beruflicher Befähigungsnachweise in Ergänzung zur Richtlinie 89/48/EWG[92], die seit 20. Oktober 2007 durch die Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen[93] unter Beibehaltung des Inhalts (mit Verbesserung und Straffung) ersetzt werden. Die Rechte von Studenten aus anderen Mitgliedstaaten, die nicht aus eigenem oder abgeleitetem Recht unter die Freizügigkeit gemäß Art. 45 AEUV fallen, wurden in der Richtlinie 93/96/EWG des Rates über das Aufenthaltsrecht der Studenten vom 29. Oktober 1993[94] geregelt, die zum 30. April 2006 aufgehobenen und durch die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, ersetzt wurde.[95]
bb) Wirkung von Empfehlungen
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Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Empfehlungen, die zwar ausdrücklich „nicht verbindlich“ sind (Art. 288 AEUV), die aber gleichwohl auch rechtliche Bedeutung entfalten, gerade auch im Bereich des Hochschulrechts. So rekurrierte der EuGH im Urteil Gravier u.a. auf einen Beschluss und allgemeine Leitlinien des Rates, um das Studium an Hochschulen unter die „Berufsausbildung“ im Sinne des Art. 128 EWGV a.F. zu subsumieren.[96]
cc) Programme
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Bereits vor der Einfügung der Unionsbürgerschaft (Art. 9 EUV, Art. 20 I AEUV) durch den Vertrag von Maastricht wurden gemäß der im Zuge des Binnenmarktprogramms (Weißbuch der Kommission 1985) entwickelten Idee des „Europa der Bürger“[97] Programme zur Förderung der Mobilität im Hochschulbereich aufgelegt. Genannt sei hier das erste ERASMUS-Programm[98], das fortgesetzt[99] und schließlich in das Programm Sokrates (später: Aktionsprogramm für lebenslanges Lernen) aufgenommen wurde.[100] Ab 2014 wurden durch die Verordnung (EU) Nr. 1288/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013 aus Effizienzgründen sämtliche Programmschienen (insgesamt elf Teilprogramme) nunmehr einheitlich unter dem Dach des sog. „Erasmus+“-Programms zusammengefasst.[101]
aa) Freizügigkeit der Arbeitnehmer
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Auf die Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Art. 45 AEUV) können sich auch die Beschäftigten nicht nur an privaten, sondern auch an staatlichen Hochschulen berufen, da die Bereichsausnahme des Art. 45 IV AEUV („öffentliche Verwaltung“) ein unionsrechtlicher und eng zu interpretierender Begriff ist.[102] Das Bildungswesen einschließlich der Hochschulen (Professoren, Assistenten, nichtwissenschaftliches Personal) fällt nicht darunter.[103] Ausgenommen sind bestimmte Leitungspositionen mit weitreichenden hoheitlichen Befugnissen, z.B. der Rektor bzw. Präsident einer Hochschule.[104] Studierende fallen als solche nicht unter Art. 45 AEUV, da sie keine Leistung für einen anderen erbringen, sondern sich überwiegend theoretisch auf das Berufsleben vorbereiten.[105] Einbezogen werden nach der Rechtsprechung des EuGH allerdings Personen, bei denen ein inhaltlicher Zusammenhang zwischen dem zuvor ausgeübten Beruf und dem Lehrgang oder Studium besteht.[106] Im Übrigen stehen ihnen abgeleitete Rechte als Familienangehörige eines Wanderarbeitnehmers zu, z.B. der nichtdiskriminierende Zugang zum Studium einschließlich Stipendien als „soziale Vergünstigung“ im Sinne des Art. 7 II der Verordnung Nr. 492/2011[107]. Dies gilt auch, wenn die Kinder eines Wanderarbeitnehmers ein Studium in ihrem Heimatland aufnehmen oder fortsetzen.[108] Als Unionsbürger haben Studenten zudem eigene, d.h. unabgeleitete Rechte aus der durch die Unionsbürgerschaft begründeten Freizügigkeit (s.u. Rn. 81).
bb) Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit
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Die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV), die auch Gesellschaften (juristische Personen) berechtigt (Art. 54 AEUV), ermöglicht die Gründung von Niederlassungen und Zweigniederlassungen (vgl. Art. 49 I 2 AEUV) von privaten Bildungseinrichtungen und damit auch Hochschulen in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV), die ebenfalls auch für Gesellschaften gilt (Art. 54 i.V.m. Art. 62 AEUV), berechtigt zu grenzüberschreitenden Bildungsangeboten.[109] Beide Grundfreiheiten sind unmittelbar anwendbar, d.h. ohne sekundärrechtliche Harmonisierungsmaßnahmen,[110] und begründen subjektive individuelle Rechte.[111] Damit besteht für Anbieter aus anderen Mitgliedstaaten ein Anspruch auf diskriminierungsfreie Zulassung (Diskriminierungsverbot). Beschränkungen bedürfen einer sachlichen Rechtfertigung (Beschränkungsverbot). Diese kann in Gründen des Verbraucherschutzes und der Sicherung der Qualität der Hochschulausbildung liegen, wobei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten ist und wirksamer Rechtsschutz möglich sein muss.[112]
d) Folgen der Unionsbürgerschaft
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Weitreichende, bei ihrer Einfügung durch den Vertrag von Maastricht wohl nicht vorhergesehene Auswirkungen auch auf die Hochschulen hat nach der Rechtsprechung des EuGH die Unionsbürgerschaft (Art. 9 EUV, Art. 20 I AEUV). Unionsbürger ist, wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt (Art. 9 S. 2 EUV, Art. 20 I 2 AEUV), was sich nach dessen Recht unter Beachtung des Unionsrechts bestimmt.[113] Der Unionsbürgerstatus wurde vom EuGH als der „grundlegende Status der Angehörigen der Mitgliedstaaten“ bezeichnet.[114] Zu den daraus resultierenden Rechten gehört das allgemeine, d.h. anders als bei den „herkömmlichen“ Grundfreiheiten von einer wirtschaftlichen Tätigkeit losgelöste[115] Freizügigkeitsrecht gemäß Art. 20 II lit. a, Art. 21 I AEUV. Dieses ist unmittelbar anwendbar und begründet ein subjektives Recht für Individuen[116] nicht nur als Diskriminierungsverbot, sondern als Beschränkungsverbot[117] und wird, wenn man der Rechtsprechung folgen will,[118] vom EuGH konsequent als „Grundfreiheit“ bezeichnet.[119] Da dadurch der Anwendungsbereich des Unionsrechts eröffnet wird, ergeben sich aus dem Zusammenwirken des Art. 20 AEUV mit dem allgemeinen Diskriminierungsverbot des Art. 18 I AEUV Erweiterungen,[120] die erhebliche praktische Bedeutung gerade auch für Hochschulen haben.[121] Denn die Einfügung der Unionsbürgerschaft hat den Stand des Unionsrechts gegenüber den zuvor ergangenen Urteilen des EuGH grundlegend verändert.[122]
e) Konkrete Rechte und Folgen
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Daraus ergeben sich für die Studierenden und die Hochschullehrer folgende konkreten Rechte:
aa) Recht auf diskriminierungsfreien Hochschulzugang
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Studenten aus anderen Mitgliedstaaten der EU haben als Unionsbürger das Recht auf diskriminierungsfreien Hochschulzugang. Da das Studium an Hochschulen nach der Rechtsprechung des EuGH bereits vor Einfügung der Unionsbürgerschaft und auch vor Einfügung der limitierten Kompetenz der EU in Art. 165 AEUV wegen Art. 128 EWGV a.F. in den Anwendungsbereich des Vertrages fiel,[123] besteht dieses Recht seit langem. Es wird jetzt auch auf die Unionsbürgerschaft gestützt und setzt allein das Bestehen eines Aufenthaltsrechts voraus, das aus dem Unionsrecht (Art. 20 I lit. a, Art. 21 I AEUV), aber auch (bloß) aus dem nationalen Recht folgen kann. Grundsätzlich ist daher jeder Unionsbürger, der sich rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat bewegt und/oder aufhält, in allen Bereichen, die geeignet sind, das Recht auf Bewegungsfreiheit und Aufenthalt zu erleichtern, genauso zu behandeln wie die Inländer.[124] Daher hat z.B. Österreich nach Ansicht des EuGH dadurch gegen das Unionsrecht (Art. 18 I, Art. 165, Art. 166 AEUV) verstoßen, dass es nicht die erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, um sicherzustellen, dass die Inhaber von in anderen Mitgliedstaaten erworbenen Sekundarschulabschlüssen unter den gleichen Voraussetzungen wie die Inhaber von in Österreich erworbenen