auch auf diesen an sich in der Kompetenz der Mitgliedstaten verbliebenen Bereich.[71] Ursächlich dafür sind zum einen die integrationsfreundliche, bisweilen die Kompetenzgrenzen missachtende Rechtsprechung des EuGH[72], die später eingefügten „Beitragskompetenzen“[73] im geistig-kulturellen Bereich[74] sowie die Auswirkungen der Grundfreiheiten des Binnenmarktes.
aa) Spezielle Kompetenzen der EU in den Bereichen Bildung, Forschung und Kultur
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Gemäß Art. 165 I UAbs. 1 AEUV trägt die EU zur Entwicklung einer qualitativ hochstehenden Bildung dadurch bei, dass sie die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten fördert sowie die Vielfalt der Sprachen und Kulturen erforderlichenfalls unterstützt und ergänzt. Dies erfasst alle öffentlichen und privaten Ausbildungseinrichtungen und damit auch die Hochschulen.[75] Ausdrücklich hervorgehoben wird allerdings, dass dies „unter strikter Beachtung der Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Lehrinhalte und die Gestaltung des Bildungswesens“ geschieht. Unter den Zielen der Tätigkeit der Union gemäß Art. 165 II AEUV werden u.a. die Verbesserung der Sprachkenntnisse, die Förderung der Mobilität von Lernenden und Lehrenden, auch durch die Förderung der akademischen Anerkennung der Diplome und Studienzeiten sowie die Förderung der Entwicklung der Fernlehre genannt. Die EU fördert die Zusammenarbeit mit dritten Ländern sowie den für den Bildungsbereich zuständigen internationalen Organisationen (zur OECD s.o. II. 3. a), insbesondere dem Europarat (vgl. o. II. 3. b). Als Instrumente stehen vom Rat im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren mit dem Europäischen Parlament (Art. 294 AEUV) erlassene Fördermaßnahmen zur Verfügung, allerdings unter ausdrücklichem Ausschluss jeglicher Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, ferner Empfehlungen (Art. 165 IV AEUV). Art. 166 AEUV begründet eine entsprechende Unterstützungs- und Ergänzungskompetenz der EU für die berufliche Bildung, Art. 167 AEUV eine Beitragskompetenz der EU für die Kultur.
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Wegen der finanziellen Fördermöglichkeiten bedeutsam – aber auch entsprechend kritisch zu würdigen („goldener Zügel“) – ist die Unterstützungskompetenz der EU hinsichtlich der Stärkung der wissenschaftlichen und technologischen Grundlagen, die sich ausdrücklich auch auf „die Hochschulen“ erstreckt (Art. 179 AEUV). Diese sind auch Adressaten der ergänzenden Unionsmaßnahmen, namentlich der Durchführung von Programmen für Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration unter Förderung der Zusammenarbeit mit und zwischen Unternehmen, Forschungszentren und Hochschulen (Art. 180 lit. a AEUV). Dazu stellt der Rat zusammen mit dem Europäischen Parlament im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren (Art. 294 AEUV) mehrjährige Rahmenprogramme auf, die auch konkrete Zielvorgaben enthalten und die durch spezifische Programme durchgeführt werden (Art. 182 AEUV)[76]. Zur Durchführung des mehrjährigen Rahmenprogramms legt der Rat u.a. die Beteiligung „der Hochschulen“ fest.[77]
bb) Auswirkungen des Unionsrechts allgemein
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Wie in anderen Bereichen auch beeinflussen Auswirkungen des Unionsrechts allgemein das Hochschulrecht. Dass dieses an sich in der Kompetenz der Mitgliedstaaten verblieben ist, entbindet die Mitgliedstaaten nicht von der Beachtung des Unionsrechts, wenn dieses die Materie Hochschulrecht berührt. Dies gilt insbesondere für die Grundfreiheiten des Binnenmarktes. So fordern z.B. die Freizügigkeit der Arbeitnehmer die Gleichbehandlung von deren Kindern hinsichtlich der Ausbildungsförderung,[78] die Herstellung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit die gegenseitige Anerkennung der berufsqualifizierenden Diplome. Dies verlangen in gewissem Umfang bereits die unmittelbar anwendbaren und Individualrechte begründenden primärrechtlichen Normen der Grundfreiheiten (s.u. Rn. 79–80).[79] Zur Klarstellung und Konkretisierung wurden Richtlinien und Verordnungen des EG/EU-Sekundärrechts erlassen (s.u. Rn. 79–80).
cc) Charta der Europäischen Grundrechte
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Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GR-Charta)[80] wurde aufgrund eines Mandats des Europäischen Rates unter dem Vorsitz des früheren deutschen Bundespräsidenten Roman Herzog ausgearbeitet und anlässlich des Europäischen Rates von Nizza feierlich proklamiert.[81] Sie wurde bereits frühzeitig vom EuGH rezipiert[82] und genießt seit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon gem. Art. 6 I, 2. HS EUV Primärrechtsrang. Das in Art. 14 I GR-Charta verankerte „Recht auf Bildung“ erstreckt sich auf die schulische Erziehung und den schulischen Unterricht einschließlich der Umschulung sowie jedenfalls wegen der Einbeziehung der „beruflichen Ausbildung“ auch auf die Hochschulbildung (Universitäten und Fachhochschulen).[83] Es handelt sich um kein Leistungsrecht, sondern um ein Recht auf diskriminierungsfreien Zugang zu bestehenden, vom Schutzbereich erfassten und von Grundrechtsverpflichteten betriebenen Bildungseinrichtungen.[84] Gemäß Art. 13 GR-Charta sind Kunst und Forschung frei. „Die akademische Freiheit wird geachtet“. Darin wurde ein Rückschritt gegenüber „Gewährleistungen“ gesehen.[85] Die Formulierung erklärt sich aber dadurch, dass der Anschein einer Kompetenz der EU zu einer solchen Gewährleistung vermieden werden sollte.[86]
aa) Verbindliche Rechtsakte
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Die Hochschulen betreffendes verbindliches Sekundärrecht wurde vor allem zur Ergänzung und zur Klarstellung der Folgen aus den Grundfreiheiten erlassen. Die Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der EU[87] gestaltet die primärrechtlich verankerte Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Art. 45 AEUV) näher aus und bezieht u.a. in Art. 10 deren Kinder in das Verbot von Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit ein. Die Folgen nicht nur für den Zugang zu Bildungseinrichtungen, sondern auch für die Ausbildungsförderung[88] verdeutlichte bereits das Urteil im Fall Casagrande, das vor der Einfügung ausdrücklicher, zugleich aber limitierter Kompetenzen der damaligen EG für die Bildung (jetzt Art. 165, Art. 166 AEUV) durch den Vertrag von Maastricht erging: „Die Bildungspolitik gehört zwar als solche nicht zu den Materien, die der Vertrag der Zuständigkeit der Gemeinschaftsorgane unterworfen hat. Daraus folgt aber nicht, dass die Ausübung der der Gemeinschaft übertragenen Befugnisse irgendwie eingeschränkt wäre, wenn sie sich auf Maßnahmen auswirken kann, die zur Durchführung etwa der Bildungspolitik ergriffen worden sind“.[89] Folglich musste wegen des Diskriminierungsverbots der Anspruch auf Ausbildungsförderung auch auf entsprechend qualifizierte Kinder des Wanderarbeitnehmers ausgedehnt werden. Die Herstellung der Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit (Art. 49, Art. 56 AEUV) erforderte zur Klarstellung der primärrechtlichen Garantien Regelungen über die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise, gestützt auf Art. 53 AEUV. Dies erfolgte durch eine Reihe sektorspezifischer Richtlinien[90] sowie bereichsübergreifend durch die Richtlinie 89/48/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige